Mein Vater trauert um den Haider

Mein Vater kam heute von der Arbeit nach hause, wir redeten etwas darüber, wie sein Tag so war. Er war ganz gut, bis auf ein Ereignis auf dem Nachhauseweg. Es passierte am Praterstern. Ein stark alkoholisierter Türke stand in der Tür der Straßenbahn, er hatte ein Bier in der Hand und machte sich so breit, dass ein hineingehen nicht möglich war, ohne an ihm anzukommen. Er war offensichtlich im Rausch aus auf Stress. Mein Vater war sein Ziel. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung, zwischen meinem Vater und dem Betrunkenen. Geschlichtet wurde die ganze Streitigkeit von einer Gruppe jüngerer Österreicher, die meinen Vater beschwichtigten und es geschah nichts Nennenswertes.

Ich vergaß zu erwähnen, mein Vater ist Kroate. Es war eine Auseinandersetzung zwischen Ausländern, die von Österreichern geschlichtet wurde, sehr löblich im Grunde genommen.

Nur das der Satz: "Wäre der Haider nur nicht tot, dann müssten wir uns um so ein Gesindel keinen Kopf mehr machen", fiel.Mein Vater hat damals den Haider gewählt, die heutige FPÖ wählt er (noch?) nicht. Wir kamen 1993 als Flüchtlinge nach Österreich.

Meine beiden Geschwister sind in Österreich geboren, wir haben mittlerweile alle die Staatsbürgerschaft, meine Eltern sind berufstätig, ich studiere, mein Bruder geht einer Beschäftigung nach und meine kleine Schwester geht noch zur Schule. Meine Eltern sprechen beide (mehr oder weniger) gut deutsch. Der Strache würde uns wahrscheinlich als "gut integriert" bezeichnen. Im Selbstverständnis meiner Eltern sind wir gut integriert und "Vorzeigeausländer".

Der türkische Mitbürger mit dem mein Vater heute aneinandergeriet, war in seinem Alter (~50), sprach aber nahezu kein deutsch. Insofern kann man nicht wirklich von einer verbalen Auseinandersetzung sprechen, da sich dafür die Streitparteien verstehen müssten. Man könnte nun meinen er sei ein frisch Zugezogener. Aber ein 50 jähriger Türke der erst seit kurzem in Österreich wohnt, würde wohl kaum am Prater abhängen und sich dort ansaufen.

Ich habe früher am Prater gewohnt und habe die Lage dort über die Jahrzehnte verfolgt, ich finde es interessant und irgendwie amüsant, dass sich die Riege der "Praterpenner" mittlerweile internationalisiert hat. Waren dort früher nur Einheimische anzutreffen, sind mittlerweile Menschen aller Nationalitäten dort.

Als (eingebürgerter) Ausländer, der in Österreich einer geregelten Beschäftigung nachgeht, hat man dort wohl dieselbe Reaktion wie ein Österreicher. Wenn ein Österreicher einen "Penner" (ich möchte hier erwähnen, dass ich nicht gegen Obdachlose hetzen will und den Begriff nicht unbedingt auf Obdachlose beziehe, ich weiß auch das genügend der Leute die am Prater abhängen und sich dort Tag ein Tag aus betrinken, irgendwo in der Nähe wohnen. Mit Penner meine ich hier gemeinhin, was Durchschnittsbürger unter diesem Begriff versteht) sieht der österreichischen Hintergrund hat, so wird da in der negativen Reaktion auch etwas Scham mitschwingen. "Ey du bist von hier, mach doch nicht so ein schlechtes Bild von uns". Ein ("gut";) integrierter Ausländer hat da eine ähnliche Reaktion: "Ey was soll das. Ich arbeite hier, zahle steuern und integriere mich und du säufst dich einfach hier an und reißt mich mit ins schlechte Bild".

Und ja. Wer könnte ihnen das Übel nehmen ? 10h harter Arbeit, dann auf dem Weg nach hause und was sieht man unterwegs ? Einen anderen Einwanderer der sich asozial in der Öffentlichkeit betrinkt und Leute anpöbelt.

Wieso wählen oder sympathisieren Ausländer mit der FPÖ ?

Es ist eine Milchmädchenrechnung.

Ich: gut integriert, Steuerzahler

Du: asozial, Sozialschmarotzer

Ich will nicht, dass ich mit dir in Verbindung gebracht werde, Strache bring diese Menschen doch weg.

Sie würde langfristig nicht aufgehen, ich bezweifle stark das ein Strache dort halt machen würde.

Auch wenn ich die Meinung nicht teile, so kann ich sie doch nachvollziehen und verstehen.

Das Thema Deutschkenntnisse hab ich oben schon erwähnt. Es ist leider traurige Wahrheit, dass es viele MigrantInnen in Österreich gibt, die seit langer Zeit (tlw. 10Jahre+) hier leben und deren Sprachkenntnisse über "Guten Tag, Bitte, Danke" nicht hinausgehen.

Es ist wieder eine Frustreaktion: "Ich habe mir die Mühe gemacht deutsch zu lernen, warum tust du es nicht ? Kannst du es nicht ? Willst du es nicht ? Du rückst mich in ein schlechtes Bild!"

Ich finde es schön mich in meiner Muttersprache zu unterhalten, es gefällt mir und gibt mir auch ein Stück Selbstbewusstheit. Ich finde, bei aller Integrationswilligkeit und Anpassungsbereitschaft, ist es wichtig, sich die Ursprungskultur so gut es geht, zu bewahren. Die eigene Ursprungssprache zu beherrschen ist da essentiell und am anderen Ende des Sprachspektrums, stehen die Immigranten, welche die eigene Sprache nicht mehr beherrschen. Aber das ist ein anderes Thema.

Aber bei aller Liebe für die Muttersprache und bei aller politischer Korrektheit, es gibt keinen Grund sich die deutsche Sprache nicht anzueignen, wenn man längerfristig in Österreich lebt/leben will. "Aber Deutschkurse..."

Aus!

Meine Eltern besuchten keine Deutschkurse, sie lernten es im Alltag und im Umgang mit Österreichern. Ich lernte deutsch mit ConfettiTV. Da kein Geld da war für den Kindergarten, saß ich jeden Tag vorm Fernseher und sah mir all die Zeichentricke und komischen Sachen da an, in einer Sprache die ich nicht kannte, irgendwann konnte ich deutsch. Lesen lernte ich mit Mickimausheften und dem lustigen Taschenbuch noch bevor ich in der Volksschule war. Wo ein Wille (oder Langeweile) ist, da ist auch ein Weg.

Nicht Deutsch zu sprechen ist Wasser auf den Mühlen rechter Hetzer und auch wunderbar um von Mit-Migranten diskriminiert zu werden. "Wieso mach ich mir die Mühe und du nicht ?"

Wieso wählen Migranten die FPÖ?Es auf "wir sind schon da, die anderen sind egal" oder "wir sind übern Zaun, ladet ihn jetzt elektrisch auf" zu reduzieren ignoriert so viele Probleme in unserer Gesellschaft. Und der einzigen Gruppe der dieses Ignorieren in irgendeiner Art und Weise hilft, ist die FPÖ.

Wieso wählen Migranten die FPÖ ?Es ist diese (vermeintlich wahrgenommene) Devaluierung der eigenen Leistungen die Frust- und Abwehrreaktionen auslöst.

Es ist auch Angst, wenn man nun wegen "schlecht integierten" nun nicht mehr als "gut integiert" gesehen wird. Es ist auch Vorwurf: "Weil du so schlecht integriert bist, sind mehr Österreicher (auch mir gegenüber) rassistisch, toll gemacht!"

Es ist aber auch nur "normaler" Frust. Die Wirtschaft und so.

Alles wird teurer, Gehälter bleiben gleich, vielleicht gibts Schulden, die Rot&Schwarz werden nur noch als inkompetenter Haufen korrupter Freunderlwirtschaft gesehen. Die FPÖ-Wahl ist eine Frustwahl, wie bei indigenen Österreichern.

Wieso wählen Ausländer die FPÖ ?Aus den selben Gründen aus dem alle anderen die FPÖ wählen.

Solange sich SPÖ und ÖVP an Inkompetenz gegenseitig überbieten, solang nur der kleine Mann geschröpft wird, wichtiges im Parlament verhudelt wird, während andere Sachen (Stichwort: Festplattenabgabe) mit Lobby in Bestzeit durchgeboxt werden, solang wir die fehlgeleitete politische Korrektheit nicht verwerfen und der FPÖ alle Themen mit Ausländerbezug überlassen, weil man sich nichts sagen traut, solange ein Dönmez von der eigenen Partei mundtot gemacht wird, weil er die rosarote Brille absetzt, so lange werden Österreicher irrelevant vom Migrationshintergrund die FPÖ wählen.

Die Hintergrundbedingungen wegen denen ein Migrant gegen Migranten diskriminiert, sind vielleicht etwas anders vom Österreicher der gegen Migranten diskriminiert, aber die Bedingungen, wegen denen beide Gruppen mit der FPÖ sympathisieren, sind die selben.

Ich war in letzter Zeit etwas beschäftigt und bin es eigentlich noch immer, aber heute habe ich doch einen sehr guten Grund wieder zu bloggen.

Ich möchte auch auf den Beitrag vom blauenelefant verweisen, ich wollte auch etwas in die Richtung der Psychologie schreiben, aber er hat das besser getan als ich es könnte und ich stimme ihm da auch im Großen und Ganzen zu. Ich fand es etwas komisch, dass ich den Beitrag auf der Startseite sah, als ich vorhin mit der Absicht diesen hier zu schreiben FuF öffnete.

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Silvia Jelincic

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