Die "bezifferte" vernichtet die "menschliche" Welt (Colin Crouch/Postdemokratie)

Wenn ein Pfleger in Erfüllung ökonomischer Ziele nur mehr wenige Minuten pro Patienten am Tag aufwenden darf, Pensionisten vom Bank-Schalter ins Foyer zum Selbermachen zurückgeschickt werden und menschliche Bankmitarbeiter gerügt werden, wenn Sie für betagte Kunden mehr als infolge Workflow-Rechnung an Zeit erlaubt ist, aufwenden, dann geht die Menschlichkeit verloren.

Messbarkeits- und Quantifizierungswahn der neoliberalen Ideologie und was nicht messbar ist, zählt auch nicht. Der Neoliberalismus hat zu einem Verfall der Demokratie wesentlich beigetragen, auch zu einem Verfall des Politik und Gemeinwohlverantwortung. Die Ungleichheit wächst, wie uns dies Piketty zuletzt wieder vorführte in seinem Buch „Kapital des 21.Jh.“.

„New public Management“, ein neuer Begriff aus GB, wonach auch alle öffentlichen Lebensbereiche (Schulen, Krankenhäuser, Exekutive, etc..) dem Diktat der Kennziffern und Controlling – Listen unterworfen werden. Der Computer machte es möglich, was vorher nicht möglich war und es funktionierte auch.

Der weitgehend nicht messbare, immaterielle Bereich, das „Wissen“ bleibt dabei auf der Strecke, weil nur mehr das Messbare zählt. Lässt man die Logik der neoliberalen Finanzmärkte ungehindert operieren, zerstören sie das Immunsystem unserer Zivilgesellschaft.

Die Zivilgesellschaft darf sich vom neoliberalen Wertesystem nicht unterdrücken und beherrschen lassen, jeder Einzelne von uns ist aufgerufen, dagegen ständigen lautstarken Widerstand bei jeder Gelegenheit zu leisten. Ich glaube nicht an eine heile Welt, aber ansonsten wird aus einer unheilen Welt eine noch unheilere.

Renata Schmidtkunz, ich halte sie für die beste OE1-Journalistin, interviewte kürzlich den britischen Politikwissenschaftler Colin Crouch zu seinem neu erschienenen Buch: „Die bezifferte Welt“.

Sogar Wissen selbst wird zugunsten ökonomischer Zwecke korrumpiert, wie der VW-Abgasskandal gezeigt hatte. Eine manipulierte Software hat im Messmodus niedrigere Abgas-Werte als im Echtbetriebsmodus angezeigt.

Ein Phänomen, warum sich die perverse Ideologie des Neoliberalismus noch immer hält. Er inszeniert für das Volk eine Scheindemokratie, eine politische Show. Die Macht wird jedoch über Lobbyisten durch politische Konzerne und teilweise korrumpierte Politiker ausgübt. Der klassische Ökonom A.Smith und seine neoliberalen Nachfolger (Hajek, etc..) glaubten, Wettbewerb und die Gesetze des ungezähmten freien Marktes führten automatisch zu mehr Gerechtigkeit. Ein großer Irrtum, wie die Praxis zeigt. Die Big Player haben die Macht und das Geld, über ihre Lobbyisten Politiker zu beeinflussen oder zu korrumpieren, um sich selbst einseitige Vorteile zu verschaffen.

Der britische Premier Cameron bekannte öffentlich, den Bericht über die gesundheitlichen Folgen der überzuckerten Getränke nicht einmal anzuschauen. Die „Zuckersteuer“ sei kein Thema, umsomehr NESTLE für ihn viele Veranstaltungen mitgestaltet. Volksgesundheit am Opfertisch des Neoliberalismus.

Auch die Rot/Gelb/Grün Lebensmittelkennzeichnung („Ampelregelung“) wurde von Lobbyisten vor Jahren mit hohem, dreistellig finanziellem Millionen - Aufwand (Klartext „Korruption“) abgedreht.

Die Nachkriegsjahre waren in GB und USA bis in die 70er-Jahre relativ sozialer und gerechter. Erst mit Reagan und Thatcher kam die große Wende.

Der Konsumismus vernebelt die Gehirne der Menschen mit unethisch erzeugter Billigware ("terms of trade";) und macht sie unfähig, diese in Gang gesetzten, schädlichen Prozesse zu erkennen und sich politisch dagegen aufzulehnen.

Am Beispiel BUWOG-Wohnungen haben wir gesehen, wie unverschämt sich politische Akteure bedient haben und staatliches Eigentum als Selbstbedienungsladen missbraucht haben.

Auch der Finanzkapitalismus hat uns vorgezeigt, wie man Gewinne privatisiert und Verluste auf dem Rücken der Steuerzahler sozialisiert.

Auch Öl-und Rohstoffkonzerne haben uns vorgeführt (Umweltskandal BP-Bohrinsel entgegen frühzeitiger Technikerwarnungen) , wie man Gewinne zugunsten der Eigentümer privatisiert, die Kosten der Umweltvenichtung werden sozialisiert.

Auch die Flüchtlingskrise ist u.a. eine Folge von Despoten, die von transnationalen Multis korrumpierten werden.

Wir können heute auch den Quellen des Wissens nicht mehr trauen, das betrifft teilweise auch die Medien, weil sie von Anzeigekunden bezahlt und im worst-case sogar korrumpiert werden - muss nicht immer pekunär sein.

Auch Wechselkursen und Zinssätz (LIBOR-Skandal) konnte man nicht mehr trauen und wir haben den Finanzbetrug mitbezahlt und tun es als Bankkunden ein zweites mal, wenn die int.Banken zu hohen Strafen verdonnert werden (weltweit fast 150 Mrd. lt Bloomberg an Banken – Finanzbetrugsstrafen) und höchst selten muss ein Banker in den Knast und wenn, dann ein Bauernopfer.

FAZ-Bankstrafenticker:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/millardenstrafe-fuer-morgan-stanley-rbs-und-andere-12852517.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

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