Die Mär von der Bekämpfung der "Fluchtursachen"

Das Rezept zur Eindämmung der Massenmigration ist, wie so oft vollmundig verkündet wird, nicht die Schaffung von Grenzen oder Mauern; diese würden "ohnehin nicht halten". Nein; vielmehr müsse man die Fluchtursachen bekämpfen, in Afrika und anderswo. Nur dann würden die Migrationsströme aufhören, und das Sterben im Mittelmeer wäre beendet.

Diese Lösung klingt nicht nur einleuchtend, sie hat auch was optimistisches; kein Problem ist zu groß, und die Welt kann gerettet werden!

"Fluchtursachen"?

Das Problem an der Sache ist allerdings, dass Gründe für eine Flucht vielfältig sein können. Da ist zum einen der in der Genfer Flüchtlingskonvention ausdrücklich anerkannte Fluchtgrund: Verfolgung aufgrund politischer und religiöser Verfolgung. Nur, wer aufgrund persönlicher Verfolgung flieht, ist legal ein "Flüchtling". "Krieg" im Heimatland ist nur dann ein Fluchtgrund, wenn das Zusatzkriterium der persönlichen Verfolgung erfüllt ist.

Dann kommen noch zahlreiche weitere Gründe hinzu, die Heimat zu verlassen - Bürgerkrieg, mangelnde Aufstiegschancen, Armut, Hunger - alles nachvollziehbare Gründe, sich auf den Weg zu machen und sein Heil in Europa zu suchen.

Und bald - sehr bald - werden sich Millionen aufgrund der Folgen des Klimawandels auf den Weg machen. Es gibt also reichlich zu tun, um alle "Fluchtursachen" zu bekämpfen. Nur - wo anfangen?

Faktenresistenz trifft Ignoranz

Bevor man sich zu einer Aufgabe verpflichtet, sollte man ungefähr wissen, worauf man sich einlässt; und hier offenbart die "Fluchtursachen bekämpfen"-Fraktion stets eine eklatante Ignoranz, was elementare Fakten betrifft. Dabei sieht die Realität folgendermaßen aus:

Afrika ist groß. Größer, als wir uns vorstellen - und zwar mehr als dreimal so groß, flächenmässig, wie Europa. 30 Millionen km2 würden genug Platz für Europa, die USA und Indien bieten.

Afrika hat mehr Einwohner als Europa. Mehr als 1,2 Milliarden Afrikaner stehen 700 Millionen Europäern gegenüber - und die Bevölkerung Afrika wächst so rasant wie sonst nirgendwo: Bis 2050 soll sich die Bevölkerung Afrikas verdoppeln!

Wie soll Europa bei diesen Dimensionen irgendeinen sinnvollen Beitrag leisten können? Immer und immer wieder liest man in den heimischen Qualitätsmedien, man möge endlich die Fluchtursachen bekämpfen, dann würde der Strom an Flüchtlingen irgendwann zum Erliegen kommen. Und Teil dieser Bekämpfung von Fluchtursachen müsse natürlich auch die Möglichkeit der legalen Einreise nach Europa sein, wie auch unlängst wieder ein Kommentar im Standard forderte, in dem Europa gar eine "kurzsichtige Politik" beschieden wurde.

Nur, wie soll selbst eine geregelte Migration Afrika helfen? Afrika wird in 30 Jahren in etwa 1,2 Milliarden Menschen dazugewinnen. Das sind etwa 40 Millionen pro Jahr - mehr als 0,7 Millionen Menschen pro Woche (!) werden in Afrika mehr geboren als sterben. Selbst wenn Europa nur den Geburtenüberschuss an Migration akzeptieren würde, wäre dies in zehn Jahren ein Bevölkerungsplus von 400 Millionen - mehr als die Hälfte der derzeitigen Bevölkerung in Europa! Was dies für europäische Sozialsysteme bedeuten würde, lasse ich dahingestellt - und "Fluchtursache" wäre durch diese Migration auch noch keine einzige erfolgreich bekämpft!

Europäische Allmachtsfantasien und deren Folgen

Die wahnsinnige Fantasie, Europa könne "Fluchtursachen bekämpfen" ist bereits aufgrund der Dimensionen Afrikas illusionär; noch viel absurder wird es, wenn man den anderen großen Krisenherd der Welt - Asien - betrachtet. Irak, Syrien, Afhanistan, Pakistan, Jemen - all diese Unruheherde sind noch gar nicht berücksichtigt!

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit würde jedem, der auch heute noch fleißig nach einer "Bekämpfung der Fluchtursachen" schreit, rasch eines Besseren belehren: De facto hat Europa in den letzten 70 Jahren Entwicklungshilfe nichts anderes versucht, als Afrika aufzubauen. Und was war Europas Leistung? 1950 hatte Afrika weniger als 300 Millionen Einwohner. Bis heute hat sich die Bevölkerung vervierfacht (!) - und das Leben der einzelnen Afrikaners hat sich nur bedingt verbessert.

Bei jeder Hungersnot sprang Europa ein - und gibt es heute weniger Hungersnöte? Nein - stattdesen gibt es mehr Menschen, die Afrika mehr schlecht als recht selbst ernähren kann. Und ein kurzer Vergleich der jeweils Hungernden mit dem Bevölkerungszuwachs der letzten zehn Jahre sorgt meist ebenfalls für Ernüchterung - es wäre genug zu essen da - für die Anzahl Menschen, die vor zehn Jahren lebten.

Europäische Hilfe - so gut sie gemeint war - hat stets die Lage auf lange Sicht verschlimmert, indem immer nur Symptome bekämpft wurden. Afrika wurde von jeder Konsequenz des eigenen Handelns freigsprochen; stattdessen entwickelte Europa ein Helfersyndrom, Ausdruck der wenig rühmlichen Kolonialgeschichte, ja, aber gänzlich verheerend für die weitere Entwicklung Afrikas.

Wir sind Schuld

Immer wieder hört man, Europa sei durch Ausbeutung, durch den Kolonialismus, durch unsere Gier schuld an der Lage in Afrika. Dies lässt außer Acht, dass Afrika seit nunmehr fast hundert Jahren auf eigenen Beinen steht; der Kolonialismus ist vorbei, und Afrika hatte genug Zeit, sich selbst zu entwickeln. Ein Blick nach Asien zeigt, wie Erfolgsgeschichten aussehen - Indien, Vietnam, Südkorea sind Vorzeigeländer mit halbwegs stabilen Demokratien und blühenden Wirtschaften. Nur Afrika, Afrika hungert heute genauso wie vor hundert Jahren.

Das heißt nicht, dass wir unschuldig sind. Nein, Europa ist schuldig - aber aus anderen Gründen. Europa ist schuld, weil es unkonditional und kurzsichtig handelte - weil es, wenn Afrika hungrig war, zu Essen gab, ohne für Nachhaltigkeit zu sorgen. Weil es die Kindersterblichkeit bekämpfte, ohne sich für Verhütung einzusetzen. Weil jeder Fehler, der Afrika machte, von Europa korrigiert wurde. Weil Europa Afrika die Fortschritte der modernen Medizin schenkte, ohne die damit einhergehende Verantwortung einzufordern.

Bleibt nur die alles entscheidende Frage:

Was können wir tun?

Und die Antwort lautet: Nichts.

Nichts, weil Afrika zu groß, zu bevölkerungsreich ist, um von uns sinnvoll unterstützt zu werden. Vor 70 Jahren, als die Bevölkerung noch bei 300 Millionen lag, hätte man vielleicht noch Schritte setzen können - doch wie soll Europa einen Kontinent, der jetzt fast doppelt so viel Einwohner hat, und noch zu unseren Lebzeiten mehr as dreimal soviel, unterstützen können? Wie soll Europa angesichts dieser Zahlen für Alphabetisierung sorgen, für ausreichend Ärzte und Lehrer?

Nichts, weil jedes weitere Einschreiten Europas die Lage noch verschlimmert. Jede Nahrungslieferung in ein von Hunger geplagtes Land sorgt dafür, dass die nächste Hungersnot noch schlimmer ausfällt, weil das Bevölkerungswachstum ungebremst weitergeht.

Nichts, weil Afrika lernen muss, auf eigenen Beinen zu stehen.

Keine Geschenke mehr. Keine gut gemeinten "Spenden". Keine einseitige Hilfe mehr. Wenn Afrika Unterstützung will, muss Europa lernen, auf konkreten Gegenleistungen zu beharren. Ja, wir helfen bei einer Hungersnot - wenn Maßnahmen zum Eindämmen des Bevölkerungswachstums gesetzt werden, damit in Zukunft keine Hilfe mehr notwendig ist. Ja, wir führen Impfungen durch - wenn den Kindern Aufklärungsunterricht gegeben wird.

Aber dazu ist zunächst einmal erforderlich, dass wir - also wir alle, ganz Europa - begreift, dass wir weder allmächtig sind, noch Afrika "im Alleingang" retten können. Afrika muss auch seinen Beitrag leisten.

Migration und Flucht

Wie kann Europa also die illegale Migration eindämmen? Eine Bekämpfung der Fluchtursachen ist kurzfristig, mittelfristing und auch langfristig unmöglich.

Was bleibt, sind ungeliebte Grenzen. Welche andere Wahl hat Europa? Die Migration aus Afrika wird nicht aufhören - selbst wenn nur zehn Prozent des Bevölkerungswachstums den Weg nach Europa beschreiten, sind das 4 Millionen pro Jahr - 40 Millionen in zehn Jahren, die auf eine gleich bleibende Bevölkerung Europas treffen, und wohl in den Sozialsystemen von drei Ländern (Schweden, Österreich, Deutschland) unterkommen wollen.

Wenn wir Europa als lebenswerten Platz erhalten wollen haben wir angesichts dieser Zahlen keine andere Wahl, als die Grenzen zu schließen. Wie soll Politik, die nicht kurzsichtig sein will, sonst handeln?

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