Im Moment tut man sich schwer, in Österreich über Politik zu reden. Hinter uns liegt der 1. Wahldurchgang der Bundespräsidentenwahl. Die ehemaligen Großparteien sind geschrumpft und was vor kurzem noch als rechtsnationales Gerülpse hinter vorgehaltener Hand erzählt wurde, gilt plötzlich als Meinung und ist, erstaunlich rasch, salonfähig geworden.

Die Meinungsforschung tappt betroffen im Dunkel und erklärt diesen Umstand damit, dass die alten Zuordnungen zu Rechts und Links nicht mehr gelten und tatsächlich haben es viele Menschen satt, ihre oftmals konfusen Ansichten im linken oder rechten politischen Spektrum verorten zu lassen. Man hat das vage Gefühl, niemandem mehr vertrauen zu können. Keinem Lehrer, keinem Arzt und schon gar keinem Politiker. Alle Meinungen sind gründlich relativiert, jeder leise Hinweis auf die Notwendigkeit von Bildung wird grundsätzlich und postwendend als versuchte Bevormundung diffamiert und derweilen driftet die politische Meinung beständig an den fortschrittsfeindlichen, konservativen, nationalistischen, Rand.

Ehemals linke Parteien schämen sich dafür, als Linke eingestuft zu werden, faseln immer lauter von einer Annäherung an rechte Standpunkte und die rechte Partei gibt sich alle Mühe, nur ja nicht über ihre politische Haltung zu debattieren, weil sie sich die Option offen halten möchte, auf jeden beliebigen Mainstream aufspringen zu können und neuerdings mit treuherzigem Blick versichert, die politische Mitte zu sein. Die Wähler sind zunehmend verunsichert und ratlos. Sie wählen nach Gefühl, lauschen der einfachen Sprache, bewundern Wahlplakate in Reimen und gelegentlich mit Rechtschreibfehlern, was von den Fans großzügig verziehen und als gelebte Volksnähe verstanden wird.

An dieser Stelle werden jetzt schon alle Leser verstanden haben, dass es mir schwer fällt, in diesem verleugneten, aber längst ausgebrochenen Lagerwahlkampf neutral zu bleiben. Ich glaube auch nicht, den blubbernden Volkszorn beschwichtigen zu können und natürlich hoffe auch ich, dass nicht alles braun ist, was blau ausschaut.

Aber weil man an all den Missverständnissen um diese Wahl schier verzweifeln könnte, weil der Zorn auf die lahme Regierung halt gar so geschickt angeheizt wird und die Hoffnungen auf einen neuen Führer so irrationale Blüten treiben, sei es gestattet, dazu eine Meinung zu äußern.

Die Politik der FPÖ und die ihres unschuldig wirkenden Kandidaten Norbert Hofer ist eine radikal rechtspopulistische Politik. Auch wenn das manche nicht so nennen möchten. Die ersten ausländischen Gratulanten, allesamt Rechtsaußen der europäischen Parteienlandschaft, sind dafür ein eindrucksvoller Beleg. Front National (F), Lega Nord (I), Partij voor de Vrijheid (NL), Vlaams Belang (B), Kongress der Neuen Rechten (P), AfD (D). Mit der FPÖ bilden sie im EU-Parlament die als rechtsextrem charakterisierte Fraktion der ENF (Europe of Nations and Freedom). Ich möchte nicht, dass das Politikverständnis dieser Parteien in Europa den Ton angibt und für Österreich möchte ich es noch weniger.

Ich weiß, weder Norbert Hofer, noch seine Wähler sind Nazis. Aber er selbst und seine Partei bekennen sich zum rechtsextremen Flügel des EU-Parlaments, er ist Ehrenmitglied der deutschnationalen Burschenschaft Marco Germania, saß mit der Kornblume im Knopfloch im österreichischen Parlament und wusste angeblich nicht, dass sie das Erkennungszeichen der illegalen Nationalsozialisten war. Ich glaube weder ihm, noch seinem Parteichef Strache, dass es sich bei dieser Aktion um eine läppische Dummheit gehandelt hat. Da vermute ich schon eher ein deutliches Signal an alle diejenigen, die gegen das Symbol der Kornblumen in der österreichischen Politik nichts einzuwenden haben. „Sie werden sich wundern, was alles geht.“ Dieser Satz gerät hier zur Drohung.

Ich habe eine bescheidene Bibliothek, in der auch gelesene Geschichtsbücher stehen und deshalb empfinde ich das riskante Wagnis, Herrn Hofer und seinen Parteifreunden die Schlüssel zur Hofburg in die Hand zu geben, als obszön und unverantwortlich.

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