Zum heutigen Weltmilchtag, wo sich weltweit die Milchindustrie feiert, möchte ich derjenigen gedenken, der wir das alles zu verdanken haben, der Kuh. Ich liebe Kühe. Ich hab mit ihnen gearbeitet, man kann schon sagen: gelebt. Und ich habe sehr viel von diesen wunderbaren Tieren gelernt. Das Wiederkauen zuallererst als eine Tugend auch für den Geist - wie Nietzsche schon bemerkte - könnten wir uns von der Kuh abschauen.

Eine wiederkäuende Kuh ist ein wundervolles Bild. Wie sie sich Zeit nimmt, das Aufgenommene noch einmal durchzukauen – wie gut uns das allen täte, uns geistig notorisch Verstopften! Eine Kuh ist ein Verdauungswunder. Was sie als dieses Wunder leistet im Sinne der Welternährung, geht kaum auf die sprichwörtliche Kuhhaut. Ich weiß natürlich, dass die Kuh in den letzten Jahrzehnten als große Klimasünderin stark in die Kritik geraten ist. Weil sie das für uns Menschen ansonsten unverwertbare Grünzeug frisst und somit Gärgase, also Methan freisetzt. Ich meine, dass diese Kritik erstens überzogen ist und zweitens die Gegenrechnung vergisst. Nämlich das über das Grünland gespeicherte CO2. Eine Kuh setzt im Idealfall, dass sie sich überwiegend oder ausschließlich von Gras/Heu/Grassilage, also Grünfutter ernährt nicht wie ein PKW fossile Treibhausgase frei, sondern solche, die aus dem Grünland kommen und über dasselbe wieder gebunden werden. Das Grünland aber verdankt sich überwiegend der Kuh – und natürlich den Bauern, die sich die Schufterei mit der Kuh antun! Man nennt das zurecht Kreislaufwirtschaft. Natürlich könnte man sagen, dass, wie beispielsweise im Alpenraum, dieses Grünland bei Nichtnutzung durch die Kuh wieder zu dem würde, was es vor seiner Kultivierung war, nämlich Wald. Und dass Wald noch mehr CO2 aus der Atmosphäre binden und die Kuh dann nicht länger ihr Methan freisetzen würde. Das ist richtig. Aber ich sage dann immer: Wald kann man erstens nicht essen, die Kuh und ihre Produkte schon und zweitens wollen wir nicht nur Wald, sondern gepflegte Kulturlandschaft, die unser gestresstes Gemüt erfreut, während wir durch sie spazieren, oder sie auch nur betrachten.

Die Kuh ist also nicht die böse Klimakillerin als die sie propagandistisch immer wieder hingestellt wird. Damit habe ich noch nichts gesagt über die komplexen Thematiken von Hochleistungszucht, nicht wiederkäuergerechter Fütterung und teilweise problematischen Praktiken in der Haltung von Kühen weder in Österreich und schon gar nicht weltweit. Hier gibt es jede Menge Baustellen, um das einmal so neutral wie möglich auszudrücken. Keine davon verantwortet aber die Kuh. Die Kuh ist nicht böse. Die Kuh ist gut!

Eine Kuh macht Muh, viele Kühe machen…

Dass die Kuh „gut“ ist, verdankt sie nicht zuletzt ihrer Nutzung, so blöd das klingen mag. Seit ca. 10.000 Jahren macht sich der Mensch die Kuh zu Nutze. Er nutzt ihre Milch, ihre Arbeitskraft, ihre Ausscheidungen als Dünge- und/oder Heizmittel, er nutzt ihre Fruchtbarkeit und zum Schluss nutzt er ihr Fleisch, ihr Fell und den gesamten Schlachtkörper. Anders als so mancher Tierschützer oder gar Tierrechtler sehe ich darin nicht ein grundsätzliches Problem, das von der Erde geschafft gehört. Die Nutzung der Kuh erscheint mir vielmehr sinnvoll. Die einzig mögliche Art, wie ich die Erhaltung eines dermaßen aufwendigen Wesens, wie es die Kuh nun mal ist, rechtfertigen kann. Sogenannte Gnadenhöfe und alle Ansätze unsere Nutztiere zu „befreien“ und ihnen angeblich nichts weniger als „ihre Würde und Persönlichkeitsrechte“ (zurück) zu geben halte ich für von A bis Z undurchdachte Konzepte, sofern sie nicht als bloße Propagandaprojekte dienen. Sich den Luxus zu leisten Kühe zu betreuen, ein Dach über den Kopf bereit zu stellen, sie zu füttern, gesund zu erhalten, im Fall Geburtshilfe zu leisten und und und – und dann gemäß dieser Doktrin nichts von der Kuh als „Gegenleistung“ zu verlangen außer – was weiß ich – ihre Zuneigung? Wer soll das bezahlen? Wer wird sich das leisten wollen? Die Haltung von Kühen ohne bestmögliche ökonomische, ethisch vertretbare, ökologische Nutzung, ohne einen Beitrag zur menschlichen Ernährung und Bekleidung und Energiegewinnung, als Ziel auszugeben, heißt nicht weniger als an einer Zukunft ohne Kühe mitzuarbeiten – da mache man sich nichts vor und da mache ich jedenfalls nicht mit. Dafür mag ich Kühe viel zu sehr, als dass ich ihre Zukunft in die Hände von kurzsichtigen Befreiungsideologen legen möchte. Diese Zukunft wäre ihr Ende.

Eine Kuh macht Muh, viele Kühe machen Mühe. Die Wahrheit dieses vermeintlichen Kalauers kann nur ermessen, wer ernsthaft sich mit Kühen beschäftigt hat. Wer seinen Tages- ja seinen jahreszeitlichen Rhythmus ganz auf den dieser Milchköniginnen hat anpassen müssen. Eine Kuh ist ein wunderbar anspruchsloses Tier – wenn alles passt! Dass alles passt, heißt unglaublich viel Anstrengung. Allen, die pauschal Milchbauern als Tierquäler und Ausbeuter beschimpfen, wünsche ich die Erfahrung von nur einer arbeitsintensiven Woche mit ein, zwei aus dem Ruder laufenden Situationen. Und Situationen laufen immer wieder ein wenig aus dem Ruder, weil Kühe eben nicht funktionieren sondern leben. Immer dort, wo das auch von Bauernseite missachtet wird und die Kuh gefälligst nur mehr funktionieren soll, funktioniert es nicht. Die Kuh lässt sich das mittel- bis langfristig nicht gefallen. Ich mache mir dahingehend nichts vor: Viel zu oft wird heute überall auf der Welt darauf vergessen. Aber die Kuh wehrt sich. Sie funktioniert dann nicht mehr. Sie lässt in ihrer Leistungsfähigkeit nach, sie wird krank, sie entzieht ihre phänomenale Fruchtbarkeit. Es ist ein stummer Protest dieses wunderbaren Tieres. Recht so, liebe Kuh, wehre dich!

Ich sehe aber auch Zeichen der Hoffnung. Nicht wenige Bauern und Verantwortliche im Zuchtbereich, Tierärzte und Forscher nehmen sich dieses Problems an und steuern dagegen. Hier wäre Österreichs Milchbranche von ihrer Struktur her prädestiniert an vorderster Front mitzuwirken. Einige tun das. Werden andere folgen?

Quo vadis Kuh?

Betrachtet man die vielen guten Seiten der Kuh, nimmt es nicht Wunder, dass unterschiedlichste Kulturen in aller Welt diese in mythologische Sphären rücken. Die Kuh gilt von alters her als Segen spendendes, Reichtum schenkendes, Fruchtbarkeit und damit Weiterleben garantierendes Wesen. Nicht wenigen Kulturen ist und war die Kuh heilig. Aber bei aller Heiligkeit ist es beispielsweise den Indern trotzdem ganz natürlich, Kühe und ihre Milch zu nutzen. Indien ist sogar der größte Milchproduzent der Welt. Noch vor der EU!

Altägyptische, afrikanische und germanische Mythen sehen die milchspendende Kuh gar ganz am Anfang ihrer jeweiligen Welt-Geschichte. Die herausragende, Überleben sichernde Rolle der Kuh ist hier zum Mythos geronnen. Wie geht es weiter mit der entmythologisierten Kuh?

Lernen wir von der Kuh doch das Wiederkäuen. Kauen wir uns die Geschichte und die Bedeutung der Kuh in aller Gemütsruhe und dabei doch in ernsthaft nachsinnender Weise vor: Kann man sich dann etwas anderes wünschen als:

Es lebe die Kuh!?

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