Eine Wahl, zwei Denkfehler.

Das Ergebnis der Landtagswahl in Oberösterreich wird in den nächsten zwei Wochen vor allem im Hinblick auf die Wahl in Wien am 11.Oktober bis auf die letzte Kommastelle hinter den Prozentsätzen analysiert werden.

Wirklich faszinierend aber ist, dass der Ausgang dieser Wahl mit zwei Mythen in der heimischen Politik aufräumt. Der eine Mythos in der Parteienlandschaft, der andere in der Realverfassung.

Der erste von beiden ist leichter erklärt: Die SPÖ als Arbeiterpartei. Schon bei der Landtagswahl in der Steiermark konnte nachgewiesen werden, was bisher nur so als Ahnung herumgeisterte: Die Mehrheit der Arbeiter wählten in der Steiermark FPÖ. In Oberösterreich waren es 61 Prozent der Arbeiter, so die Wählerstrom-Experten. Ziemlich genau jener Prozentsatz, der auch für die Steiermark angegeben worden war.

Man hätte ja annehmen können, dass die Bundespartei nach dem Debakel in Graz der Landespartei im Industrieland Oberösterreich argumentations- und kommunikationstechnisch auf die Sprünge hilft. Weit gefehlt! Wenn in einer Kampf-Stadt wie Wels kurz vor der Wahl mehr als 500 Menschen durch eine Pleite ihren Job verlieren, wäre der Schaden wahrscheinlich nur mit einem superprofessionellen Krisenmanagement zu begrenzen gewesen. Aber eben vielleicht doch! So braucht sich der SPÖ-Bürgermeister nicht wundern.

Irgendwann zwischen der Erkenntnis, dass die SPÖ die Arbeitschicht als Wähler verloren hat, und dem Wahltag gestern muss durch die Parteizentralen von SPÖ und ÖVP ein Geistesblitz gefahren sein: Sagen wir einfach, diese Wahl hat mit uns nichts zu tun, sie sei in einem „Ausnahmezustand“ erfolgt. Nicht anders sind die wortgleichen Reaktionen in Linz und Wien zu erklären. Das heißt, SPÖ und ÖVP machen sich seit der Steiermark nicht einmal mehr die Mühe, über die Ursachen ihres Niedergangs nach- und Änderungen anzudenken. Da kam offenbar die Flüchtlingssituation als Ausrede gerade rechtzeitig.

Der zweite Mythos hängt damit zusammen, ist etwas komplizierter, aber seit gestern, Sonntag, endgültig als Denkfehler identifiziert: Die wahre Macht der Republik liegt bei den Landeshauptleuten. Ohne sie geht gar nichts. Da Josef Pühringer, seit Juli auch Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, gestern vor laufender Kamera seine Hilflosigkeit in der Flüchtlingsfrage beschworen hat, kann das nur heißen: Wenn einer seine „Macht“ freiwillig so aus der Hand gibt, können die Länderchefs gar nicht so mächtig sein wie immer behauptet wird. Denn wären sie es, hätten Pühringer & Co die Bundesregierung seit Ende Mai vor sich hertreiben müssen. So unvorhersehbar wie jetzt getan wird, war die Entwicklung spätestens seit der Überfüllung in Traiskirchen nämlich nicht. Jetzt hat Pühringer die Rechnung für sein lasches Verhalten bekommen – nicht, wie er behauptete, ausgestellt auf andere Namen.

Mit dem Bekenntnis der Machtlosigkeit gegenüber der Regierung, kann diese und alle künftigen schon etwas anfangen. Darauf sollte sie bei anderen wichtigen Themen zurück kommen.  Vor Landeshauptleuten, die zwar wie Pühringer die Funktion haben, die Regierung zum Handeln zu drängen, diese aber nicht – wie man sieht – zum Wohl des Bundes und des eigenen Landes nützt, muss sich niemand mehr fürchten.

Ergo sollte der gestrige Wahlsonntag auch für jene, die sein Resultat mit Sorge sehen, ein paar Erkenntnisse bringen:

1.     Blau ist das neue Rot.

2.     Der Einfluss der Länder auf die Bundesregierung ist bei weitem nicht so groß wie angenommen. Sonst hätte sie nie und nimmer die Entwicklung seit Juni/Juli verschlafen können.

3.     ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat den Glauben an die Güte der Politik seiner Partei verloren. Er meint, ohne Pühringer wäre es noch schlimmer für die ÖVP gekommen.

4.     Bestätigung dafür, dass Dankbarkeit am Wahltag kein Entscheidungskriterium ist. Das hätten aber auch alle in der ÖVP  vorher wissen können.

5.     Dass Meinungsforscher auch einmal Recht behalten können. Das  könnte daran liegen, dass in Zeiten großer Ängste und Frustration die Befragten vor einer Wahl ehrlicher antworten. Oder daran, dass Protest in solchen Zeiten einfach sozial akzeptabler scheint. Für SPÖ, Grüne und ÖVP in Wien verheißt das nichts Gutes.

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