Sowohl der Blick auf den Kalender, als auch jener vor die Haustüre - die Sternsinger ziehen wieder von Haus zu Haus und markieren für jeden gut sichtbar jene Haustüren, an welchen eine Spende gegeben wurde - erinnert uns daran: der Tag, an welchem wir der heiligen drei Könige gedenken, steht wieder bevor. Schon als Kind hat mich die ganze Weihnachtsgeschichte, welche ja mit dem bevorstehenden Feiertag ihr Ende findet, einerseits fasziniert, andererseits mit Fragen zurückgelassen, auf welche ich keine nachvollziehbare Antwort bekam. Warum etwa haben die heiligen drei Könige Weihrauch, Myrrhe und Gold für das Christuskind mitgenommen? Was soll ein Baby damit anfangen? Wäre da Spielzeug nicht viel cooler?

Noch heute habe ich darauf keine wirklich für mich passende Antwort. Auf der Suche nach ihr stelle ich mir manchmal die Frage, wie denn die Weihnachtsgeschichte in der Gegenwart unserer Gesellschaft ablaufen würde. In der Bibel ist nachzulesen, dass die Weisen zuerst nach Jersualem kamen in der damals naheliegenden Vermutung, Jesus sei dort zur Welt gekommen. Doch dort stießen sie nicht auf die Krippe des Messias, sondern vielmehr auf eine Reaktion der politischen und religiösen Aristokratie auf Christi Geburt, welche sie erschreckte und - dem Licht des Kometen folgend - weitersuchen ließ.

Welchem Leitstern folgend würden die heiligen drei Könige in jene U-Bahnstation finden, wo das Christuskind unbeachtet zur Welt gebracht wurde, da Maria ohne Sozialversicherungskarte und gültigem Aufenthaltstitel von den Krankenhäusern die Aufnahme verweigert worden war? Wahrscheinlich wäre dieser nicht am Himmel, sondern auf den Smartphones der Weisen aus dem Morgenland in Form ihres facebook-Accounts zu finden. Denn sicher hätte die Geburt in einer U-Bahnstation wenn schon nicht zu tatsächlicher Hilfe der unzähligen Menschen, die am Geburtsort vorbeigegangen sind, so doch zu einem Shitstorm in den social media geführt. Mit sicher zahlreichen Meldungen der heutigen Gesinnung gegenüber dem neugeborenen Kind ausländischer Abstammung, welche an den durch Herodes angeordneten Kindermord vor zweitausend Jahren erinnern. Die heiligen drei Könige würden also auch heute den dem gegenwärtigen Zeitgeist entsprechenden ungewöhnlichen Aufenthaltsort des Neugeborenen finden. Fraglich nur, wer da die Rolle des Wärme spendenden Esels und des Ochsen vor Ort bekleiden würde - eine andere Geschichte.

Welche Geschenke würden sie heute mitbringen?

Gold dient heute genausowenig wie damals als Zahlungsmittel für Gegenstände, welche das Kind gebrauchen kann: was heute der Euro ist, waren damals die unregelmäßig geformten Bronzestücke, die "Aes rude". Kann also sein, dass sie auch heute den einen oder anderen Philharmoniker bringen würden. Einfach, weil es sich offenbar gehört und auch so manche Strumpftante dies bei der Geburt eines Neffen so zu machen pflegt; man will ja nicht mit leeren Händen dastehen, was sollen denn sonst die anderen von einem halten. Obwohl es ja eigentlich für den Neugeborenen wenig Sinn macht und ein warmer Strampler in der konkreten Situation wohl eher Gold wert wäre.

Myrrhe, aus welcher man damals Heilsalben zubereitete, kommt wohl heute mit Blick auf die Bedürfnisse eines Säuglings einer Wundheilcreme nahe. Das hat damals schon Sinn gemacht, vorausgesetzt, Josef und Maria kannten das Rezept für die richtige Zubereitung und hatten zufällig die anderen benötigten Zutaten zur Hand. Heute entspräche das, etwas anwenderfreundlicher, wohl einem Tegel Penaten-Creme, dekorativ verpackt in einer mit Zelophan und Gummiringerl zusammengehaltenen Pyramide aus Papierwindeln. Wahrscheinlich die Gabe des heutigen zweiten Weisen aus dem Morgenland.

Weihrauch, welcher einst wie zum Teil auch heute wieder zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wurde, kommt im heutigen Zeitgeist in diesem Zusammenhang wohl am ehesten einem Packerl Ritalin nahe. Gleich mal prophylaktisch gegen ADHS.

Nein, eigentlich hat sich wenig geändert seit damals. Es ist erschreckend, dass die Weihnachtsgeschichte, welche mich seit der Kindheit die Stirn runzeln lässt ob der Unglaublichkeit einiger Details, genauso gut in die heutige Realität passt. Das sollte uns als Gesellschaft zu denken geben - wann beginnen wir, es besser zu machen?

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Silvia Jelincic

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Hansjuergen Gaugl

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