2010 wollte die Tschornalistin Meike Winnemuth das immer gleiche blaue Kleid anziehen, Tag für Tag. Das gleiche, nicht dasselbe, denn um es auch mal waschen zu können, hat sie sich das Ding mehrfach zugelegt. Diese strenge Kleiderordnung ist keine persönliche Marotte von ihr, sie wolle damit, so schrieb sie - Dschurnalisten schreiben ja so wahnsinnig viel, wenn der Gesetzliche Vormund nicht aufpaßt - etwas lernen, über Verzicht und über die Frage, was man wirklich brauche im Leben. Und sie wolle in diesem einen Jahr darüber nachdenken, ob es eher belastet oder bereichert, nicht grübeln zu müssen, was man anziehen soll.

Ich selber, ich muß es gestehen, wäre nie auf die Idee zu so einem Projekt gekommen. Ich praktiziere diese Kleiderordnung nämlich schon seit einigen Jahrzehnten.

Ja, gut, ich trage nicht immer das gleiche Hemd, den gleichen Pulli. Sie wurden im Laufe der Jahre ziemlich unsystematisch erworben und da liegen, bzw. hängen sie nun im Kleiderschrank und warten darauf, daß ich hineingreife, halb zufällig, halb einfach der Reihe nach (das am längsten nicht getragene Hemd kommt als nächstes dran). Die Hose ist allerdings immer die gleiche Jeans in fast identischer Form und Farbe. Punkt, aus.

Als ich seinerzeit den Roman "1984" gelesen habe, habe ich die Leute um ihre Einheits-Trainingsanzüge beneidet. Bequeme, schlabberige Kleidung, die man zuhause und auf der Straße, zu jedem Anlaß tragen kann. Stets ist man angenehm und korrekt gekleidet, keiner schaut einen blöde an, weil man unpassende Klamotten trägt.

Orientalische Reisende, die im 18. Jahrhundert Europa bereisten, konnten sich nicht genug wundern über die Mannigfaltigkeit der hierzulande getragenen Kleidung, Kleidung, die sich noch dazu rasend schnell, innerhalb weniger Jahrzehnte nur, veränderte. Der Orientale trug damals noch die traditionelle Kleidung; Kleidung, die jeder trug. Unterschiede gab es nur - je nach den Finanzen - in den Materialien und beim Pflegezustand.

Nun wird man sagen, diese bräsige Gleichgültigkeit sei mal wieder typisch Mann und man hätte recht damit. Natürlich.

Nur - wenn jetzt eine Frau Tag für Tag immer das gleiche Kleid (oder die gleichen Hosen etc., ich bin da nicht so) trüge, dann würde ich das ohnehin nicht merken, wenn ich sie eh bloß einmal im Monat sähe. Sähe ich sie täglich, so würde es - ich kenne mich - wahrscheinlich viele Wochen dauern, ehe es mir überhaupt auffiele, daß sie immer die gleiche Kleidung trägt.

Hmnja, ich bin unkultiviert, ich weiß.

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