Ich glaub, mir wächst ein Penis! #Alltag einer Alleinerzieherin

Irgendwie fühle ich mich nicht mehr als ganze Frau. Vor allem seit ich Alleinerzieherin bin. Schon vorher haben die Aufgaben, die der Alltag stellt, schleichend zugenommen. Jetzt allerdings bin ich in der Zeit, in der meine Kinder bei mir weilen, Mutter und Vater zugleich. Heißt, ich muss liebevoll und autoritär zugleich sein, muss kochen und heimwerken, bügeln und bei Mathe helfen. Einkäufe und Möbel selbst schleppen. Finanzielle Angelegenheiten und Autoservicetermine sowie Schulaufgaben und Kinderarzttermine im Auge behalten. Manchmal überfordert mich das. Der Alltag ist sehr einnehmend und einengend. Es bleibt kaum noch Zeit für eigene Interessen. Kein Raum, um Frau zu sein. Wenige Stunden, um zu schlafen und auszuruhen. Runterkommen unmöglich!

Trotzdem nehme ich mir Zeit. Weil ich mir auch wichtig bin und ich eigene Interessen habe, die über Kinder und Alltagsbewältigung hinaus gehen. Ich rede mir ein, dass Ausgeleich wichtig ist, aber in Wirklichkeit ist alles, was ich für mich tue, gleichzeitig auch ein Raub an meinen Ressourcen, erzeugt Stress und Schlafmangel. Ich schlafe zu wenig. Permanent. Das lässt mich hin und wieder tagsüber wie in Trance wegträumen.

Mein Tag beginnt um sechs, wenn der Wecker des Handys erbarmungslos aufheult. Spätestens nach dem dritten Schlummern muss ich aus dem Bett, nachdem ich durchschnittlich fünf Stunden geschlafen habe. Ich erhebe mich genau dann, wenn mein Körper schwer und müde ist, mein Kopf aber mit einem Adrenalinschub auf Stress schaltet und an meine Vernunft appelliert. „Wenn du jetzt nicht aufstehst, wird es richtig schlimm!!!“ Also gehorche ich. Das Morgenprogramm ist exakt durchstrukturiert. Jeder Handgriff sitzt und ist getimt, vom Drehen des Kakaos in der Mikrowelle bis zum Herrichten des Gewandes und der Jause, bis ich mit meinem Sohn um 7.15 das Haus verlasse. Meine Tochter, der ich das Frühstück hingestellt habe, muss alleine fortgehen. Hin und wieder ist sie sehr traurig darüber. Sie beschwert sich, dass sie so oft auf sich allein gestellt ist und das tut mir im Herzen weh. Es geht allerdings nicht anders. Die Volksschule ist so weit entfernt, viel weiter als das Gymnasium.Zum Glück haben wir eine Fahrgemeinschaft gebildet, sodass ich nicht immer bis zur Schule mitfahren muss. Wir haben einen Treffpunkt, ab dem dann eine der Mütter übernimmt. Danach fahre ich zur Arbeit, wo ich mit Glück um neun eintreffe. Am Nachmittag geht das Spielchen retour, bis wir schließlich erschöpft daheim ankommen. Dann aber beginnt für mich erst der Tag, denn die Arbeit bedeutet Erholung für mich. Nicht, weil ich nichts tue, sondern weil meine Aufgaben dort planbar und strukturierbar sind. Zu Hause herrscht Chaos. Während die Waschmaschine dreht und ich zusammenräumend Fragen der Kinder beantworte oder Anweisungen gebe, kocht schon wieder einmal etwas über. Kümmere ich mich dann wieder um diese Front, läutet das Telefon und eine Mutter bespricht irgendetwas die Schule betreffend. Ohrenbestöpselt schneide ich also weiter Zwiebel oder irgendein anderes Gemüse, und soll daneben unter die Nase gestreckte Einverständniserklärungen unterschreiben. Meine Tochter hat das Gefühl für den Augenblick! „Gleich!“  und „Jetzt nicht!“ - meine Favoriten unter allen möglichen Antworten…

Endlich sitzt der Kleine in der Badewanne und verursacht übermütig einen Zunami, der Badematte und den restlichen Boden gleich mitverschluckt. Weltuntergangsstimmung, begleitet von Vivaldi in schrillen Klarinettentönen der Großen. Nachdem die Du-musst-Üben-Diskussion vorüber ist, muss ich die Apokalypse im Badezimmer stoppen. Geduld ist dabei leider nicht mein zweiter Name. Als die Kinder eine Stunde später satt und zufrieden entweder schlafen oder noch im Bett lesen, setze ich mich vor meinen Computer und erledige dies und das oder finde im Schreiben meinen Ausgleich. Hin und wieder freue ich mich richtig darauf, dass die Kinder langes Papawochenende haben und nicht bei mir sein werden. Ist das nicht schlimm?

Ich möchte gerne einmal Frau sein. Auch im Alltag. Jeder Mann an meiner Seite, kommt mir vor, ist froh, dass ich dies und das auch alles kann und bürdet mir eher mehr auf als mir Dinge abzunehmen.Hin und wieder denke ich nach und hinterfrage, warum das bei mir immer so ist. Warum ich nicht einmal schwach sein darf und Aufgaben abgeben kann. Schnell aber richte ich mir den Kopf wieder gerade und schäme mich für dieses unnötige Selbstmitleid, denn in Wirklichkeit geht es mir gut und ich bin bei weitem nicht die einzige. Wir Alleinerzieherinnen sitzen doch alle im selben Boot, im dem der unbezahlten Managerinnen…

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Undependent

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Herbert Erregger

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