399 v.Chr. stand Sokrates mit etwa 70 Jahren vor Gericht. Seine Ankläger warfen ihm die Verbreitung von Fakenews vor. Warum? Nun: Er widersprach Experten und Politikern und stellte unangenehme Fragen. Vor allem aber beeinflusste er, laut seiner Kritiker, die Jugend auf eine Art und Weise die gefährlich wäre.

Sokrates frevelt und treibt Torheit, indem er unterirdische und himmlische Dinge untersucht und Unrecht zu Recht macht und dies auch andere lehrt.

In seiner eigenen Verteidigung widerspricht er dem nicht wirklich. Sokrates erklärt, dass er in seiner eigenen Suche nach Weisheit jemanden suchte der klüger wäre als er und natürlich führte ihn der Weg als erstes zu den Experten und den Mächtigen.

„[...] endlich wendete ich mich gar ungern zur Untersuchung der Sache auf folgende Art: Ich ging zu einem von den für weise Gehaltenen

Experten zu finden ist ja bekanntlich nicht schwierig, zeigen doch genügend Finger in ihre Richtung. Nachdem er mit einigen dieser Leute gesprochen hatte kam er aber zu einem ernüchternden Schluss:

Im Gespräch mit ihm schien mit dieser Mann zwar vielen andern Menschen auch, am meisten aber sich selbst sehr weise vorzukommen, es zu sein aber gar nicht.

Und weiter

Die Berühmtesten dünkten mich beinahe die Armseligsten zu sein […] andere minder Geachtete aber noch eher für vernünftig gelten zu können.

Und hier lag eben sein Verbrechen.

Sokrates, dem man seinen Intellekt einfach nicht absprechen konnte fand bei den Experten ein Problem das er wie folgt beschrieb:

Denn es mag wohl eben keiner von uns beiden etwas Tüchtiges oder Sonderliches wissen; allein dieser doch meint zu wissen, da er nicht weiß, ich aber, wie ich eben nicht weiß, so meine ich es auch nicht.

Bei den einfachen Leuten aber fand er einfache, praktische, bescheidene schöne Weisheit.

Zum Schluss nun ging ich auch zu den Handarbeitern. Denn von mir selbst wusste ich, dass ich gar nichts weiß, um es geradeheraus zu sagen; von diesen aber wusste ich doch, dass ich sie vielerlei Schönes wissend finden würde. Und darin betrog ich mich nun auch nicht; sondern sie wussten wirklich, was ich nicht wusste, und waren insofern weiser.

In modernen Worten: Sokrates suchte bei den Experten Weisheit und fand hübsch ausformuliertes Gefasel. Die Experten dachten sie verstünden die Welt, ihr Wissen war aber nicht anwendbar, nicht praktisch, nicht nützlich und daher, laut Sokrates, nicht weise, nicht wirklich wahr. Aber der Mainstream empfand es als wahr. Nicht weil es stimmte, sondern weil die Experten sagten, dass es wahr war. Sokrates empfand diese Rückbezüglichkeit als nicht klug.

Sokrates schlug daher eine alternative Herangehensweise vor: nicht einfach den Experten zu glauben, sondern Wissen zu prüfen.

Eine Idee die laut den Dichtern, Politikern und Gelehrten zum Zusammenbruch der Gesellschaft führen würde, denn eine Gesellschaft könne eben nur existieren wenn die Handwerker und Bauern, mit ihren praktischen, funktionierenden Ideen, den hochtrabenden abstrakten Ideen der Elite unterwerfen würden, sie als klüger anerkennen würden und eben keine Fragen stellen würden.

Sokrates wurde für diese Ideen zum Tode verurteilt.

Seither hat sich die Gesellschaft etwas geändert.

Das Orakel von Delphi in Zweifel zu ziehen bringt einen heute nicht mehr in den Gerichtssaal. Experten zu unterstellen, dass ihre Expertisen weltfremd sind, bringt einem aber noch immer einen vergleichbaren Ärger.

Sind die Experten seither besser geworden?

Äußeren sich noch immer ahnungslose Künstler zur Politik und werden sie ernst genommen?

Sind Politiker noch immer Weltfremd?

Irren sich Experten in ihrem Fach, verharren auf alten Ideen und sind jedem feindlich gesinnt der Fragen stellt die ein bestehendes Dogma in Frage stellen könnte?

Hat sich die Gesellschaft also in den letzten 2000 Jahren fundamental geändert?

Suchen wir die Weisheit dort wo Sokrates sie gefunden hat oder suchen wir sie noch immer dort wo sie seine Ankläger vermuteten?

Haben wir uns gesellschaftlich entwickelt oder würden wir jemanden wie Sokrates genauso behandeln wie die Bürger Athens in vor zwei Jahrtausenden behandelten?

Hätte Sokrates einen Youtube Kanal, würde man ihm das Verbreiten von Fakenews unterstellen?

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philip.blake

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Petra vom Frankenwald

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