Es ist eine der kürzesten Reden, die je gehalten wurden. Ein Mann hielt sie vor rund 850 Menschen. Sie bestand aus zwei Sätzen: „Wie lange hinkt ihr auf beide Seiten? Ist der HERR Gott, so wandelt ihm nach; ist’s aber Baal, so wandelt ihm nach.“ (1. Könige 18,21)

Es soll hier nicht um Glaubensfragen gehen. Wohl aber um das Lahmen. Um die ein- oder beidseitige geistige Gangstörung, die grosse Teile der Gesellschaft sich leisten. Um den bequemen Glauben an ein Sowohl-als-auch in der irrigen Annahme, man käme so um ein Entweder-Oder herum, man könne Entscheidungen und ihre Konsequenzen auf politische Krücken auslagern und hätte dennoch einen Einfluss auf Richtung und Ziel. Es ist ein Irrtum. Ein tödlicher Irrtum. Wenn es um individuelle Freiheit geht, gibt es keine Grauzonen. Buntheit erst recht nicht. Es gibt schwarz und es gibt weiss. Es gibt Freiheit und es gibt keine Freiheit. Wer heute freiwillig hinkt, lahmt früher oder später aus Schmerz und landet irgendwann in der Lähmung, wo es kein Vorwärtskommen mehr gibt. Ob einer auf den Beinen bleibt, entscheidet dann die Krücke.

Die Niederlande haben gewählt. In Frankreich und Deutschland stehen in diesem Jahr ebenfalls Wahlen an. Das tönt dann so:

„Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft erfüllen.“ „Nationaler Plan zur Lohngleichheit der Frauen lancieren.““Lebenslange Bildung durch Bildungsgutscheine und Förderprogramme.““Erhöhung der Stipendienzahl.““Gesetzliche Mindestlöhne sichern.“ „Erziehungsleistung der Eltern honorieren und in Rente einrechnen.“ „Finanzielle Hilfen für werdende Eltern und alleinstehende Frauen.“ „Unfaire Konkurrenz verhindern.“ „Ausbau der Unterstützung von Allenerziehenden.““Massive Entwicklung Erneuerbarer Energien durch intelligenten Protektionismus.“ „Erhöhung der Grundfinanzierung für Forschung und Lehre.“

Und so weiter und so fort. Es sind Auszüge aus den Wahlprogrammen des FN, der FDP und der AfD. Das Ganze angereichert mit kernigen Sätzen zur Identitäts-, Kultur-, Unternehmens- und Mittelstandsförderung. Etwas Finanzmarktstabilität und Goldrückhol-Folklore, etwas Sicherheits- und Asylpolitik, eine Prise Grenz- und Landeschutz und ein paar Seitenhiebe gegen die Granden der EU. Fertig. Hier gibt’s nichts zu sehen. Bitte nur verängstigt gucken, Leine ziehen und wählen gehen. Wer indes bei der Lektüre nicht nur den eigenen IQ, sondern den des ganzen Quartiers in den Keller rauschen hört, der bleibe stehen und mache sich auf eigenes Risiko klar, wer hier in Wahrheit was sagt. Er riskiert Panik, Schock, Wut, Ohnmacht, Trauer. Dann, wenn klar wird, dass hier von den Napoleonen der Erpressung die optimale Verwertbarkeit des eigenen Lebens, der eigenen Freiheit beworben wird. Dass die Wahl eine zwischen „Ich mache dich glücklich“ oder „Ich mache Schuhe aus dir“ ist. Dass er längst erpresst und gekauft und dass seine Freiheit nur ein Produkt seiner Phantasie ist.

Die grosse Mär: Eine freie Gesellschaft ist via Beschneidung persönlicher Freiheit organisierbar. Was ist schon dabei, wenn du bei ein paar Dingen den Kopf unten halten musst, wenn dadurch für alle – auch für dich – am Ende mehr drin ist? Du bist zwar kein Freund dieser Feminismus genannten Artenförderung, dafür gibt’s ja auch für die Kinder mehr Kohle. Du greifst dir wohl in punkto politische Ohnmacht in Bezug auf Millionen neu hier Lebender an den Kopf, aber dafür soll’s ja 15’000 Polizistenstellen und 40’000 Gefängnisplätze mehr geben (FN). Du bist kein Fan orchestrierter Schuldenorgien auf dem Rücken kommender Generationen, aber immerhin werden ja die Stipendien für künftig Studierwillige erhöht und massiv vermehrt. Du fürchtest dich zwar ein wenig vor der fortschreitenden Überfremdung, aber zum Glück wird nun endlich auch was für die nationale Identität getan. Du findest es zwar schon irgendwie Scheisse, wenn der Mittelständler, bei dem du arbeitest, in administrativer Gängelei und Abgaben ersäuft, aber zum Glück gibts’s ja Kündigungsschutz und Mindestlohn.

Die Sorglosigkeit und die Vertrauensseligkeit mit der die Mehrheit der Menschen auf diese grösste aller Täuschungen – das Versprechen betreuten Lebens ins Freiheit – hereinfallen und auf die Autobahn von Sozialstaat, Wohlfahrt, Machtübertragung – siehe: Volksvertretung – und Beamtenherrschaft einbiegen, ist erschütternd. Fakt ist: Freiheit ist immer und ausschliesslich persönliche Freiheit. Beschnittene oder gar überindividuelle Freiheit gibt es nicht. Entweder ist einer frei, mit seinem Leben, seinem Körper und mit den Dingen, die er rechtmässig erworben hat, zu machen, was er will, oder er ist es nicht. Der einizige Tausch, der jedes Parteiprogramm vorzuschlagen in der Lage ist, ist jener von Sein gegen Haben. Leben gegen Ware. Sei ein wenig weniger frei, dafür kriegst du ein bisschen mehr von diesem oder jenem. Das Problem: Alle Ware ist begrenzt. Irgendwann ist nichts mehr zu verteilen. Die Verwertbarkeit der Menschen erreicht ihre Grenzen. Die einzige Freiheit, die bleibt, ist in Wahrheit Leere. Entsorgung dessen, was nicht mehr zu verwerten ist, wird als Mittel zum Machterhalt eine Option.

Warum? Warum müssen wir in Sachen Freiheit wieder vorne anfangen? Warum können wir nicht auf die erfahrenen Schultern vorangegangener Generationen abstellen? Sehen, was sie weggegeben, verloren, zurückerkämpft haben? Warum geben wir erneut Stück für Stück preis, was uns gehört, worauf wir als einzige das Recht haben und was wir sind? Warum drücken wir uns um die Freiheit? Um die Schönheit der Tatsache, dass der Sinn allen „Staats“ darin bestehen muss, die persönliche Freiheit zu befeuern? Und dass, wo dieser Sinn aufhört, auch der Staat aufhören muss? Warum beten wir eine Illusion von Sicherheit an? Warum fürchten wir uns derart vor dem Scheitern und vor Schuld und ignorieren, dass das es weit fataler ist, nicht scheitern und Schuld sein zu können, weil man die Freiheit der Verantwortung abgegeben hat? Was ist so verführerisch am Leben als verwaltetes Objekt? Warum „zieht“ es so viel mehr, als kraftvoll, panisch, lebendig und mutig Subjekt der eigens zu gestaltenden Gegenwart und Zukunft zu sein? Was ist so schwer daran, sich hinzustellen und zu sagen „Ich bin meine Freiheit. Keiner sonst. Und schon gar nicht die Staat genannte Garantielüge irgendwelcher Cliquen!“?

Diese Fragen muss sich stellen und persönlich beantworten, wer ganz Mensch sein will. Wer von aussen Kommendes, ähnlich einer Pflanze, in Eigenes zum eigenen Wachstum und Blühen verwandeln und sich nicht mit Leben von Reifegrad und Manipulierbarkeit einer Salatschleuder zufriedengeben will. Und kommen Sie mir nicht mit der windelweich-wehleidigen „Wir werden zerrieben“-Leier – in der Mitte, links, rechts, wo auch immer. Sie werden von der Politik zerrieben. Mehr noch: Sie lassen sich zerreiben. Das und nur das ist die Wirklichkeit. Es ist an Ihnen, die Risiken, die Sie einzugehen bereit sind, zu definieren. Die Konsequenzen, die sie tragen und ertragen können. Keiner wird es an Ihrer Stelle tun. Wenn Sie es allerdings vorziehen, wie oben vorgeschlagen, es beim verängstigt gucken, Leine ziehen und wählen bewenden zu lassen, dann wird am Ende eine andere Wahrheit stehen. Eine zynische Wahrheit: Das Opfer ist Schuld. Einmal mehr.

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