All überall ist Präsidentschaftswahlkampf. Ein Wahlkampf mit so vielen Kandidaten wie nie zuvor, mit herbeigeschriebenen Themen, die nur mühsam verdecken können, dass diese Wahl eigentlich niemanden so richtig interessiert. Weil fast alle Probleme, die wir gegenwärtig in der österreichischen Politik diskutieren, oder diskutieren sollten, mit dem Amt des Bundespräsidenten nur sehr wenig zu tun haben.

Da gibt es ein wachsendes Heer von Arbeitslosen und das Problem, dass immer mehr Arbeitnehmer in prekären Beschäftigungsverhältnissen ihre soziale Sicherheit einbüßen. Die Aussichten, daran etwas ändern zu können, sind nicht gerade rosig, auch deshalb, weil wir mit einer Flüchtlingskrise konfrontiert sind, deren Lösung nur sehr halbherzig angegangen wird. Die Rezepte die dagegen aufgeboten werden, reichen von unrealistischer Abschottung bis zu utopischer Willkommenskultur und sind bestenfalls geeignet das politische Klima zu verschärfen und Stimmung zu machen. Jedenfalls offenbaren sie die Grenzen der europäischen Solidarität, untergraben das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der nationalen Regierungen und können von einem Bundespräsidenten oder einer Bundespräsidentin kaum oder gar nicht gesteuert werden.

Diskutiert wird hingegen über die wahrlich nur theoretischen Möglichkeiten der Entlassung einer Regierung, die ein bisher noch nie eingetretenes Worst-Case-Szenario beschreibt und eine Machtfülle vorgaukelt, die eigentlich nicht besteht. In den Medien werden zahlreiche Motive für strategisches Wählen ausgebreitet, weil die tatsächlichen Befugnisse des Bundespräsidenten offenbar kaum noch jemanden interessieren. Was hingegen eine zunehmende Rolle zu spielen scheint, ist die Überlegung, wie man den Regierungsparteien einen gehörigen Denkzettel verpassen könnte, um irgendetwas an der gegenwärtigen Politik zu verändern.

Genau dazu ist aber eine Bundespräsidentenwahl nicht geeignet. In der Hofburg wird nicht die Politik der nächsten Jahre bestimmt. Vielmehr sollte in diesem Amt eine Person tätig sein, die mit den Gepflogenheiten der österreichischen Politik vertraut und in der Lage ist, auf diese eng begrenzte Szenerie vertrauensvoll und beruhigend einzuwirken. Dabei denke ich durchaus an die Art und Weise, in der das Amt bisher ausgeübt wurde. Bestimmt, aber zurückhaltend. Nicht zur Pflege persönlicher Eitelkeiten, sondern als gewissenhaft dienender Repräsentant des Staates.

Gerade dann, wenn die Zeiten unruhiger werden, wenn das Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit der politischen Parteien schwindet, sollte in der Hofburg jemand residieren, der das Amt nicht zum Zündeln und zum Wechseln von politischem Kleingeld verwendet. Ein politischer Wechsel sollte auf der Bühne von Landtags- oder Nationalratswahlen und nicht auf der untauglichen Ebene einer Bundespräsidentenwahl vorgenommen werden.

Eine bestimmte Person nur deshalb zu wählen, weil man der Regierung seinen Unmut mitteilen möchte, ist ein sehr riskantes und, aus oben angeführten Gründen, nicht sehr zielführendes Spiel.

Und noch etwas, nicht wählen zu gehen, halte ich für Selbstentmündigung.

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 18.04.2016 23:24:48

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