Nun liegt also das amtliche Ergebnis der Bundespräsidenten-Stichwahl vom 22. Mai vor. Die FPÖ hat acht Tage Zeit, über eine Anfechtung der Wahl zu entscheiden. Man sollte sie dazu ermuntern und hoffen, dass sie den Gang zum Verfassungsgerichtshof antritt.

Nicht, weil das irgendetwas am Ausgang der Wahl ändern würde.

Nicht, weil das verbissene Fans jeglicher Verschwörungstheorien eines Besseren belehren könnte.

Nicht, weil genug „Fleisch am Knochen“ (© Herbert Kickl, Heinz Christian Strache) wäre, wobei Stimmzettel, Kuverts, Wahlurne, Fleisch und Knochen schon ein sehr eigenartiges freiheitliches Bild ergeben.

Sie sollte angefochten werden, weil dadurch endlich mit den Schlawiner-Wahlen nach dem Motto „Mir wern kan Richter brauchen“, jahrzehntelang geübte Praxis, aufgeräumt werden kann. Dann hätte diese Wahl einen weiteren unerwarteten kolateralen Profit ergeben: Unzulänglichkeiten der österreichischen Verwaltung aufgezeigt, die es bei Urnengängen schon bisher gegeben hat, die aber nie thematisiert, sondern stillschweigend unter die Tische der Wahllokale fallen gelassen wurden:

Rechenfehler und Abschreibfehler, gesetzeswidrige vorzeitige Auszählung der Wahlkarten, Schlampereien bei den einzelnen Kategorien, falsche Registrierungen, Zerreißen von Stimmzetteln und dazu noch Säumigkeit beim Verschicken von Wahlkarten ins Ausland, auf dass diese die Wahlberechtigten nicht rechtzeitig erreichten, um bis zum Wahltag ihr Stimmrecht ausüben zu können. Und da reden wir nicht einmal noch von den seit Jahren und Jahrzehnten bekannten Tricks beim Ausfüllen von Stimmzetteln in Krankenhäusern, Pflegeheimen, bei den mobilen Wahlkommissionen.

Berichte darüber gab es schon immer, überprüft wurden sie kaum oder gar nicht.

Die Überraschung jetzt über die Unzulänglichkeiten der Verwaltung ist schlicht und ergreifend scheinheilig. Es tun alle so als wären diese jetzt erst aufgetaucht, als hätte man zuvor noch nie etwas davon gehört. Von „technischen Ungereimtheiten“ sprach Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ganz so als seien diese bisher unbekannt gewesen, was völlig neues, und müssten umgehend beseitigt werden. Bundeskanzler Christian Kern warnt vor einer Diskreditierung der Institutionen und der demokratischen Spielregeln. Darüber hätte man sich schon seit Jahrzehnten den Kopf zerbrechen können und müssen.

In Wahrheit hat es diese schlampigen Verwaltungsakte nämlich immer schon gegeben. Naja, vielleicht nicht das Wahlrecht für zwei Vierzehnjährige, weil das Wahlalter erst vor einigen Jahren auf 16 gesenkt wurde, aber alle anderen Hoppalas in und außerhalb der Wahllokale gewiss. Es hat sich nur niemand darum gekümmert, geschweige denn darüber aufgeregt, weil noch nie eine Bundespräsidentenwahl so (arsch)knapp war und sie bei Listenwahlen noch weniger ins Gewicht fallen.

Eine Anfechtung dieser Wahl und die darauf folgende Feststellung aller Mängel durch den Verfassungsgerichtshof (bei gleichbleibendem Resultat) bietet die Chance, ein für alle Mal die herrschende Nonchalance in der Verwaltung und die Lässigkeit mancher Wahlbehörden zu beseitigen. Man sollte sie ergreifen. Die FPÖ würde dem Gemeinwesen damit sogar einen Dienst erweisen.

P.S. Hier die amtlichen Zahlen:

Es wurden 4.637.046 Stimmen abgegeben und nicht 4.643.154

Es waren 4.472.171 gültig und nicht 4.477.942

Alexander Van der Bellen bekam 2.251.517 und nicht 2.254.484 (50,35 %)

Norbert Hofer bekam 2.220.654 Österreicher (49,65 %)

Die Wahlbeteiligung lag bei 72,65 % und nicht bei 72,75 %

© Bwag/Wikimedia

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