Ja, Assange vereinfacht manchmal, ja, was, er veröffentlicht hat manchmal einen Spin. Und ja, es gibt Vorwürfe gegen Assange wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder sexueller Belästigung in Schweden. Andererseits: Schweden hat die strengsten Gesetze der Welt, was Vergewaltigung, sexuelle Nötigung bzw. sexuelle Belästigung betrifft, und Vereinfachung und Spin können auch Mainstream-Medien vorgeworfen werden.

Daher erscheint die Entscheidung der ecuadorianischen Regierung, Assange das Internet abzudrehen, problematisch.

http://derstandard.at/2000046122216/Ecuador-bestaetigt-Internet-Stop-fuer-Assange-Kritik-von-Snowden

Die ecuadorianische Regierung begründete ihre Entschiedung, Assange das Internet abzudrehen, mit der Nichteinmischung in innere Angelegenheit anderer Länder, insbesondere Nichteinmischung in Wahlkämpfe anderer Länder.

Dieses Nichteinmischungsargument hat etwas Veraltetes; in einer Zeit, in der sich alles langsam immer mehr in Richtung Weltinnenpolitik entwickelt, verliert das Nichteinmischungsargument Schritt für Schritt an Bedeutung.

Es stellt sich die Frage, ob die sachlich richtige Behauptung, dass Hillary Clinton einerseits von finanziell starken Kräften finanziert wird, aber andererseits dieselben oder ähnliche Kräfte kritisiert oder zu kritisieren vorgibt.

Eine andere Sichtweise als die Nichteinmischung wäre die der Neutralität: wenn Assange Hillary Clinton kritisiert, dann sollte irgendjemand Trump kritisieren. Ich kenne die Medienlandschaft Ecuadors nicht genau genug, um wirklich urteilen zu können.

Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass die ecuadorianischen Medien eher Trump-kritisch sind. Und auch das könnte als Einmischung in die Wahlangelegenheiten anderer Länder gesehen werden.

Außerdem ist Ecuador (mit 16 Millionen Einwohner) ein Kleinstaat. Die Einmischung in Angelegenheiten anderer Länder, insbesondere die Einmischung von Großmächten in die inneren Angelegenheiten kleinerer Länder gehört zur Normalität der internationalen Politik.

Die aussergesetzliche Hinrichtung von Osama Bin Laden, durch US-Truppen unter dem Oberbefehl des jetzigen Präsidenten Barack Obama, ohne die Zustimmung der afghanischen Regierung kann auch als völkerrechtswidrige Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Afghanistan betrachtet werden. Allerdings war auch der 9-11-Terror eine Einmischung von Osama Bin Laden in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates, in diesem Fall die USA.

Letztlich ist das auch eine Machtfrage. Assange ist mehr oder weniger ohnmächtig. Und konsequente und stabile Komplizenschaft für irgendwen kann ich nicht erkennen. Vor ca. 5 Jahren warf man Assage vor, er sei antiamerikanisch, und heute wirft man ihm vor, er sei pro-Trump. Diese beiden Positionen können nicht gleichzeitig wahr sein.

Trotzdem: Assange ist in mancherlei Hinsicht problematisch; was er veröffentlicht, hat aus meiner Sicht einen Spin. Aber aus meiner Sicht ist er bzw. das was er aktuell publizierte, nicht problematisch genug, um ein Internetverbot zu rechtfertigen.

Und die Einmischung in innere Angelegenheiten kann auch umgekehrt vermutet werden. Die Regierung der USA (Demokratisch, Obama-Clinton) könnte Druck auf den Kleinstaat Ecuador ausgeübt haben, Assange das Internet zu verbieten und so die eigenen Präsidentschaft zu retten.

Quod licet Iovi, non licet bovi ?

Was die Großmächte dürfen (nämlich sich in die Inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen), dürfen Kleinstaaten nicht ?????

Das wäre natürlich eine Verletzung der UN-Charta, die besagt, dass alle Mitgliedsstaaten gleich sind. Aber die Realität sieht halt oft anders aus, als die UN-Charta das vorsieht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Julian_Assange

https://de.wikipedia.org/wiki/WikiLeaks

https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Domscheit-Berg

Andererseits: Assange und Trump sind beides Männer, die sich ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt sehen. Jörg Kachelmann sprach davon, es gebe in unserer gesellschaft eine Art "Opfer-Abonnement für Frauen" und einer Art automatischen Täter-Verdacht gegen Männer.

Möglicherweise erleben wir, dass es in unserer Gesellschaft allgemein immer weniger um politische Inhalte geht, sondern immer mehr um die Frage, welches Geschlecht der Vertreter derselben hat. Gerade die US-Wahl tendiert dazu, weniger eine Links-gegen-Rechts-Wahl zu sein, sondern mehr eine Mann-gegen-Frau-Wahl.

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Dieter Knoflach

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bernhard.buchariensis

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