Volksvertreter durch Wählen, Casting, oder Losentscheid ?

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Die Zukunft lässt sich nicht voraussagen. Nicht mit großen Computern und noch weniger mit der guten, alten Glaskugel. Wir alle sind aber in der Lage, unsere Zukunft zu beeinflussen - mit dem, was wir heute denken und tun.

Das einstmals vorhandene, fast blinde Vertrauen in die Zukunft ist in den letzten Jahren verloren gegangen. In den Medien hat der Slogan „Only bad news are good news“ offenbar endgültig den Sieg errungen und weil die Verkaufszahlen und Quoten zum alles dominierenden Index geworden sind, überschwemmt uns eine Flut von Schreckensmeldungen. Dazu kommt, dass Oppositionsparteien, in welcher Ecke sie auch immer stehen, der Aufmerksamkeit bedürfen und die ist mit lautem, negativem Geschrei und der Furcht vor inszenierter Bedrohung eben leichter zu bekommen.

Wäre es so, dass die reichlich übertriebenen Untergangsszenarien jeglicher Wahrheit entbehren würden, fänden sie nicht das erwiesene Echo in der Wählerschaft. Es ist aber tatsächlich einiges aus dem Ruder gelaufen und das beginnt beim Zustand unserer Demokratie, umschließt wirtschaftspolitische Konzepte und endet beim Gefühl einer größer werdenden Masse, die kaum Chancen sieht, sich mit ihren Sorgen Gehör zu verschaffen.

Über das „Warum“ dieses Zustandes lässt sich natürlich trefflich streiten. Die bislang in Wahlkämpfen vorgebrachten Argumente kamen so gut wie alle aus diversen Mottenkisten und scheiterten, wohl zu Recht daran, dass ihnen der Mief des Scheiterns anhaftete. Sozialismus in Reinkultur funktionierte ebenso wenig, wie konservatives Heraufbeschwören der alten Geister.

Ich habe kürzlich darüber diskutiert, dass in unserer gegenwärtigen Demokratie die Macht im Wesentlichen von einer Politikerkaste ausgeübt wird, die sich ihre Pfründe durch Vernetzung mit wirtschaftlicher Macht gut abgesichert hat, sodass große Teile der Bevölkerung keine Chance sehen, in dieses System vorzudringen und mitreden zu können. Dabei wurde ich daran erinnert, dass die von uns gepriesene griechische Demokratie unter Perikles (geb. 490 v. Chr.) einen Teil der Sitze im „Rat der 500“ durch das Los besetzte. (Griechische Bürger, die von den Göttern geliebt wurden, weil sie eben durch das Los ausgewählt worden waren.) Damit wurde die Macht der Archonten und des Areopags zurückgedrängt und weniger begüterte Bürger in die staatlichen Entscheidungen eingebunden.

In der Diskussion ist damals der Vorschlag gemacht worden, ein solches Prinzip auch bei uns umzusetzen und einen Teil der Abgeordneten im Nationalrat durch Los zu bestimmen oder etwa den Bundesrat durch das Los zu besetzen. So nach dem Motto: Schlimmer kann´s nicht werden.

Wenn ich jetzt lese, dass der gewählte französische Präsident, Emmanuel Macron einen Teil seiner künftigen Abgeordneten per „casting“ finden möchte, dann kommt das einer solchen Methode des Los-Entscheides schon ziemlich nahe und mit etwas Glück findet er tatsächlich eine repräsentative Zusammensetzung, die ein besseres Abbild des Volkes darstellt, als die altgedienten Partei-Apparatschiks. Ich würde sagen: das Risiko das er dabei eingeht ist nicht allzu groß.

Ich finde es in diesem Zusammenhang interessant, dass man sich landauf, landab und auch hier bei f+f die Finger darüber wund geschrieben hat, dass es dringend neuer Ideen bedarf, um den Karren der Demokratie aus dem oft diagnostizierten Dreck zu ziehen und gedacht wurde dabei zumeist an ein Mehr von längst Dagewesenem. Mit Macron taucht plötzlich ein Mann auf, der so gar nicht ins Schema passt. Weder seine relative Jugend, noch seine Lebensumstände oder seine politische Zuordnung. Da gibt es ein bisschen Sozialismus (schließlich war er Minister in einer sozialistischen Regierung) und ein bisschen Konservativismus (schließlich kommt er von einer Elite-Schule und war Bankier bei Rothschild). Der Mann bezeichnet die deutsche Stärke als untragbar und wird von Yanis Voroufakis gelobt – das verspricht spannend zu werden. Also wünschen wir ihm und uns viel Glück.

g.novak

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susi blue

susi blue bewertete diesen Eintrag 09.05.2017 21:45:17

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