Das schöne am Kommunizieren ist ja, dass oft das Nichtgesagte wichtiger ist, als das Gesagte - und zwischen den Zeilen Interessanteres steht, als darin.

Ein Paradebeispiel ist wohl der Bericht auf orf.at über eine Expertenrunde zum Thema "europäischer Islam". Dabei sind die Aussagen des Berichts durchaus interessant, wenn man sie etwas kritisch hinterfragt - oder manchmal auch einfach anders formuliert:

Diskutiert wurde über "die Herausforderungen eines Islams europäischer Prägung". Im "Klarsprech" ausgedrückt: Herausforderungen sind noch nicht bewältigte Aufgaben; den Islam "europäischer Prägung" gibt es folglich noch nicht.

"Zugleich müsse man auch hinterfragen, in wie weit sich Muslime mit Europa identifizieren." Wenn man sich die Frage überhaupt stellen muss, ist die Antwort dann nicht bereits irgendwie klar?

„Die demokratischen Verhältnisse in Europa bieten viele Chancen, den Islam abseits politischer Einflüsse neu zu interpretieren.“ Wenn diese Chancen ergriffen werden würden, könnte man dann nicht bereits vom Fortschreiten dieser Neuinterpretation berichten?

Religiöse Zugehörigkeit als Identitätsmerkmal war in der Vergangenheit zum Beispiel für Muslime in Ex-Jugoslawien vielfach kein Thema, hat aber in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Damit das Zusammenleben in Österreich funktionieren kann, muss aber die staatsbürgerliche Identität im Vordergrund stehen und wir müssen klarstellen, dass Religion Privatsache ist.“ Dinge müssen dann klargestellt werden, wenn sie offensichtlicht nicht klar sind; die Identität wird somit hauptsächlich über die Religion definiert zu werden. Diese Auffassung scheint auch der der ehemalige Vize der UETD zu haben, der meint, in Österreich würden 10% Muslime leben - aber zu 0% vertreten werden. Gemäß der geschilderten Argumentationskette kann folglich das Zusammenleben in Österreich derzeit nicht funktionieren.

Zusammengefasst kann gesagt werden: Der Euro-Islam existiert allenfalls als Konzept; die Realität sieht gänzlich anders aus. Was sich auch bereits durch die bloße Tatsache zeigt, dass der Islam zwar - nach Auffassung von Frau Merkel - "Teil von Europa" ist, wir aber immer noch über "Integration" sprechen müssen. Sollte die Integrationsphase nicht irgendwann einmal zu Ende gehen?

Selbst Bassam Tibi, Mitbegründer des "Euro-Islam", ist bereits am kapitulieren und bezeichnet sich selbst als "flügellahme Ente".

Und diese Konferenz bestätigt, dass der Euro-Islam der Traum einiger weniger ist. Denn die wichtigste Frage bleibt unbeantwortet:

Was hat der Islam vom "Euro-Islam"?

Dazu der von mir geschätzte Ednan Aslan: "Muslime sind herausgefordert, Religion unter den Herausforderungen der neuen Zeit zu interpretieren und zu reflektieren. Diese Reflexion braucht Mut, aber sie kann den Islam nur bereichern.

Inwiefern? Was hat der Islam von einer Europäisierung, an deren Ende wohl nur das gleiche Schicksal auf ihn wartet, das auch die katholische Kirche ereilt hat - schmückendes Beiwerk mit schwindendem Einfluss auf seine "Schäfchen". Warum sollte der Islam das wollen? Warum sollten gläubige Muslime eine derartige Beschneidung des Einflusses ihrer Religion wollen? Warum sollten sie Reflexion (und damit Unsicherheit) wollen? Denn tatsächlich war es ja auch das Schicksal der Kirche und der schwindende Einfluss des Papstes und des Klerus in Europa, der viele Imame in die Gegenrichtung getrieben hat und als "warnendes" Beispiel herhielt.

WIR wollen all diese Dinge, wir, die nicht Muslime sind - und wohl auch eine Minderheit an Muslimen, die ihren Glauben mit ihrem Leben in Europa vereinbaren wollen. Aber ist dieser Wunsch tatsächlich mehrheitsfähig unter den Muslimen in Europa?

Identität, Zugehörigkeit sind die relevanten Fragen. Mitgliedern der eigenen Gruppe gegenüber ist man großzügiger, toleranter und freundlicher als gegenüber "Außenseitern". Der "Euro-Islam" soll die Gruppe der Muslime aufbrechen, zerbröseln, aufweichen, so dass der Glaube nicht mehr das Hauptidentitätsmerkmal ist - und somit ein gemeinsames "Wir", ein Europa, ein Österreich, ein Deutschland entstehen kann, frei von Reibereien.

Doch davon hat der Islam nichts. Und darum wird der Traum vom Euro-Islam auf absehbare Zukunft wohl leider nur ein Traum bleiben.

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