Zaghaft drang die schwere Luft der Nacht durch das geöffnete Fenster. Die Nacht war schon weit fortgeschritten. Rasch warf ich mir etwas über und ging barfuß den Gang entlang, der mich zum Tor führte. Der Vollmond hing melancholisch und gedankenverloren am sternendurchwachsenen Himmel. Er war wie immer und es ist wohl auch beruhigend, das wie immer. Doch etwas war anders. Ich sah den Weg, der zum See führte, gesäumt von hunderten kleinen Kerzen. Der Duft von Moschus und Ambra hing in der Luft, umwehte mich, durchzogen von einem feinen Rosenaroma, und meine nackten Füße nahmen den Wechsel wahr, von dem harten Teil des Weges zu dem, der mit Rosenblättern bestreut war. Sachte ging darauf weiter, bis zum See. Die sinnlichen Düfte durchflossen mich und mein Körper fühlte sich fast schwerelos an, schwebend über Rosenblätter, zwischen dem flackernden Schein der Kerzen und der Leichtigkeit des Enthoben-seins. Nachdenklich blieb der Mond und rührte sich nicht, und rührte mich. Am Ufer wartete das Floß auf mich, und selbst über den See war die Kette der Kerzen nicht unterbrochen worden. Kaum hatte ich das Floß betreten, legte es auch schon ab undwie von Geisterhand geleitet, fuhr es zwischen den Kerzen hindurch, die sanft am Wasser schwammen. Sie ließen sich von den Wellen heben und senken, gingen mit ihnen mit und schmiegten sich an sie. Würden sie sich dagegen stemmen, würden sie versuchen ihrem eigenen Rhythmus zu folgen, würden sie zweifellos erlöschen, doch im Miteinander, im sich-Finden in der Bewegung, können beide Sein, sich erweiternd, ergänzend, im Fluss und in Anmut sich gegenseitig aufrufend und umschmeichelnd. Endlich legte das Floß an am Steg und ich stieg hinauf und ich bettete mich in die Flut der Rosenblätter wie auf Wolken. Wie aus dem Nichts umspannten mich zwei zarte Hände. Sie verbanden meine Augen und banden mich mit zärtlichem Griff und seidenen Bändern. Es war so rasch vonstatten gegangen, dass ich keine Möglichkeit hatte mich zu wehren. Ich konnte nichts sehen und mich nicht mehr bewegen. Doch ich spürte die samtenen Rosen unter mir, und Du duftetest nach Vanille und Kirsche, nach warmen, dunklen Holz und Nacht, als Du Dich über mich beugtest. Ich ließ mich ein und geschehen, mich in der Vertrautheit der Sinne, der inspirierenden Hingabe an das, was mir in dieser Nacht, auf diesem Steg, auf Rosen gebettet, zuteil werden würde. So erweiternd kann Einschränkung sein. Deine Hände waren um mich, und Dein Atem und Deine Lippen. Ich spürte die Rosen und den Schein des Mondes, der meinen Körper umfloss, und ich spürte Deinen Atem und Deine Hand auf meiner Brust. Leicht lag sie darauf und ließ sich mit Heben und Senken, so wie es die Lichter am See sich von den Wellen heben und senken ließen. Ich war die Welle und das Fließen und das Heben und Senken und der Rhythmus, und Du warst das Licht, das sich der Welle anvertraute und dem Fließen und dem Heben und Senken. Und so ließen wir uns treiben von dem Rhythmus, der uns verbindet und in ein sich fügendes Miteinander finden lässt, ließen uns ineinander fallen, ließen uns sinken ohne unterzugehen, um vielmehr voneinander erhoben zu werden. Im Wahrnehmen geschah die Annahme und selbst der Herzschlag fand in diesem Gleichklang. Ich atmete Deine Haut und Dein Mit-mir-sein, Deine Berührung und Deinen Duft, Deinen Atem und Deinen Puls, Deine Liebe und Deine Verschwendung. Ich atmete Dich. Und in der gleichen Weise war ich Dir Geschenk und Ausgeliefert-sein und Unverwehrtheit.Sanft wie der Mond und der Duft und der Atem und das Leben selbst, eindrucksvoll und doch voll Andeutung, waren wir uns und sind wir uns, hier am Steg, zwischen den Lichtern und den Düften, auf Rosen gebettet.

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Paradeisa

Paradeisa bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

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