Martin Balluch und die Alm: Eine Entgegnung

Martin Balluch, Österreichs zugleich bekanntester und umstrittenster Tierrechtler und Obmann des von ihm gegründeten Vereins gegen Tierfabriken findet Kuhfladen auf Almen eine Katastrophe und fordert die Stilllegung derselben. Lange war ich wie gelähmt ob dieser Ungeheuerlichkeit in meinen Augen und wusste nicht wie reagieren. Heute rutscht mir ein Beitrag aus Bayern in meine Facebook-Timeline, der mir die perfekte Entgegnung zu sein scheint. Werner Härtl, ein bayrischer Künstler malt mit Kuhscheiße. Vorzugsweise Motive einer bäuerlich geprägten Welt und Kulturlandschaft, die sich im Wortsinn dieser Kuhscheiße verdanken. Damit wird das dahinterstehende Kreislaufdenken auf die denkbar kreativste Weise bebildert.

Werner Härtls "Kuhmistkunst" (mit freundlicher Genehmigung des Künstlers)

"Almen sind grauenhaft" Martin Balluch

Es sind ganz andere Bilder, die Martin Balluch in seiner Generalanklage gegen die Alm vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen lässt: Diese sei ein völlig unnatürliches, durch häufige Brandrodung gewonnenes Habitat; die dort weidenden Kühe seien eine lebensgefährliche Dauerbedrohung, deren Trittschäden Erosion verursachen und die so aus diesem einstigen Naturparadies einen Hotspot für lebensgefährliche Lawinenabgänge, einen von Stacheldrahtzäunen zerrissenen, heillos übernutzten, dem Wolf und anderen Naturschönheiten keinen Platz bietenden, stinkenden Kothaufen gemacht haben, usw. usf.

Ich will mich mit Gegenargumenten zu Martin Balluchs Anklageschrift gegen die Alm und ihre Bauern gar nicht erst aufhalten, wenn ich ehrlich bin. Ein gewisser „Anton“ hat auf Balluchs Blog hier in ruhigem Ton alles, was der Tierrechtler der Alm vorwirft, Punkt für Punkt schlüssig widerlegt bzw. in ihrer aggressiven Undifferenziertheit aufgezeigt. Genau diese Undifferenziertheit mit der Balluch seine Forderung vorbringt, Almen zu renaturieren, macht es mir unmöglich, mich mit ihm in eine Diskussion einzulassen über den einen oder anderen seiner Kritikpunkte.

Warum sollte ich mit Balluch diskutieren, den Stacheldraht durch tier- und menschenfreundlichere Alternativen zu ersetzen, wie etwa in der Schweiz, wo selbiger tatsächlich nicht mehr erlaubt ist? Ich persönlich würde das schon begrüßen, wenn, wie in der Schweiz, der dadurch entstehende zusätzliche Aufwand den Bauern auch abgegolten würde. Aber da bin ich längst weg von Balluchs Argumentation. Ihm dient der Stacheldraht und eine angebliche Blutvergiftung einer Bekannten, die allzu nahe Bekanntschaft mit ersterem gemacht haben soll, nur als eines von vielen drastischen Bildern, mit denen er den „Schandfleck Alm“ in grellste Farben taucht. Wie alles andere, was er vorbringt, nur die völlige Ablehnung der Alm in jeder erdenklichen Form zum Ausdruck bringt.

Balluch will sie weg haben, die Alm

Es muss jedem ganz klar sein, dass es Balluch nicht darum geht, etwas zu verbessern, was vielleicht verbessert werden könnte an der Alm. Nein, Balluch will sie weghaben, die Alm. Sie ist ihm im wahrsten Sinn des Wortes im Weg. Er hasst die Alm. Er hasst die Kühe dort, wie er jede Form der Nutztierhaltung hasst. Diese Ablehnung, dieser Hass kann sich in Balluchs Schreibweise nicht verstecken. Er kommt in den zahllosen Polemiken zum Ausdruck, die dieser selbst freilich für Argumente hält und ausgibt.

Balluchs Polemiken genauso wie die seiner Kritiker interessieren mich nicht. Die Alm als Kulturraum und Mythos ist ein zu ernsthaftes Thema, als dass ich ihm mit Polemik gerecht werden könnte. Ich habe mich mit meinen bescheidenen 11 Almsommern nicht in eine mehrhundertjährige Geschichte eingeschrieben, um mich mit dieser Erfahrung auf das Feld emotionaler Giftspritzer zu begeben.

Balluchs Polemik greift die Alm in ihren Grundfesten an. Hätte er Recht mit dem, was er vorbringt, müssten wir uns tatsächlich von der Alm verabschieden. Nun hat er aber nicht Recht, wie es ihm besagter Kommentator „Anton“ geduldig Punkt für Punkt auf seiner Seite aufzeigt.

Almen sind Seelenschutzgebiete

Balluchs Blog regt auf. Das will er auch. Das bringt Aufmerksamkeit und das verleitet viele zu unüberlegter Gegen-Polemik, die ein geschickter Stratege und Guerilla-Kämpfer, der Balluch zweifellos ist, für seine Ziele zu nutzen weiß. Ich habe mich auch aufgeregt zunächst und dadurch gelähmt, weil ich bewusst nicht in die Gegenpolemik einstimmen wollte. Jetzt bin ich ganz ruhig. Die Alm wird auch Herrn Balluch überleben. Sie wird sich verändern. Das tut sie, seit es sie gibt. Es gibt so viele verschiedene Almen und bei weitem nicht alles ist gut, was auf Almen gemacht wird. Ich könnte da selbst durchaus aus meinem persönlichen Nähkästchen plaudern. Alles zusammengenommen aber, ist die Alm der Arbeitsort schlechthin für mich. Ein Ort wo Sinn und Sinnlichkeit sich die Hand reichen, Arbeiten und Denken kein Widerspruch sind, sondern ineinander übergehen. In ihrem Wesen in ihrem Mythos, den sie ausstrahlt bis in unsere Tage bleibt die Alm für viele etwas absolut Anziehendes und Faszinierendes. Ich habe ihr letztes Jahr einen Blog gewidmet, aus dem ich hier aus gegebenem Anlass zitiere: Die Alm ist ein einziger Umweg. Nein: Viele Umwege, ein ganzes Wegenetz, das sich seit Generationen zwischen den Tallagen und den alpinen Höhen erstreckt. Das verbindet. Ganz nüchtern und materiell gedacht durch die Straßen, die Tal und Berg verbinden. Aber genauso wichtig ist die immaterielle, geistige Verbindung, die von der Alpe ausgeht, diesem „Seelenschutzgebiet“.

Bilder von überdüngten Kothaufen oder doch von "Seelenschutzgebieten"

Martin Balluch wird diese Schilderung nicht erreichen. Er wird sie für Propaganda halten aus den Reihen der unbelehrbaren bäuerlichen Sturköpfe, die sich seinen glasklaren Argumenten nur deshalb verweigern, weil sie, wie er schreibt „einfach keinen Respekt vor der Natur [haben] und ohne Rücksicht nutzen wollen, was sie können. Oder sie sind zu faul, umzudenken.“

Wie anders der Zugang des Künstlers Werner Härtl, zu dessen Bildern ich am Ende zurückkehren möchte, die Kuhscheiße in Kunstwerke verwandeln. Wie unglaublich anders der Blick, der Zugang hier! Wie anders das, was hier an- statt aufgeregt wird! Wie anders das, was dabei herauskommt. Mit dieser zur Kunst geronnenen „Kuhscheiße“, die zusammen mit ihrer Spenderin und deren Besitzern jenes Grünland über Jahrhunderte geschaffen haben und erhalten, das auch die Almweiden mit umfasst, schließe ich meine Entgegnung.

PS: Mittlerweile hat auch der bekannte Kabarettist und Nebenerwerbslandwirt Wolfgang Feistritzer, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Petutschnig Hons, auf seine unverwechselbare Art auf Balluchs Alm-Blog reagiert. Mit scharfem Humor. Auch eine angemessene Art.

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