Die frühere Staatssekretärin für Diversität Muna Duzdar stellt in einem Wiener Zeitungs-Kommentar einige hinterfragenswerte Thesen auf, darunter auch einige "Was, wäre wenn .."-Thesen:

https://www.wienerzeitung.at/meinungen/gastkommentare/984792_Praesident-Beji-und-der-Zorn-Gottes.html

Die islamische Welt würde sich in einem besseren Zustand befinden, wenn der Erdölreichtum im moderaten Tunesien existieren würde, aber nicht in der radikalislamischeren Golfregion, so Duzdar.

Nun spielt Erdöl und der damit verbundene Reichtum zweifelsohne eine Rolle bei den Möglichkeiten, Ideologie-, Revolutions- oder Islamexportversuche zu finanzieren.

Aber das heisst noch lange nicht, dass diese Versuche auch erfolgreich sein müssen, oder dass der Erdölreichtum der einzige Faktor ist:

die Gegenthese wäre: es ist nicht der Erdölreichtum, der entscheidend ist für den Zustand der islamischen Welt, sondern der kulturelle Austausch:

eine Schiffsreise von London/Liverpool nach Aden/Kuwait dauerte im 19. Jahrhundert und am Anfang des 20. Jahrhunderts, ca. 20-mal so lange und war dementsprechend teurer als eine Schiffsreise von Marseille nach Tunis. Daher war der kulturelle Austausch wegen der geographischen Distanz geringer.

Dass Tunesien ein relativ europäisches Land ist, hängt möglicherweise eher mit der Nähe zu Europa (insbesondere dem ehemaligen Kolonialherren Frankreich) zusammen und nicht mit dem Erdöl.

Zahlreiche ölreiche Staaten versuchten, Revolutionen und Ideologien zu exportieren, scheiterten aber damit. So gesehen hat die These vom Erdölfinanzierten Einfluss etwas von Vulgärmarxismus bzw. Vulgärmaterialismus.

Umgekehrt haben europäische Staaten durchaus hohe Pro-Kopf-Bruttonationalprodukte und hätten so gesehen gute finanzielle Voraussetzungen, ihre Ideologie zu exportieren; wenn auch nicht aus Erdölförderung.

Allerdings ist es keineswegs so, dass wegen der Finanzkraft der EU alle Staaten der Welt EU-Regeln kopieren würden.

So gesehen kann man das als ein Anzeichen dafür sehen, dass europäische Staaten viel weniger aggressiv vorgehen als manche Staaten der Golfregion.

Und noch eine "Was wäre, wenn ..."-Frage ist mir eingefallen:

Hätten die Banlieue-Unruhen nicht stattgefunden, wenn Frankreich keine durch Vermischung gekennzeichnete Europäisierungstendenz auf z.B. Tunesien gehabt hätte ?

Oder umgekehrt: waren die Banlieue-Unruhen der Preis dafür, dass Tunesien relativ europäisch ist ?

Ist Tunesien ein relativ europäisches Land, weil es den "besseren" Islam hat oder weil es weniger Islam hat ? Weil es mehr Menschen aus islamischen Familien bzw. Kulturen hat, die die Regeln der eigenen Religion brechen ?

CCO / zug.gem. Jean-Frederic https://de.wikipedia.org/wiki/Muna_Duzdar#/media/File:Wikimedia_meeting_with_State_Secretary_Muna_Duzdar_-_Vienna_-_May_2017_(2).jpg

Ex-Staatssekretärin Muna Duzdar: jeder Islam, der ein bisschen besser ist als der saudi-arabische, sei automatisch wunderbar, selbst, wenn er gar kein Islam mehr sei ?

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