Vom Druck seinen Nachkommen die perfekte Kindheit zu bauen

Wahrscheinlich bin ich nicht der einzige Mensch auf der Welt, der es bei der Erziehung seiner Kinder nicht genauso machen möchte wie seine Eltern. Jeder hat so seine Traumen, ich denke die glückliche Kindheit per se gibt es nicht - ODER?

Wie aber macht man das, wenn man der Meinung ist, dass man es besser machen möchte. Ich bin eine Leseratte, alles was ich im Leben wissen wollte habe ich mir erlesen. Ich habe sie alle gelesen. Jesper Juul, William Sears, Michael Winterhoff, Lisel Polinski, Emi Pikler und noch einige mehr. Meine erste Schwangerschaft habe ich mir erlesen. Ich würde aus heutiger Sicht niemand empfehlen das zu tun, aber ich war entschlossen, den Teufel aus meinem Garten zu vertreiben um ihn nie nie nie mehr im Garten meiner Kinder zu finden (ein herrliches Zitat von einer Mitfischerin) Ich würde die erste sein, die das schaffte...

Bereits im Krankenhaus ging es los. Die Geburt war nicht so, wie ich mir erträumt hatte und gleich darauf ging los, was man wahrscheinlich die gesamte Zeit als Eltern nicht mehr los wird. Du bekommst Ratschläge und Meinungen von allen Seiten. Jeder weiß alles besser. Am besten wissen es sowieso die Leute, die selber noch nie einen ganzen Tag mit einem kleinen Kind verbracht haben. Allein die Debatte Stillen oder nicht Stillen wird von einigen Leuten und leider zum Großteil auch Mitmüttern, als Art Lebensanschauungskrieg geführt. Es geht weiter mit Tragetuch, Wippe, zu früh Brei, zu spät Brei, Krippe oder zuhause bleiben. Wenn man sich da nicht vorher schlau gemacht hat und ein harter Typ ist, der zu seiner eigenen Meinung steht und womöglich noch ein Kind hat, das so gar nicht mit dem Strom der Altersgenossen schwimmen möchte ist man heillos verloren im Sumpf der ich-weiß-alles-ganz-genau Muttis, die sich stundenlang über dein verantwortungsloses Verhalten aufhalten können. Der Alltag als Mutter kommt schnell und die Phasen des Bedürfnisses alles richtig zu machen, wechseln sich ab mit Laissez-faire Gedanken und auch völlige-Verzweiflung-Phasen.

Was ich damit sagen möchte, ist dass wahrscheinlich viel zu viel Aufhebens um Erziehungsfragen und "frühe Förderung" und vieles mehr gemacht wird. Dieses Aufheben setzt nämlich den Haupterziehungsverantwortlichen, meist die Mutter nur noch mehr unter Druck, da das sprichwörtliche "ganze Dorf, das es für die Erziehung eines Kindes braucht" nicht mehr zur Verfügung steht. Die typische Mutter muss sich sowieso ungefähr vier Wochen nach der Entbindung Fragen gefallen lassen wie "ach ist in diesem Bauch noch ein Kind?" Oder "und wann fangst wieder an zu arbeiten" Das schlechte Gewissen begleitet uns überallhin. In die Arbeit, in die Krippe, wenn wir zu früh Brei geben, wenn wir sie fernsehen lassen, wenn wir sie im eigenen Bett schlafen lassen obwohl sie das wollen, weil es immer jemand gibt, der das schlechte Gewissen nährt und alles viel besser weiß. Niemand beachtet, dass erstens jedes Kind individuell ist und dass jeder Elternteil sein eigenes Trauma mit sich herumträg aus welchem er seine Handlungen rechtfertigt.

Dazwischen ist dann immer das Bedürfnis, ES richtig zu machen, seinen Kindern die perfekten Weichen zu legen in eine unbestimmte Zukunft. Eine Zukunft die aber immer geprägter ist, von noch weniger Kindern. Ich denke dass die Tatsache, dass unsere Gesellschaft so kinderlos geworden ist, mitspielt beim Thema, den Kindern alles zu ermöglichen zu wollen. Die wenigen die da sind, bekommen die geballte Aufmerksamkeit, wobei es gerade diese Aufmerksamkeit ist, die den Kindern nicht guttut. Kinder sind nämlich keine Zirkustiere die beklatscht werden müssen, wenn sie etwas machen. Sie sind Kinder, die man toben lassen darf und die Welt erkunden lassen darf, die aber nebenbei in die Regeln der Erwachsenenwelt eingeführt werden sollten. Ansonsten glauben sie nämlich dass sie so etwas wie Prinzen oder Prinzessinen sind, die nur mit den Fingern schnippen müssen. Wie man die Kinder an diese Regeln heranführt ist dann natürlich die nächste Kontroverse unter den Mutter-Tieren und die die darum herum stehen und beurteilen wie die Jury in der nächstbesten Samstagabendvolksverscheißerung. Die kinderlose Gesellschaft trägt auch dazu bei, dass Elternkurse ein Thema werden, weil sich viele neue Eltern mit der Situation überfordert fühlen, da sie noch nie ein Baby in echt in Armen hielten, geschweige denn es versorgten.

Ob das was wir heute machen, richtig ist, werden uns unsere Kinder in ca. 20 bis 30 Jahren sagen. Ich bin mir sicher sie werden auch ihre Traumen haben und sie werden uns damit konfrontieren. Bis dahin sind wir hoffentlich so abgebrüht, dass wir die Imperfektion so stehen lassen können ohne ein schlechtes Gewissen zu haben und nicht den Wunsch verspüren, die Zeit zurückzudrehen. Hoffentlich gibt es bis dahin auch keine Elternroboter, die alles und zu jeder Zeit richtig machen....

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