Wir sind die Generation, der es kein Hund recht machen kann

Kennen Sie das?

Sie haben es wahnsinnig eilig, verschlafen haben Sie auch, es ist noch finster draußen und der Hund will nicht und nicht sein Geschäft erledigen. „Mach endlich!“, drängen Sie ihn, Sie sind vielleicht ein paar Schritte aus dem Haus gegangen, zur nächsten grünen Insel wo die Zigarettenkipppen herumliegen, Sie sind noch schläfrig, ringsum beleuchtete Fenster, hinter deren Vorhängen mürrische Menschen nur darauf warten, hinauszubrüllen „Lassens den Hund nicht hersch..…!“, obwohl Sie eh ein Sackerl fürs Gackerl in der Hand halten, bereit, sofort in die Knie zu gehen und das Unaussprechliche wegzutragen, in Gedanken schon bei der Arbeit oder woanders, nur nicht hier bei Ihrem Hund, der endlich machen soll, was er grad nicht will, weil eigentlich niemand so was auf Befehl kann. Sie zappeln, werden nervös, schreien herum, schauen dabei ungeduldig aufs Handy, wollen schon im Auto sein und auf dem Weg nach dorthin, wo Sie bereits erwartet werden, wo Sie Leistung bringen müssen, die Kollegen werden Sie wieder schief anschauen, wenn Sie zu spät kommen und der Hund, der macht nicht weiter, obwohl Sie eh schon an der Leine herumzerren und ihn anherrschen, sich zu beeilen, während Sie gestresst die erste Zigarette rauchen. Spätestens im Büro werden Sie dann sagen, der Hund war schuld, weil er wieder mal nicht weitergetan hat mit Gassi.

Sie sind nicht so? Dann hat Ihr Hund ja noch mal Glück gehabt. Ich sehe solche Menschen tagtäglich auf den Straßen Wiens. Dort zwischen Auspuffgasen und abgestellten Autos müssen Hunde, die zwei Schritte morgens und zwei Schritte abends vor die Wohnungstüre geführt werden, geschwind alles erledigen, bekommen dafür niemals ein gutes Wort, Lob oder eine Streicheleinheit und haben dann wieder geduldig in der Wohnung auszuharren, bis ihre Menschen müde von der Arbeit nach Hause kommen. Dann geht ihnen der Hund erst Recht auf die Nerven, denn sie sind ausgelaugt vom Alltag und wollen ihre Ruhe haben und sich schon gar nicht mit dem Hund beschäftigen, der sich den ganzen Tag in einem müffeligen Zimmer zu Tode gelangweilt hat.

Eigentlich wollen diese Menschen gar keinen Hund. Eigentlich kann es ihnen auch kein Hund recht machen, denn egal, was er tut, ob er bellt, frisst oder an der Leine herumzerrt, weil er sich irgendwo irgendwann auch mal bewegen muss, ob er andere Hunde ankläfft, ob er in die Wohnung macht weil er nach zwölf Stunden nicht mehr warten konnte, weil er Durchfall hat und dann dafür Stunden später Haue kriegt, es spielt keine Rolle. Er kann manchen was er will, er kann es niemals richtig machen, er kann es solchen Leuten niemals recht machen.

Das sind keine Einzelfälle. Auch die gelangweilten Hundebesitzer, die auf Bänken diverser Hundezonen der Stadt Wien abhängen, rauchen, in ihre Smartphones starren oder sich mit anderen Menschen unterhalten, während der Hund am Zaun oder in Tornähe steht und eigentlich nichts anderes als von dort weg will, sind keinesfalls Einzelfälle.

Diesen speziellen Menschenschlag trifft man auch in diversen altehrwürdigen Hundeabrichteplätzen gerne an, die mit dem Alphagedöns, Sie wissen schon, die, wo jeder Hund durch muss. Ein „Hier!!!!!!“ wird gebrüllt. Kommt der Hund herbei geeilt, reicht das noch lange nicht aus. Er muss sich punktgenau vor die Person hinsetzen, auf den Zentimeter genau, auch in den tiefsten Matsch, die Nase nach oben halten und hechelnd zum Menschengott hinaufbeten, sonst ist es das nicht. Ist ein Zentimeter Abstand dazwischen wird gleich zurechtgeruckt. Gerne zerrt man dann auch mittels Nackengriff den Hund Richtung Bauchnabel falls grad kein Kettenwürger zur Verfügung steht. (Könnte man sich ja auch sonst ganz leicht die Finger damit verletzen!)

Na pfui. Ich möchte kein Hund bei solchen Leuten sein. Ich sehe täglich so einen armen Wurm von Hund an meinem Haus vorbeigehen, egal was er tut, der Besitzer wirft sich auf ihn und ruckelt an ihm herum, tritt ihn in die Weichteile und zieht ihm mit der Leine eins über.

Einundzwanzigstes Jahrhundert? Weit gefehlt. Die Stars aus dem Fernseher machen es möglich, dass man wieder steinzeitmässig Hunde dominiert. Die es uns unter gar keinen Umständen recht machen können. Obwohl sie ihr Bestes geben. Es sind nämlich Hunde. Keine Maschinen. Und auch keine Soldaten.

Was beim Gehorsam beginnt, hört auch beim Aussehen längst nicht auf.

Ohren zu schlapp? Gefällt ihnen nicht? Weg damit. In Tschechien geht das immer noch. Schwänze nicht schön genug oder nicht Rassestandard? Einfach abschneiden lassen! Im Ostblock geht immer was, Hauptsache Geld fließt, egal ob Welpenhandel oder Ohren kupieren.

Hunde färben, tätowieren, piercen, ihnen dämliche Frisuren machen und ihnen unmögliche Plastikmäntelchen vom Diskonter anziehen oder sie in Plastikhandtaschen wie modische Accessoires durch die Gegend schleppen, alles da.

Harter Drill, der Hund muss gehorchen wie ein Soldat, weil sonst! Sonst was? Sonst hätte er vielleicht ein schönes Leben? Tut er nicht eh schon alles hundemögliche um es uns recht zu machen, wo es nur geht? Klar tut er das. Doch es nützt ihm gar nichts. Menschen sind unersättlich in ihren Ansprüchen. Schnell stubenrein, am besten gestern noch und absolut perfekt muss der Hund sein. Und schön, bestenfalls jung und gesund. Krank, alt, nicht zuchtbuchmässig oder ungehorsam wird ausgemerzt, weggeworfen und vernichtet. Traurige Gesellschaft.

Es geht nicht nur den Hunden so, die sich fürchten müssen vor ihren jähzornigen, unberechenbaren Menschen, so wie der Hundewelpe bei mir ums Eck, der wirklich der bravste ruhigste Hund ist, den ich je kennengelernt habe und dessen „Besitzer“ sich, wie der Hühnerhabicht auf die Maus, auf seinen Hund stürzt und ihm eine mit der Faust auf den Kopf gibt, wenn er nicht gleich pariert. Wohlgemerkt, ein ohnehin ängstlicher Welpe, der sich am liebsten den ganzen Tag unterm Tisch verkriecht. Der Mensch selbst ein wohlbeleibter arroganter Parteibonze, beratungsresistent und egozentrisch; reich, aber zu geizig um den Tierarzt zu bezahlen, den er gerne gratis konsultiert. Der seine alte Mama abgeschoben hat ins Heim. Nicht mehr jung genug, nicht mehr selbstständig? Was Arbeit macht und nicht aufs Wort gehorcht kommt eben weg. Tür zu und Licht aus.

Warum ich das erzähle? Es tut mir jedes Mal weh, wenn ich so ein armes Schwein von Hund sehe mit so einem Menschen dran.

Ich kann es nicht verstehen.

Es sind möglicherweise auch genau die Menschen, die in jeder menschlichen Beziehung nie zufrieden zu stellen sind, und denen es auch die lieben Mitmenschen niemals wirklich recht machen können.

Anders kann ich es mir nicht erklären. Wohl deshalb nimmt der Beziehungsstatus „Single“ und „Es ist kompliziert“ dermaßen zu und endet in „Geschieden“. Und dann jammern alle, wenn sie irgendwann alleine und einsam sterben.

Das müsste nicht sein. Beim Hund beginnts, beim Menschen setzt es sich fort.

Wie sagte Mahatma Gandhi so treffend: „Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandeln.“ Unser Fortschritt ist vielerorts bereits ein Rückschritt.

Gottlob gibt es auch viele Menschen, die sich tatsächlich wie Menschen verhalten und ihre Hunde wie beste Freunde behandeln, sie lieben, wertschätzen, nichts von ihnen erzwingen, für sie sorgen und ihre Loyalität, Treue und Freundschaft zu schätzen wissen.

Diese Menschen werden niemals alleine und einsam sterben, selbst wenn sie keinen Lebenspartner finden, denn mit einem Partner auf vier Pfoten sind sie nie allein. Und einsam schon gar nicht.

So soll es sein!

Herzlichst Bela Wolf,

Tierarzt, Autor und Tiergesundheitsjournalist

https://tierarztwolfblog.wordpress.com/

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