„Viva la Muerte“ – Es lebe der Tod

Man mag über den spanischen Stierkampf denken wie man will, aber er hat noch immer seine Faszination, nicht nur in Spanien.

„Buenas Dias Senoras e Senores, ich bin ein spanischer Stierkämpfer.

Es gibt gute Gründe, Stierkämpfe nicht zu mögen, aber die Argumente jener Moralapostel, die das Tier vor dem Menschen schützen wollen, oder deN Menschen vor dem Tier, wissen nichts von Gefühlen, von der Schwelle zwischen Leben und Tod.

Wir sind hier keine Mörder, Gott hat die Entscheidung getroffen, seither gibt es Stierkämpfe. Anderswo tötet man Tiere in Schlachthöfen, ohne Stolz, ohne Gefühle, ohne Ehre gehen sie dahin. Ein guter Torero lässt keinen Stier leiden, er sticht direkt in das „el agujero“, in das Fenster zum Tod, zwischen den Schulterblättern des Stieres.

Der Kampfstier, der in der Arena stirbt, wird nicht wie ein Ochse jung kastriert. Vier Jahre wächst er unter freiem Himmel heran, auf weitläufigen Wiesen und unter knorrigen Olivenbäumen. Er dämmert nicht dahin nach EU-Norm, in engen Ställen, und wartet auf einen Schlachtungstermin in einem der vielen europäischen Schlachthöfe.

Ein Torero hat eine harte, jahrelange Ausbildung hinter sich, er steht immer zwischen Leben und Tod und der Preis ist die Unsterblichkeit. „Die Tracht des Lichtes“, so wird die Kleidung des Torero bezeichnet, die muss man sich erst verdienen. Die “Muleta“, das rote Tuch, mit diesem Stoff wird der Stierkampf zu einem Tanz, zu einem Tanz zwischen Leben und Tod. Im letzten Stadium des Kampfes ist der Stier auf das Tuch fixiert. Immer wieder nimmt er Anlauf, um die Hörner in den Stoff zu rammen. Er hält den Stoff für seinen Feind, nicht den Matador.

Das ist der Augenblick der Unsterblichkeit des Matadors, er kann eine halbe Tonne Angriffslust täuschen. „VIVA MUCHACHO“ ruft die Menge. Stier und Matador sind jetzt eine Einheit geworden, sie stehen sich alleine gegenüber. Jede Bewegung kann die letzte sein, für den Stier, aber auch für den Matador. Im Augenblick der Unsterblichkeit sticht der Matador sein Schwert in das Fenster zum Tod.

Er hat die Menge um sich vergessen, nur der Stier und er, und Gott, hat ihn zum Stierkämpfer geschaffen. Wer will das verstehen, wer will da urteilen, wer will da der Ankläger sein? Heute war es der Stier, der durch das Fenster des Todes ging, morgen werde ich ihm folgen.

Andalusien-Cordoba 2014: Gerade habe ich mir eine Eintrittskarte für einen Stierkampf in der Arena gekauft. Ich bin weder ein Tierschutzfanatiker, noch ein Freund solcher Spektakel, wie sie in Spanien oder Mexiko stattfinden. Aber: Da ist dieser Wunsch, einmal dabei zu sein, einmal diese Atmosphäre in einer Arena zu erleben.

Toreros sind Superstars, und werden auch so behandelt. Junge Burschen, die eine harte Ausbildung hinter sich haben. Herren - Hidalgos über Leben und Tod. Die Besucher der Arena sind in Festtagsstimmung, wie vor einem großen Fußballspiel. Da sind Familien mit ihren kleinen Kindern, da wird gesungen und gelacht. Die Spannung steigt, es knistert förmlich die Luft. Weiße andalusische Pferde, Reiter und Pferd sind eine Einheit.

Dann kommen sie. Ein unbändiger Stolz ist zu spüren und die Menge jubelt. Die Toreros, die Helden der Arena, die Herren über Leben und Tod. Ich möchte nicht urteilen, nicht wegsehen, oder als Moralapostel fungieren. Der Stierkampf hat seine Mystik, die Menschen da lieben ihn. Sie jubeln für den Stier, sowie für den Torero. Es sind ganz normale Menschen mit Kindern, die beim Sterben zusehen und jubeln.

Nichts passiert hier, was schlimmer wäre, als das stille Töten in den Schlachthöfen für unseren täglichen Fleischkonsum. Ich liebe ihn nicht, den Stierkampf, aber ich verurteile die Scheinheiligkeit von denen, die Fleisch mit Freude konsumieren, aber nie fragen, woher es kommt. Tiere werden ohne Gefühle, ohne Würde getötet, damit wir uns über schöne Steaks freuen. In dieser Arena, habe ich zumindest etwas von der Würde, der Wildheit und des Stolzes des Tieres gespürt.

Die Stiere haben gekämpft, den Toreros Wunden, Angst und manchmal Lächerlichkeit vor dem Publikum zugefügt, so dass ihre Gefühle dem Stier galten. Und plötzlich steht man als Zuschauer, wie der Torero und der Stier, an der Schwelle zwischen Leben und Tod. Das ist der Augenblick, in dem man fühlt, dass wir eigentlich alle Lügner sind.

Das Leben ist Sterben und Sterben ist Leben, und ich frage mich plötzlich, wer gibt uns das Recht, für unsere hinterhältige, verlogene Scheinheiligkeit, die wir tagtäglich uns selbst vorgaukeln. Ich bewundere die Wildheit und den Stolz der Stiere, und ich bewundere auch den Torero, der sich an die Schwelle zwischen Leben und Tod stellt, um ein Hidalgo, ein Edelmann zu werden.

Wir Menschen töten tagtäglich, wenn nicht Tiere, dann uns selbst, wenn nicht körperlich, dann seelisch.

„Viva la Muerte“ - es lebe der Tod.

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