Die Generation Y ist schuld. WEIL!

Generation Y Bashing tut sich gut in der Wirtschaftswelt. Und allgemein in der Gesellschaft. Ich kenn das. Ich bin ein mustergültiges Paradebeispiel dieser Generation. Nur mal zu den Fakten, falls geneigte Leser nicht wissen, was es mit der Generation auf sich hat: Das sind die, die zwischen Ende der Siebziger und Mitte der Neunziger geboren wurden, mit Eltern die in der Nachkriegszeit groß wurden, die im Wirtschaftswunder der 70er mehr oder weniger Geld gemacht haben und diesen Status und "Wohlstand" als Grundlage an ihre Kinder weitergegeben haben. Das sind die, die sich auf nichts festlegen wollen, alles ausprobieren, Spaß am Leben haben wollen, sich vorrangig selbstverwirklichen. Das sind die, die nach ihren Interessen handeln, nicht nach gesellschaftlich vorgegebenen Wegen, die Orchideenstudien betreiben und sich nicht in Arbeiten drängen lassen wollen, in denen sie 40h die Woche den Buckel krumm machen für die Aktionäre irgendwelcher Firmen und selbst einen Hungerlohn einfahren. Und da wird das Ganze zum gesellschaftlichen Problem. Zudem sind viele von uns dauerfrustriert, unglücklich mit ihrer Existenz und desillusioniert.

Gleich vorweg gesagt, es gibt unterschiedlichste Meinungen, ob es diese Generation überhaupt als solche gibt oder ob es nur eine statistisch gehäufte Ansammlung solcher Charaktere ist, die es in früheren Generationen genauso gab. Das wird wohl nur die Zeit zeigen. Und ich kenn auch genug Personen in dieser Altersklasse, die so gar nicht diesem Typus entsprechen und das klassische gesellschaftlich akzeptierte Leben führen: Schule -> wahlweise Matura oder Lehre -> Arbeit oder Studium -> nach Studium dann Arbeit -> dort malochen 40 Jahre bis Pension. Irgendwann zwischen den Punkten zwei und drei Familie gründen mit zwei Kindern und in ein Eigenheim ziehen. Ich spreche niemandem ab dieses Leben führen zu wollen, wenn es für jemanden erstrebens- und wünschenswert ist! Ich sehe es nicht als das ultimative Ziel an. Und das will ich bitte auch nicht abgesprochen bekommen. Nur genau das passiert in schöner Regelmäßigkeit.

Warum die Generation Y so unglücklich ist

Bitte diesen Beitrag in der Zeit Online zuerst zu lesen, bevors hier weitergeht.

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Es wird gut drauf eingegangen, warum das eigentlich bei vielen von "uns" so ist, dass wir frustriert, unglücklich und desillusioniert sind. Und es stimmt. Nur... kann ich nicht zustimmen, dass wir selbst dran schuld sein sollen und das jetzt auch gefälligst ändern sollen, um endlich wertvolle Mitglieder der Gesellschaft zu werden und gefälligst endlich was für die Wirtschaft und die Gesellschaft tun.

1) "Wir sind unfassbar anspruchsvoll." Ich kenne es von mir. Ich will was Künstlerisches im Leben machen, weil ich Interesse und Freude daran hab. Und mich damit selbstverwirklichen. Da muss man nicht den Bundeskanzler als Beispiel bemühen. Es reicht schon etwas viel Simpleres. Das wird uns jetzt also von der Wirtschaft, die mit solchen überselbstbewussten Menschen, die hohe Ziele haben, nix anzufangen weiß, vorgeworfen. Logisch. Denn die brauchen keine 5000 Nobelpreisträger. Die brauchen 5000 Möbelpacker und Billakassierer, wenn überhaupt so viele. Und wenn ich in einem Bewerbungsgespräch sitz und den Arbeitgeber nicht über den Klee als das Maß und Ziel aller Dinge in meinem Leben lobe, dem ich mich von diesem Tage bis ich sterbe aufopfernd hingeben will, bin ich eh schon unten durch. Klar, solche Leute wollen angelogen werden, liest man ja in jedem Ratgeber zu dem Thema, aber diese Diskrepanz der ultimativen Anbiederung für das, was man dann vielleicht dafür kriegt, ist in meinen unfassbar anspruchsvollen Augen im besten Fall erschreckend und im schlimmsten menschenverachtend.

2) "Wir sind realitätsferne Traumtänzer, die sich alle für was Besonderes halten." Kenn ich auch. Dieser und jener Traum, der an den Gegebenheiten des Lebens platzt wie eine Seifenblase. Ich muss ganz ehrlich sein, ich halte mich selbst nicht für etwas allgemein Besonderes oder Besseres. Meiner eigenen Ansicht nach. Fragt man Bekannte, die den oben beschriebenen klassischen Weg eingeschlagen haben, bin ich die Exzentrizität in Reinkultur. Jemand, der immer und überall eigene Brötchen backen will und wenn das nicht geht, lieber gar nix haben will. Wenn man das ganze logisch von außen betrachtet, kann das nicht gut gehen. Es kann keine ganze Generation Außergewöhnlicher geben. Laut dem Zeit Artikel wurde uns schon mit der Muttermilch eingepflanzt, zu glauben, besonders zu sein, alles machen zu können, was wir wollen und vor allem: Den Wohlstand der Eltern als allgegenwärtige und normale Basis anzusehen. Und so Bücher wie "Die Durchschnittsfalle" oder "Die Talent-Lüge" (die ich beide für sehr gut halte) fördern diesen Glauben und das Verhalten noch zusätzlich.

Und da wundert es dann, wenn Gen Y Personen vom Leben frustriert sind, wenn sie erst recht in irgendeinem Job landen, in dem sie austauschbar sind, wie ein kaputter Elektroartikel? Der Wirtschaft ist es doch vollkommen schnuppe, ob sich wer für gut, schlecht oder den Kaiser von China haltet, man kriegt wenn überhaupt nen Job GANZ unten und wenn man viiiiiiel Glück hat, schwemmt es einen irgendwann mal etwas höher rauf. Das verträgt sich nicht mit realitätsfernen Traumtänzern, die sich für was Besonderes halten. Und die Wirtschaft und Personaler haben auch schon den passenden Schuldigen dafür gefunden, dass es so ist, nämlich die Generation Y selbst! Eh klar, wir sollen uns doch bitte endlich von der Ansicht verabschieden, in irgendeiner Form besonders zu sein und uns endlich als die kleinen Rädchen, die wir alle sind in das große Ganze einfügen. Dass wir das nicht selbst verschuldet haben, das zu glauben, ist ja irrelevant. Ausbaden dürfen es trotzdem wir.

Der Wirtschaft wärs also nachvollziehbarerweise lieber, wir wären alle mit Regaleinräumen, Bodenaufwischen, und ähnlichen Jobs vollends zufrieden, für das Minimalgehalt, das dabei rausspringt, unendlich dankbar und würden endlich das tun, wofür wir da sind: Hackln. Und den Aktionären ihre Dividenden bringen.

Und wenn man das so Personen, die in der Wirtschaft tätig sind, sagt, weiß man, warum man als realitätsfremd tituliert wird. Die Wirtschaft diktiert und die Gesellschaft hat zu liefern: Menschliches Material für nur mangelhaft vorhandene Jobs. Das ist die Realität. Nur, die Gen Y akzeptiert diese Realität schlicht nicht mehr so wie die Vorgängergenerationen. Und daran krankt das Ganze. Wir haben auf der einen Seite die Wirtschaft, die fordert und fordert und sich aus einem so großen Pool an Personen die rauspicken kann, die sie will und nicht willens ist, irgendwas an ihrer Einstellung zu ändern. Irgendein armer Tropf wird schon damit zufrieden sein, ein erbärmliches Leben mit Minimalgehalt an der Armutsgrenze führen zu dürfen. Der Rest ist egal. Und auf der anderen Seite eine Generation von Leuten, die in vergleichsweise Wohlstand großgeworden ist. Für die dieser Wohlstand die Normalität bedeutet, ein Darunter gibt es per definitionem nicht. Und die Wirtschaft fordert die Jungen auf, sich endlich zu dem zu machen, was sie will. Und die tun das nur sehr widerwillig bis gar nicht mehr. Und die Wirtschaft dreht nur immer weiter an den Daumenschrauben, um ihre Forderungen durchzubringen anstatt endlich mal vernünftige Sachen in Aussicht zu stellen, die auch für realitätsferne Träumer annehmbar sind. Und das sind keine nichtbezahlten Praktika oder zeitlich befristetete Verträge. "So läuft die Wirtschaft aber nun mal... Pass dich an daran...", hör ich die augenrollenden Wirtschaftsleute sagen? Mag sein, nur wie lang wird es noch so laufen, wenn sich immer weniger finden, die sich verbiegen lassen werden?

Womöglich wären Wirtschaft und in Folge auch Gesellschaft einmal besser beraten, ihre jungen Mitglieder nicht zu etwas zu formen, was als "richtig" angesehen wird, sondern sie zu fördern in ihrem eigenständigen und eigenwilligen Denken und Streben. Dann ließen sich Enttäuschung und Desillusionierung auch großteils vermeiden. Ich sehe das nicht als Problem der Generation Y an, die sich nicht an die Wirtschaft anpassen will, sondern als ein Problem der Wirtschaft, sich nicht an die Menschen anpassen zu wollen, nichts investieren zu wollen an Geld und Energie und vor allem: nichts ändern zu wollen, wenn Änderungen überfällig sind.

Wir sind also frustriert, weil unserer Lebensvorstellungen, die wir von unseren Eltern eingetrichtert bekommen haben nicht mal im Ansatz mit der Realität übereinstimmen und dazu gezwungen werden, Abstrich um Abstrich zu machen und dann dürfen wir uns auch noch Vorwürfe anhören, warum wir mit dem dann nicht glücklich und hochzufrieden sind?! Na hallo, ich glaub, es hakt!

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