Nach der Schule auf "ewig" verreisen - ein neuer Trend?

Ich habe in letzter Zeit einiges zu der Titelfrage gelesen. Dabei fragte ich mich, was es mit diesem angeblichen "Trend" auf sich hat? Bzw. ob das vielleicht nur eine Eigenschaft der "späten" Generation Y sei? Ich gehöre ja selbst zu letzterer, doch nach meiner Matura hätte es das nicht gespielt. Es war logisch, dass ich im September zum Heer gehe und dort meine Pflicht erfülle.

Jetzt könnte man sagen, dass Frauen auf Grund der wegfallenden Wehrpflicht mehr Zeit haben. Sie hätten zwar den September noch frei, aber im Oktober fängt im Normalfall für alle die Uni an. Also dieses 1 Monat auf oder ab macht das Kraut jetzt auch nicht fett. Einer aus meiner Klasse rückte bereits 2 Wochen nach der Matura ein, was ich lobenswert fand. Er könne dann eben beim Studium als Quereinsteiger beginnen, so seine damalige Ansage.

In den 2000er Jahren war es zumindest noch nicht üblich, dass frisch gebackene MaturantInnen einfach so auf unbestimmte Zeit durch die Gegend gereist sind. Die Damen aus meiner Klasse haben vielleicht ein Monat als Aupair-Mädchen gearbeitet. Doch im Oktober begann für alle das Studium, also die "neue Pflicht". Soll jetzt nicht heißen, dass man mit Matura automatisch studieren "muss". Aber andererseits brauche ich ja nicht bis 18 in die Schule gehen, wenn ich das gar nicht möchte. Vielleicht passt ja eine Lehre viel besser zu mir...

Offenbar hat sich der am Anfang erwähnte "Trend" in den letzten 5 Jahren herauskristallisiert. Ich denke zwar an einen konkreten Fall, aber ich habe dennoch das Gefühl, dass solche Vorhaben heutzutage generell als "normal" abgestempelt werden. So wie eben ein Mann nach Ausbildungsende zum Heer einrückt.

Ich habe jetzt nichts dagegen, wenn jemand für ein Jahr eine Weltreise macht. Es geht mich auch nichts an, das ist sein/ihr Kaffee. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das für die Persönlichkeit so gut ist, wie man vielleicht glauben mag. Klar, man lernt sich selbst wieder besser kennen, wenn man mehrere Monate oder gar ein Jahr alleine unterwegs ist. Doch wie sieht es mit Leistungsbereitschaft aus, wenn dann der "Reisetraum" eines Tages plötzlich endet und man wieder im Alltag steht? Also man sich wieder etwas sagen lassen muss (z.B. im Job).

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Anfang vom Studium keinesfalls einfach war. Durch das eine Jahr "Pause" (halbes Jahr Bundesheer, halbes Jahr Arbeit beim SOMA) tat ich mir mit dem Lernen so schwer. Es war wirklich nicht leicht, wieder in diese Schiene hineinzufinden. Vor allem deshalb, weil Lernen auf der Uni ganz anders funktioniert bzw. abläuft als in der Schule. Man ist sein eigener Chef und muss sich alles selbst zurechtlegen. Keiner rennt einem wegen "Übungen" hinterher etc.

Ich hatte in der Zeit zwischen Schulende und Studiumsbeginn zwar sehr wohl meine Leistung zu bringen, jedoch "verlernte" ich vorübergehend das Lernen. Wenn ich zu dem Zeitpunkt genau "nichts" gemacht hätte, also das ganze Jahr de facto auf der faulen Haut gelegen wäre, so hätte ich den Einstieg ins Unileben wohl noch schwerer verkraftet. Glücklicherweise wurde ich so erzogen, dass das auch gar nicht meine Absicht gewesen wäre. Wie würde sich das bitte anfühlen, wenn die Eltern hackeln und der erwachsene Sohn daheim in den Tag hineinlebt?

Mir kommt es vor, dass dieser "Reisewahn" irgendwie ein Fluchtversuch ist. Angenommen, man maturiert im Mai. So sind es bis Oktober 5 Monate. Wenn man 2-3 davon für eine Weltreise nutzt, ist das doch völlig in Ordnung, oder nicht? Denn so verliert man genau genommen keine Zeit. Man hätte ja ohnehin erst im Oktober mit der Uni losgelegt.

Doch was würdet ihr euch denken, wenn einer im Oktober (wo eigentlich die Uni beginnt) auf unbestimmte Zeit in die Ferne reist? Ohne zu wissen, ob er/sie in einem halben oder ganzen Jahr zurückkommt etc.? Was lief da bei den zugehörigen Eltern falsch, dass sie ihr Kind einfach so "aussetzen"? Offenbar haben sie nicht gut genug vorgelebt, was Leistung erbringen heißt und dass man eben nicht vor "Problemen" davonlaufen kann. Denn jeder derartige "Reisetraum" endet irgendwann. Und plötzlich steht man in der Realität.

Sicher ist es toll, wenn man keine Verpflichtungen hat und niemand einem sagt, was man tun muss usw. Also kein Chef im Job, der einem Anweisungen erteilt etc. Aber wie wollen diese Leute dann jemals eine Familie gründen, wenn sie vor Verpflichtungen fliehen? Denn für mein Kind habe ich zu sorgen, ich habe es zu erhalten, ich muss Vorbild sein und ihm die bestmögliche Basis für seinen eigenen Lebensweg geben. Das ist die Pflicht von Eltern. Mein Vergnügen muss ich hinten anstellen, das Wohl des eigenen Kindes hat oberste Priorität.

Eine Beziehung funktioniert super, wenn beide Partner auch ohne den anderen ein geiles Leben führen könnten. Also beide quasi unabhängig sind. Das habe ich schon sehr früh an meinen Eltern gesehen. Papa besuchte mehrmals im Jahr seine alten Freunde oder machte z.B. zwei Mal mit ein paar Bekannten einen mehrwöchigen Skitrip nach Kanada. Bei Mama sah es ähnlich aus, sie führte ihre Unternehmung auch manchmal im Alleingang durch. Einfach weil sie das wollte und genau wusste, dass das Papa nicht interessieren würde. Somit konnte er sich in der Zeit voll und ganz um mich kümmern. Trotz solcher Umstände stürzte die Welt nicht ein. Das Familienleben lief weiter und aus mir ist dennoch etwas geworden.

Die "Reise-Betroffenen" haben allerdings ihr "Anti-Verpflichtungsverhalten" so sehr in ihr Unterbewusstsein eingeprägt, dass sie dies vermutlich in alle Lebensbereiche in irgendeiner Form mitnehmen würden. Also auch in das Gebiet Familiengründung. Wie wirkt sich das dann auf die Kinder aus? Vermutlich kaum positiv.

Wenn man dann irgendwann von seiner Reise zurückkehrt und sich wo bewirbt - wie wird das ankommen, wenn man einfach so für ein Jahr durch die Gegend gereist ist? Also ich als Chef würde das jetzt nicht unbedingt positiv werten, außer wenn man in der Zeit wirklich beruflich tätig war. Also sich z.B. für ein Sozialprojekt engagiert hat oder eben als Aupair-Mädchen gearbeitet hat.

Glaubt jetzt nicht, dass ich ein Stubenhocker-Dasein befürworte. Reisen ist gut, aber es sollte nicht deine Lebensbestimmung werden, einfach so völlig planlos durch die Weltgeschichte zu ziehen. Die Eltern finanzieren das immerhin und leben bekanntlich nicht ewig.

Ich selbst bin bereit, für urige Skilifte die ganze Welt zu bereisen. Ein Beispiel: Darpan, gibt es in Indien irgendwelche ausgefallenen Skilifte? Oder wäre dir diesbezüglich während deines Aufenthalts irgendetwas aufgefallen? Du kannst mir da jetzt ruhig genaue Orte etc. nennen. Wenn es sich ergibt, würde ich vielleicht nach dem Studium sogar dorthin reisen. Damit will ich letztendlich sagen, dass es sicher noch außerhalb von Österreich, Deutschland und der Schweiz lifttechnische Geheimnisse gibt. Einer meiner entsprechenden Freude meint, dass ihm ein Trip nach Slowenien zu weit wäre. Verstand ich nicht, denn damit lässt er sich möglicherweise wirklich tolle Lifte entgehen. Natürlich ist das alles eine Frage des Geldes, aber wenn man es hat, warum darf man dann nicht so eine Reise antreten? Die Lifte kommen leider nicht zu einem nach Hause... ;)

Wie denkt ihr von diesem Reisethema? Ich finde halt, dass man dadurch letztendlich Zeit verliert. Denn wenn ich das z.B. nach dem Studium mache oder eben 2 Monate zwischen Schule und Uni dafür "opfere", reicht das doch auch. Man könnte jetzt meinen, dass das eine "Therapie" zur Selbstfindung ist. Mag schon sein, aber ich bin der Meinung, dass so etwas nicht zwingend notwendig ist, um sich selbst (besser) kennenzulernen. Man stellt sich damit natürlich einer neuen Herausforderung, aber trotzdem ist so ein Verhalten nicht mein Fall. Grundsätzlich stehe ich zu dem Motto: Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen. Ich habe zwar schon oft bestimmte Prüfungen lange vor mir hergeschoben. Allerdings ist mir bewusst, dass ich davor nicht fliehen kann. Ich muss da durch. Und auch wenn ich jetzt 1 Jahr nach Afrika reisen würde - ich müsste die ausständigen Uniprüfungen danach trotzdem absolvieren.

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