Durchhalten ... oder: Tradition ist alles

Seit 200 Jahren steht das Konzept des Festes. Kann schon sein, dass über die Jahre die Angebote an den Buden und die Attraktionen wechselten. Dass die Karusselle größer und schneller wurden und die Speisen internationaler.

Aber so viel ist mal klar: Am vorletzten Sonntag im Juli, morgens um neun, kommen die Kinder und Jugendlichen mit ihren Trommeln und hochglanzpolierten Instrumenten und schmettern, was das Zeug hält. Ein Jahr lang haben sie dafür geübt, die alten Hasen genauso wie die kleinen Frischlinge, die vor dem Start der Kapelle durch die Straßen ganz aufgeregt hin und her zappeln.

Die Tambourin eilt durch die Reihen, schiebt hier einen Spieler nach rechts, dort einen nach links. Hinten bei den Kleinen fragt sie flüsternd nach, ob sie nochmal auf die Toilette müssen. Sicher ist sicher, obwohl Malheure nur alle paar Jahre passieren.

Schließlich ist alles richtig und die Uhr am Glockenturm schlägt Neun.

Nur wenige Menschen sind schon auf den Straßen, viele, durch die Musik aufmerksam geworden, schauen vom Fenster aus zu. Andere, namentlich Eltern und Verwandte, stehen am Straßenrand, winken gelegentlich den Kleinen zu, die sich durch die familiäre Begleitung besser fühlen. Denn natürlich ist es aufregend, so von allen Seiten angesehen zu werden, gleichzeitig den richtigen Ton zu treffen und Schritt zu halten, in Formation zu bleiben.

Die Tambourin wedelt mit ihrem Stab kraftvoll durch die Luft, folgt ihm mit dem Blick und schaut sorgenvoll auf die sich immer mehr verdichtenden Wolken. Ein paar Regentropfen hielte man wohl aus, aber das da oben sieht schlimmer aus. Und es gibt nichts Schlimmeres, als wenn der Spielmannszug "ins Wasser fällt".

Und wirklich dauert es nur wenige Sekunden, dann geht es los. Von einem Moment auf den anderen fallen nicht nur einzelne Tropfen, sondern es entstehen Bindfäden. Noch führt sie ihre Schar, die mutig die Formation hält, obwohl die Kleinen nun zunehmend ängstlich zu den Eltern unter ihren Schirmen schauen. Als aber statt der Bindfäden handfeste Seemannstaue hernieder plattern, wedelt die Tambourin mit ihrem Stock zur Seite. Erleichtert springen die kleinen, nassen Musikanten unter die Arkaden, um sich und ihre Instrumente vor diesen übermächtigen Wassern zu schützen.

Wie alle anderen auch. Längst haben die Zuseher oben ihre Fenster geschlossen, längst sind alle am Straßenrand geflüchtet.

Nur wenige Minuten später, die Seemannstaue und Bindfäden sind nun zu einem mäßigen Getropfe geworden, steht die Formation wieder. Die Sache muss zu Ende und zum Ziel gebracht werden. Auf dem Festplatz erwartet man die kleinen Helden schon.

Nass, aber stolz lassen sie sich von ihren nicht minder stolzen Eltern wegführen, die schon morgens, mit Blick auf den Wetterbericht, die Zweituniformen ins Auto gepackt haben und Handtücher. Mit denen nun gerubbelt wird unter leisen Worten der Anerkennung: Gut hast du das gemacht. Wart nur, gleich bist du wieder trocken.

Wobei die Eltern strahlen, als hätte sie selbst diese Heldentat vollbracht, selbst nicht aufgegeben.

Eine halbe Stunde später, der Regen ist vorbei, die Wege schon beinahe wieder trocken, haben sich die Musiker unters Festvolk gemischt. Wo jene, die schon früh auf dem Platz waren und ihre Ankunft sahen, ihnen anerkennend zunicken.

Es hat sich gelohnt, durchzuhalten.

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Globetrotter

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Silvia Jelincic

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