In Gedenken an Ken Hensley

Von einem Easy Livin sind wir inzwischen weit entfernt; das sei nur am Rande erwähnt. Es ist jedoch einer der besten Songs von Uriah Heep, den man immer anhören kann. Wer sich mit Uriah Heep befasst oder Songs von ihnen zu Gemüte führt, der kommt um den Orgler, aber auch Top-Gitarristen, Ken Hensley nicht umhin.

Das Autogramm, das mir Ken Hensley bei unserer Begegnung überreichte.

Nun ist er tot, Ken Hensley. Er ist unerwartet, wie es heißt nach kurzer Krankheit, im Alter von 75 Jahren gestorben. Er galt als kreativer Kopf der Hardrock-Band. Mit seinem Zwei Akkord-Song (Am-G) Lady in Black gelang ihm ein Welthit, der nach wie vor partytauglich ist, also zumindest bei der etwas älteren Generation.

Der in London geborene Hardrocker war bis 1980 Mitglied und Mitgründer der legendären Rockband Uriah Heep. Er ist nun, nur zwei Monate später, Lee Kerslake, der viele Jahre die Drums der Rockband bediente, gefolgt.

Alte Erinnerungen – der persönliche Bezug

Immer wieder schießen mir alte Erinnerungen durch den Kopf. Bestimmt bin ich ein Ewiggestriger mit verklärtem Blick. Oder war das Leben vor Jahrzehnten und in meienr Jugend wirklich ein Easy Livin?

Hört man bestimmte Songs oder nun von dem Tod von Ken Hensley, so wird man –auf jeden Fall geht es mir so- in die Vergangenheit katapultiert.

Bei mir ist es vielleicht deshalb extremer, weil ich ständig davon träumte, selbst als Rockmusiker durchs Leben zu gehen. Das Ziel meines damaligen Musikerkumpels Siggi und meines war es, unser Leben als Rockmusiker zu bestreiten. Ich war dreizehn und Siggi vierzehn als wir unsere erste Band gründeten. 1977 wurde die Plattenfirma Phonogram Philips auf uns aufmerksam. Wir sahen damals wohl gut aus, Siggi beherrschte die Tasten wie ein kleiner Mozart. Bei mir war das Gitarrenspiel für diese Zeit voll im Trend und ausbaufähig. Ich hatte damals bereits meinen Dickschädel und Siggi auf seine Art auch. Deutsch zu singen und unsere Kumpels aus der Band zu werfen, das soll machen wer will. Das war´s dann mit der Plattenfirma. Eigene Vorstellungen zu haben, deckte sich wohl schon damals nicht mit den Vorstellungen der Plattenbosse. Ich kann mich noch genau an die beiden Typen im Anzug und Trenchcoat erinnern, die mit einem Tonbandgerät Aufnahmen von uns machten und nur Siggi und mich fotografierten. Was soll´s, mit meinem eigenen Kopf stand ich mir schon oft genug selbst im Weg.

Damals in den 70er Jahren - Siggi und ich - live

Ein wenig eigene Bandgeschichte

Siggi war für mich eine Art Ken Hensley. Natürlich wollten wir ihn kennenlernen. Also machten wir uns um 1977 auf zu einem Konzert von Uriah Heep. Sie gastierten in einer Kleinstadt, die von uns etwa 100 km entfernt war. Einen Tag davor reisten wir an und übernachteten im gleichen Hotel. Wir glaubten tatsächlich, dass wir die Band bestimmt beim Frühstück treffen würden. Dann könnten wir uns so unter Musikern unterhalten und wer weiß, vielleicht könnten wir eine „Zweigstelle“ eröffnen; oder so.

Tja, das Frühstück gab es, aber ohne Uriah Heep. Stundenlang hielten wir uns lange vor dem Konzert vor der Halle auf.

Siggi, da ist er, Ken Hensley. Wir rannten Richtung Seiteneingang, um mit ihm in Kontakt zu treten. Verdammt, er war zu schnell und die Halle verschluckte den Superstar. Natürlich war dann die Tür verschlossen.

Wenigsten sahen wir ihn durch ein kleines Fenster beim Soundcheck.

In den 1980er Jahren

Uriah Heep live - Ende der 70er Jahre

Doch nun kam das Konzert. Siggi und ich standen direkt an der Absperrung vor der Bühne. Damals war John Lawton Sänger der Band. Man kannte ihn von den Les Humphrie Singers, wenn er die höchsten Töne/Schreie bei Mama Loo ins Publikum schmetterte.

Diese Stimme ist der Wahnsinn. Für mich war er der genialste Sänger der Band – David Byron in allen Ehren.

Lawton sah damals aus, als ob er von Kiss für Uriah Heep ausgeliehen wurde. Die Schminke lief ihm übers Gesicht, so dass er den Kiss-Varianten immer ähnlicher wurde. Mick Box hatte eine knallrote Latzhose der modernen Art an. Plötzlich reichte er mit die Hand, die Menge in der brechend vollen Halle schien mich zu erdrücken.

Daneben Ken Hensley. Die Absperrung hätte man sich sparen können, den ich war ja fast schon am Bühnenrand.

Ein Konzert, an das ich mich noch gern erinnere und sobald ich einen Song von Uriah Heep höre, bin ich wieder auf diesem unvergessenen Konzert mit dieser damals von der Atmosphäre her passenden Halle.

Ich war später, nachdem alle Träume längst verflogen waren, noch ein paar Mal bei Uriah Heep in neuer Besetzung. Doch der moderne eher progressive Kram ist nicht mehr meine Sache.

Foto Norbert Zerr

Smalltalk mit Ken Hensley - 2010

Nach dem Verlassen von Uriah Heep widmete sich der Gitarrist und spätere Heep-Orgler anderen Projekten, darunter auch Soloprojekten, bevor es still um ihn wurde. Vor zehn Jahren war es für mich soweit. Hensley trat bei uns in der Region in einer kultigen Musikkneipe auf. Mit Gitarre und an den Tasten führte der dem etwa 50-Köpfigen Publikum vor, was er drauf hatte. Kein Wunder, als er seine schwarze Lady präsentierte, schlug der Stimmungspegel rasant nach oben aus.

Ich musste staunen und wurde zugleich sehr nachdenklich. Damals in den 70er Jahren mit Siggi war der Star unerreichbar in einer Atmosphäre die seinesgleichen suchte. Die Halle brach fast aus allen Nähten. Und nun, vor einem spärlichen Publikum. Nach seinem Solokonzert leere sich schnell der kleine Raum. Einige blieben an der Bar und ich nutzte mit meinem Sohn Paddy die Chance mit Ken Hensley über alte Zeiten zu quatschen. Ich traf voll in Schwarze. Ein absolut cooler Typ, der eher einem Indianer als einem perfekten Rockmusiker glich. Wir verstanden uns blendend. Ich spürte, dass er ebenso irgendwie alten Zeiten nachtrauerte. Trotzdem mussten seine Professionalität und sein Können an den Instrumenten nicht darunter leiden, dass sein Publikum zu einem Minimalmaß zuammengeschrumpft war. Zumindest war das hier der Fall. In ähnlicher Weise habe ich in der gleichen Lokalität die Martin Turner Ausgabe von Wishbone Ash erlebt.

Trotzdem war es ein unvergessliches Zusammentreffen mit Ken Hensley, das ich nie mehr missen möchte.

Come back to me

Ich könnte nun zahlreiche Verknüpfungen mit Uriah Heep Klassikern und meinen nostalgischen Erinnerungen herstellten. Ich will mich nun auf einen hervorragenden Titel beschränken.

Meine Familie und ich wir lieben Italien. Am liebsten würde ich dorthin auswandern. Wir verbrachten in diesem Sehnsuchtsland die schönsten Urlaube. In diesem Jahr machte Corona uns leider einen Strich durch die Rechnung.

Anfang der 1990er Jahren waren wir wie immer auf einem Campingplatz an der Adria, eigentlich schon ein wenig Deutschland. Wir mieteten wie immer ein Mobilhome, wobei es damals eher eine einfache Holzhütte war. Neben uns ebenfalls eine junge Familie. Wir trafen auf tolle Leute in diesem Urlaub. Es war der Wahnsinn.

Es gab keinen Tag an dem Helmut, der männliche Part der „Camping-nachbar-Familie“, nicht Come Back to me von Uriah Heep (gesungen von Lawton) laufen ließ.

Nun muss ich vorab erwähnen, dass ich meine Frau über alles Liebe, aber dennoch ließ ich mich nie zum Untertan machen – andersherum natürlich war dies auch nicht der Fall. Sie akzeptiert mich wie ich bin und hat sogar hin und wieder ihren Gefallen daran, sagte sie zumindest. Mit gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Rücksicht klappt das, auch über Jahrzehnte hinweg.

Wahrscheinlich würden mich die Moraljünger nun als Macho bezeichnen. Egal, sollen sie halt.

Nun beobachtete ich Helmut, der von seiner Zicke herumkommandiert wurde, wie der letzte Trottel. Immer wieder spazierten Helmut und ich in der Region herum. Ich glaube er hatte leichte Depressionen, die er mit Come Back to me verstärkte anstatt sie einzudämmen. Es lag wohl an seiner Frau und seinem fanatischen Glauben. Er würde immer die Bibel lesen. Ob ich nicht auch einmal die Bibel lesen wolle. Helmut, nein, ich glaube gar nichts. Das wäre reine Zeitverschwendung für mich. Die Kirche, Gott und das ganze Gefasel gibt mir nichts. Brauchst du keinen Halt, wollte Helmut wissen. Nein, auf jeden Fall nicht von einem Gott den ich nicht kenne oder einer überirdischen Kraft oder was auch immer das sein sollte. Die Kirche, das sind für mich überwiegend Heuchler unter Gottesvorwand.

Natürlich konnte ich nun mein Maul nicht halten und setzte noch eins drauf. So ein Weib würde ich in die Schranken weisen, die würde nicht den ganzen Tag mit mir herumplärren, erklärte ich Helmut.

Verdammt, nun fing Helmut an zu weinen. Ich liebe sie doch und meine Kinder. Nein, ich Idiot. Ich nahm Helmut in den Arm, entschuldige, mein Temperament ist wieder mit mir durchgegangen. Es war nicht so gemeint, du hast Recht. Es ist gut, wenn du sie leibst und Deine Kinder behutsam aufwachsen. Mit Helmut hatten sie auf jeden Fall einen liebevollen Vater (der Ausgleich zur Mutter, die besser auf einen Kasernenhof gepasst hätte-zumindest damals).

Als wir am Abend wieder zusammensaßen und das nervige Weib ihren Helmut wieder herumkommandierte wie den größten Volltrottel und er traurig und unterwürfig seinen Kassettenrecorder anwarf und Come Back to me hörte, kamen mir fast die Tränen.

Ich war zwischen Helmut und Uriah Heep hin und hergeworfen. Bis ich plötzlich wieder in der Realität aufgeschlagen bin. Diese Realität, vor allem die aktuelle, ertrage ich immer weniger.

Come Back to me in a Easy Livin.

Die große Bühne der besten Zeiten leert sich immer mehr und die jungen Generationen können damit nichts mehr anfangen.

In Gedenken an einen hervorragenden Musiker und Menschen den ich zu meiner größten Freude persönlich kennenlernen durfte.

R.I.P Ken Hensley

So erlebte ich sie in den 70er

Come back to me - with Italy-Touch

Ebenfalls unvergesslich Dave Byron

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