EU-Türkei-Flüchtlingsdeal in trockenen Tüchtern: Die Skepsis war berechtigt

Anfang der Woche wurde noch über den neuen Vorschlag von Seiten der Türkei diskutiert, jetzt ist die Sache schon besiegelt. Überraschungen gab es keine.

Die Pressemitteilung nennt 9 Punkte zum Deal. Kernstück bleibt der groß angelegte Personenaustausch. Jeder in Griechenland ankommende "irreguläre Migrant" (so die offizielle Formulierung), egal, ob Syrer oder nicht, wird in die Türkei zurückgebracht (ausgenommen jene, die in der Türkei nicht sicher sind). Im Gegenzug wird für jeden darunter befindlichen Syrer ein in der Türkei befindlicher Syrer in der EU angesiedelt. Damit sollen die Anreize beseitigt werden, sich nach Europa zu begeben.

Die Türkei soll außerdem die notwendigen Maßnahmen ergreifen beziehungsweise mit den Nachbarstaaten kooperieren, um die Entstehung neuer Routen zu unterbinden.

Im Gegenzug soll für türkische Staatsangehörige mit Ende Juni 2016 Visafreiheit gelten und die Türkei erhält 6 Milliarden Euro. Außerdem werden die Beitrittsgespräche vorangetrieben.

Starker Tobak. Ein hoher Preis. Zum einen wird die drastisch verschlechterte Menschenrechtslage in der Türkei ebenso unter den Tisch gekehrt wie wie Rückschritte in Sachen Demokratie. Von der immer noch andauernden rechtswidrigen Besetzung Nordzyperns – und damit des Gebiets eines bestehenden EU-Mitglieds ganz zu schweigen. Realpolitik hat den letzten Rest an Prinzipien zu Grabe gegraben.

Zum anderen bleibt offen, ob die zugesagten Summen ausreichen werden. Gut möglich, dass die türkische Regierung bald auf weitere Zahlungen und Zugeständnisse pocht. So lange die EU keine wesentliche Abkehr ihrer Außenpolitik wagt, hat Erdogan alle Trümpfe in der Hand. Was ihm auch bewusst ist, zumal er bereits klargestellt hat, sie notfalls auch einzusetzen.

Kurzfristig klingt die Sache wie ein Durchbruch, der zumindest für den Moment Abhilfe schaffen könnte. Da viel von der Kooperation der Türkei beim groß angelegten "Menschenaustausch" abhängt, ist selbst das nicht gewiss. Langfristige Lösung ist nach wie vor keine in Sicht. Schon jetzt darf man sich fragen, wie künftige Historiker die derzeitigen EU-Türkei-Beziehungen einordnen werden.

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fischundfleisch

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gigimannheim

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