Medizin als "9 to 5" Job - die neue Ärztearbeitszeit machts möglich……alles besser, oder was?

Piloten ist nichts verboten!.....doch, denn wenn es um die erlaubte durchgehende Arbeitszeit/Flugzeit geht, unterliegen Piloten strengen Auflagen mit vorgeschriebenen Ruhezeiten. Die maximal erlaubten Flugstunden/Jahr wurden erst kürzlich von 1300 auf 1000 reduziert.

Wir Mediziner werden oft mit Piloten verglichen - Verantwortung, Nachtarbeit, Stress,.....

Nicht nur Checklisten, seit Jahrzehnten Standard in der Luftfahrt, halten Einzug in die OP's und verbreiten sich mittlerweile in nahezu allen Bereichen des medizinischen Alltags, auch die Ärztearbeitszeit soll nun strikter reguliert werden und von 72 auf 48 Stunden/Woche reduziert  werden.....

HURRRAAA......hört sich doch aufs erste richtig toll an, oder?!?

Ich weiß nicht wie das die Mehrheit meiner Kollegen sieht, somit kann und will ich hier ausdrücklich lediglich für mich sprechen.

Ehrlich gesagt, ist das Ganze für mich ein eher zweischneidiges Schwert.....

Klar hören sich 48 Stunden/Woche erst einmal richtig gut an:

Jeder Patient hat es in Zukunft nur mehr mit einem ausgeruhten, hochkonzentrierten Arzt zu tun, keiner ist mehr übermüdet vom vorigen Nachtdienst, alle sind gut drauf und freundlich, toll das Ganze auch im Sinne einer ausgewogenen Work-Life Balance, mehr Zeit für Familie, Freizeit, und, und, und.....

Lassen wir dabei das Thema Entlohnung/Gehalt einmal ganz außer Acht und vergessen wir einmal, dass Ärzte (vorrangig, die im Spital Arbeitenden) beinahe die Hälfte Ihres Monatseinkommens aus der Nachtdienstentlohnung beziehen......wir nehmen einfach einmal an, dass es hier zu einem Anstieg des Grundgehalts in entsprechender und angemessener Weise kommen wird (wers glaubt....).

Doch selbst dann bleibt für mich ein etwas unbehagliches fragendes Gefühl zurück:

Ist der Beruf Arzt tatsächlich so problemlos kompatibel mit der "9 to 5" Philosophie?

Besonders in den klinischen Fächern basiert doch ein Großteil der Ausbildung auf der Arbeit am Patienten, der Zeit die wir mit unseren Patienten verbringen, sei es in den Ambulanzen, auf der Station oder im OP. Wir lernen bei jedem neuen Patienten für unseren nächsten Patienten, sammeln Erfahrung und das gewisse Bauchgefühl, jenes Gefühl, das man nicht in Lehrbüchern vermittelt bekommt und das in gewissen Situationen dann den Unterschied ausmachen kann, im schlimmsten Fall zwischen Leben und Tod. Nur wer Zeit mit den älteren erfahrenen Kollegen verbringt, kann von Ihrem Wissens- und Erfahrungsschatz profitieren, ein Wissens- und Erfahrungsschatz der letzlich auch unseren nächsten Patienten zu Gute kommen kann. In dieser Hinsicht funktioniert die Medizin nach dem Meister-Lehrling Prinzip.....Wissen wird durch Lehren und Beobachten weitergegeben, die Zeit die der Meister und der Lehrling miteinander verbringen, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Gerade in chirurgischen Fächern wird oft im Nachtdienst operiert und dabei die chirurgischen Fertigkeiten geschult. Ich kann nur aus eigener Erfahrung berichten, dass jene Assistenzärzte den dicksten OP-Katalog hatten, welche auch die meiste Zeit im Spital verbracht hatten und welche die meisten Nachtdienste während der Ausbildung absolviert hatten.

Können wir in Zukunft also das gleiche Wissen und die gleichen Fertigkeiten in statt 72 Stunden nun in 48 Stunden pro Woche erlernen?

Wissen u. Erfahrung/72 Std. = Wissen u. Erfahrung/48 Std.

......eine Gleichung, die rein mathematisch für mich zumindest eine leicht schiefe Optik bietet....

.....und ob die Anstellung von mehr Ärzten für die Patientenversorgung, welche aufgrund der erlaubten Arbeistzeit/Arzt notwendig werden wird, auch die Qualität derselben auf gleichem Niveau sicherstellen, geschweige denn verbessern wird können, bleibt abzuwarten.....

Doch eigentlich muß ich mir doch darüber gar nicht den Kopf zerbrechen, sondern eher schon planen, wie ich die womöglich neu gewonnene Freizeit sinnvoll mit meinem Sohn verbringen werde..........ein komisches Gefühl in der Magengegend bleibt dennoch zurück, denn auch er wird in der Zukunft aller Voraussicht nach einmal ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen.......

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fischundfleisch

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