Wie letzte Woche bereits angekündigt, dominierte die US-Berichtsaison diesmal das Geschehen (Gott sei Dank, denn das heißt, dass die Entwicklungen bei unseren südlichen Freunden schön langsam aus den Nachrichten verschwinden). Während letzte Woche vor allem die US-Großbanken berichteten, waren diesmal hauptsächlich Technologie- und Industriewerte dran, die Realwirtschaft sozusagen.Im Gegensatz zu den Banken, die eigentlich durchwegs gute Resultate lieferten, waren die Zahlen diese Woche jedoch weder Fisch noch Fleisch bzw. bei manchen Firmen eher zwischen Genie und Wahnsinn (wobei letzteres wahrscheinlich eher für die Reaktionen der Börsenteilnehmer gilt). So konnte z.B. Apple, immerhin die größte Firma der Welt, trotz eines Umsatzanstieges um über 32 % die Investoren nicht überzeugen, die Aktie gab mehr als 4 % nach, was immerhin knapp USD 30 Mrd. entspricht, oder in etwa der Marktkapitalisierung von Erste Group, OMV und Andritz GEMEINSAM. Natürlich steht seit Jahresbeginn noch immer ein Plus von über 13 % zu Buche…Ganz anders Amazon: Der Onlinehändler vermeldete überraschenderweise Gewinne (Amazon hat historisch einen Großteil des operativen Gewinns in die Geschäftserweiterung reinvestiert und daher praktisch ausschließlich Verluste geschrieben). Die Aktie konnte gestern nachbörslich um knapp 18 % zulegen, nachdem sie seit Beginn des Jahres bereits über 55 % an Wert hinzugewonnen hatte. Das entspricht in etwa USD 40 Mrd. Man könnte also zu den oben genannten noch eine voest und eine Immofinanz drauflegen.So interessant und spannend diese Einzelbewegungen auch sind (und so profitabel für diejenigen, die bei diesem „Earnings Season Bingo“ gewinnen), für das „große Ganze“ sind die Aussagen der Firmen über ihr Geschäft und ihre Zukunftseinschätzungen deutlich wichtiger. Dabei ergeben sich einige interessante Themen:Das vielleicht wichtigste ist China und hier haben wir wenig Erbauliches gehört: Schlechte Makrodaten wurden begleitet von vorsichtigen Aussagen in praktisch allen Bereichen. Seien es Smartphones (einige Chiphersteller warnten vor niedrigeren Auftragseingängen), Aufzüge (United Technologies mit der Marke Otis), Nahrungsmittel (Yum! Brands, siehe letzte Woche), Rohstoffwerte - sie alle sehen eine deutliche Abkühlung in China. Bei den für den österreichischen Markt enorm wichtigen Autowerten (das größte Kundensegment der voest und der AMAG) gab es gemischte Signale: Während Daimler recht gute Resultate lieferte, musste Volkswagen erstmals seit 2005 einen Rückgang in China, dem größten Markt für die Wolfsburger, vermelden. Und auch General Motors (die Jungs von der Opelgang) berichtete über schwächeres Wachstum im Reich der Mitte, konnte dies jedoch durch stärkere Resultate in Nordamerika ausgleichen.Das zweite große Thema war Europa. Die Konjunktur im Allgemeinen zieht etwas an, getrieben von der Nordeuropäischen Lokomotive (Deutschland, Großbritannien und die Beneluxländer), während Südeuropa (außer Griechenland natürlich) schön langsam auch auf den Zug aufspringt. Vor allem der Automarkt dürfte hierzulande wieder anziehen, wodurch etwaige Schwächen in China kompensiert werden könnten.Thema Nummer drei waren Rohstoffe im Allgemeinen und Öl im Speziellen. Hier lassen sich die Vorhersagen mit einem Wort zusammenfassen: Autsch! In vielen Bereichen herrscht nach wie vor Überangebot, die Rohstoffpreise sind weiter im Tiefflug aufgrund der Nachfrageschwäche in China, immerhin der Hauptabnehmer für Kupfer, Zement, Stahl, Baumwolle,…. Das drückte auch in Europa auf den Rohstoffsektor, der seit Wochenbeginn um über 6 % nachgab.

Im Ölbereich verpuffte nach dem Preisverfall der letzten Wochen die kurz gehegte Hoffnung auf ein schnelles Durchtauchen der Probleme rasch. Es wurde gehofft, dass die niedrigeren Preise dazu führen würden, dass die amerikanischen Firmen ihre Ölproduktion drosseln und dadurch den Markt wieder in Balance bringen. Aufgrund diverser Marktgegebenheiten (Absicherungen der Ölproduzenten durch Futures, laufende Verträge, forcierte Bohrtätigkeit aufgrund von Lizenzvereinbarungen,….) dauert das Ganze jedoch deutlich länger als von den meisten Marktteilnehmern erwartet. Dementsprechend fielen auch die Ölwerte, teilweise auf neue Mehrjahrestiefs.Die heimische OMV konnte sich in diesem Umfeld vergleichsweise gut halten. Hier half auch ein nicht ganz so schlechtes Trading Statement zum Q2/15 (mittlerweile rechnet man bei Ölfirmen ja immer damit, dass gleich die Welt zusammenstürzt), das Minus betrug „nur“ 1,9 % diese Woche vs. beinahe 4 % für den Sektor.Etwas härter erwischte es die conwert, die angab in Verhandlungen über ein großes Wohnungspaket in Deutschland zu sein (nachdem dies bereits kurz zuvor in den Zeitungen zu lesen war). Hier drückten Spekulationen über eine Kapitalerhöhung, die aufgrund der Größe des Zukaufs wohl notwendig wäre, auf den Kurs.Auch die nächste Woche bleibt spannend: Es berichten die Technologiewerte ams und AT&S sowie der Verbund (der allerdings schon vorab positive Zahlen veröffentlichte) und der Kranhersteller Palfinger. Während die Zahlen für die beiden Techies mehr einen „Reality Check“ darstellen, erhoffen wir uns von Palfinger weitere Einsichten über den Status der Wirtschaft in Europa und China, wo die Firma fleißig ihr Joint Venture ausbauen will. Das berühmte Sommerloch mag es in vielen Branchen geben, an der Börse herrscht jedoch fast immer Hochbetrieb!

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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