Presseförderung, das ist ein klassisches Nischen-Thema, das außerhalb der politisch-medialen Blase der Parteien, Verleger und Journalisten die breite Öffentlichkeit wohl eher nicht interessiert. Dieser Meinung kann man sein – und hört jetzt sofort zu lesen auf.

Man kann es aber auch anders sehen, denn es geht um drei Fragen:

1. Welche Medien will das Land?

2. Welche Demokratie will das Land?

3. Welche Steuern will das Land?

Und diese drei Punkte gehen wohl alle an. Oder sollten es zumindest. Die Presseförderung müsste abgeschafft werden. Sie ist eine politische Missbildung, die seinerzeit nur dazu diente, die Kritik der Medien an der Einführung der seither zum Moloch angewachsenen Parteienförderung zu unterdrücken. Später diente sie vornehmlich dazu, unwirtschaftliche Parteizeitungen am Leben und Parteijournalisten in Beschäftigung zu halten. Alles mit dem Geld der Steuerzahler.

Nun hat der (relativ) neue Medien- und Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) eine Verdoppelung der Steuermittel für und eine Reform der Presseförderung angekündigt. Eigentlich schon für Herbst, aber da war nichts. Dann für Februar – nun dieser hat noch sechs Tage. Sollte Drozda auch diesen Termin versäumen, sollte man nachsichtig sein. Er beschäftigte sich immerhin zwischenzeitlich mit einer dringend notwendigen (Ironiealarm!) Umbenennung des Wiener Heldenplatzes.

Was Drozda bisher zur neuen Pressförderung von sich gegeben hat, sollte im Sinne der oben gestellten drei Fragen aufhorchen lassen. Zum Beispiel der Satz: „Es gibt ordentliche Journalisten bei allen Medien. Warum diese Jobs weniger förderungswürdig als andere sein sollen, möchte ich nicht argumentieren“. Möchte er nicht, sollte er aber: Erstens weil es äußerst problematisch ist, wenn ein Politiker entscheiden will, wer ein „ordentlicher“ Journalist ist und wer nicht. Aber das dürfte den unheimlich schlauen Herrn Drozda im Überschwang des Reformwillens entgangen sein.

Die Antwort ist auch als Reaktion auf den Plan, mit der „Presseförderung Neu“ auch die Gratiszeitungen „Heute“ und „Österreich“ zu beflügeln, zu verstehen. Das gibt dem Begriff „gratis“ eine ganz neue Bedeutung, denn die Steuerzahler finanzieren sich dann die beiden Boulevardprodukte über ihr Steuergelt selbst und entnehmen sie eben nicht mehr gratis. Dass Drozda das in diesem Zusammenhang gar nicht argumentieren wollte, ist verständlich. Immerhin hat der frühere Chefredakteur von „Heute“, Richard Schmitt, 2011 in einem Interview folgendes ganz offenherzig preisgegeben: „In meinem Vertrag steht, dass ich nichts Kritisches über Anzeigenkunden schreiben darf.“ Diese Klausel amüsiere ihn immer wieder. Nicht mehr lang nach diesem Interview, denn einige Zeit später war er seinen Posten los.

Schmitt sagte auch, das „fast jeder“ in Österreich bei „Heute“ Anzeigenkunde sei.

Der unheimlich schlaue Minister Drozda will also mittels Fördergelder für diese beiden Blätter dem Geld der Anzeigenkunden noch das Geld der Steuerzahler nachwerfen.

Damit hat er immerhin erreicht, dass „Österreich“, die Zeitung mit dem Wahrheitsvorbehalt, plötzlich nichts mehr gegen den Presserat, das sogenannte Kontrollorgan der Medien in Österreich hat und ihm beigetreten ist. Mit der in Aussicht gestellten Förderung von 900.000 Euro für den neuen TV-Sender dieser Gruppe, oe24 TV, wird das wohl rein gar nichts zu tun haben. Und mit der Angst der Politiker vor der Rache des Boulevards erst recht nicht. Oder?

Damit ist man bei Frage 1 gelandet: Es läge nämlich am Publikum, sie für sich zu beantworten und diese Produkte einfach nicht zu Hand zu nehmen. Berge von Altpapier in Wien würden rascher eine bessere Berichterstattung erzwingen als es noch so viele Fördereuros je könnten. Wenn in Schulen aber Medienunterricht hauptsächlich an Hand solcher Produkte stattfindet, weil die Jungen nur damit in die Klassenzimmer und die Lehrkräfte nicht auf die Idee kommen, ihnen andere Zeitungen nahe zu bringen, dann landet man schneller bei Frage 2, jener nach der Demokratie, als einem lieb sein kann.

Demokratie lässt sich nur in einer informierten und interessierten Gesellschaft schützen und vor Angriffen von politischer Seite bewahren. Wer aber die Boulevardblätter für echte Medien hält und gar keine andere Qualität kennt, wird auch die Gefahren nicht erkennen.

Gefördert sollen auch Online-Medien werden. Das geht in Ordnung, denn wo guter Journalismus stattfindet, ist im Grund gleichgültig, Hauptsache er findet statt. Und das tut er auf Plattformen wie jener FPÖ-Nahen von „unzensuriert.at“ eher nicht, soll angeblich aber auch gefördert werden. Der unheimlich schlaue Minister Drozda will es sich offenbar mit niemandem verderben. Das kann aber kein Grund dafür sein, Millionen Euro an Steuergeld einzusetzen. Wenn ein Online-Medium so erfolgreich ist wie von diese Plattform von sich behauptet, dann wird sie wohl auch wirtschaftlich zu führen sein.

Objektive Förderkriterien im Medienwesen sind sicher ein schwieriges Unterfangen, aber nicht ausgeschlossen: Korrespondentenbüros im Ausland etwa oder Fortbildung für Journalisten; Schaffung von journalistischen Arbeitsplätzen abseits der prekären Arbeitsverhältnisse; inhaltlich hochwertige Beilagen (das hat Drozda tatsächlich vorgeschlagen) oder multimediale Anstrengungen; ein Topf für Rechercheprojekte – gut das ist naiv, denn in Österreich ist niemand in den sogenannten Eliten an investigativem Journalismus interessiert. Und wer soll dann die Projekte genehmigen?

Ein mulmiges Gefühl aber sollte sich einstellen, wenn jemand „ethische und moralische“ Kriterien für die Vergabe von Fördermitteln verlangt. Die Initiative der „zivilgesellschaftlichen Kampagnenorganisation“ #aufstehn möchte mit der Unterschriftenaktion „Keine Presseförderung für hetzerische Berichterstattung“ die kostspieligen Pläne Drozdas für die Gratiszeitungen durchkreuzen. Das ist sicher gut gemeint – und lobenswert wie jede zivilgesellschaftliche Aktivität, wovon es ohnehin (siehe Frage 2) viel zu wenige gibt. Die Forderung aber, Fördergeld nur nach einer ethischen und moralischen Prüfung in die Hand zu nehmen, ist gefährlich – und in Zukunft missbrauchsanfällig. Mit dieser Keule ließe sich - je nach gesellschaftlicher Entwicklung – jederzeit die Meinungs- und Pressefreiheit unterdrücken und abschaffen.

Auch in der Türkei glauben die Machthaber an ihre „ethischen und moralischen“ Kriterien – und inhaftieren unliebsame Medienmacher zu Dutzenden. Man muss da gar nicht das Gespenst der Nazi-Zeit wieder beleben. Es gibt keine Garantie für unsere heutige Auffassung von Ethik und Moral.

Eine Gesellschaft, die sich ohne Mitsprache der Politiker keine freien und möglichst unabhängigen Medien leisten kann oder will, hat ohnehin ein Problem.

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