Ich fordere: Mehr Hundeschule für Menschenkinder!

Mein Hund Fabio ist heute vier Jahre alt geworden. Nicht, dass er sich aus solchen Jubiläen etwas machen würde – auf mein morgendliches Geburtstagsständchen wurde mit Brechreiz reagiert.

Aber ich Frauchen werde da schon ein bisschen sentimental. Vier Jahre sind so schnell vergangen. Mir kommt es wie gestern vor, als die Kollegin vom Format ein Mail mit angehängtem Foto aussandte: Eine „handvoll Hund“ (die Hälfte seiner der Körpergröße entfiel damals alleine auf die Fledermausohren) würde ein neues zu Hause suchen. Die Nachbarn hätten es sich doch anders überlegt und wollten ihren Chihuahua-Mix-Welpen wieder hergeben. Spätestens als er kniehoch und zwölf Kilo wog war klar, dass es sich hier um so einiges handelt, nur sicher nicht um einen Schoßhund.

Ich erinnere mich heute noch gut an die Lektionen in der Hundeschule, die ja eigentlich eine Menschenschule ist. Denn nicht der Hund wird trainiert, sondern das Herrl. Auf aktuellstem, wissenschaftlichen Erkenntnisstand wird hier Hundepsychologie vermittelt: Nur drei Sekunden würde das Kurzzeitgedächtnis anhalten, was heißt, dass Bestrafungen nur sinnvoll sind, wenn Herr Wuffi bei frischer Tat ertappt wird. Wurde etwa in der Nacht der neue Teppich mit einem Haufen garniert, so kann sich der Besitzer seinen Zorn sonst wo hin pinseln – der Hund versteht dann nicht mehr, warum der Dosenöffner tobt.

Und freilich erfolgt das Trainieren nur durch Belohnung. Sitz, brav, Leckerli – eh schon wissen. Mindestens ein halbes Jahr lang verströmte ich permanent den Duft von Trockenfleisch, was mir als Vegetarierin freilich wohl gefiel. Dafür folgt Fabio heute brav. Zumindest teilweise ein bisschen.

Was ich mir allerdings während der gesamten Zeit in der Hundeschule durch den Kopf ging: Warum werden Hunde nach modernen psychologischen Standards erzogen – Menschenkinder hingegen nicht?

Es gibt eine Unzahl an Studien, die den lernpsychologischen Unsinn unseres Schulsystems belegen. So ist etwa die 50-Minuten-Lehreinheit darauf zurückzuführen, dass die ersten Schulen im Kloster entstanden und die Mönche einmal in der Stunde zum Gebet ausrücken mussten. An diesem Zeitschema wird heute also noch die Pinkelpause festgemacht. Danach Glocke, nächstes Fach. Dieser Fleckerlteppich an Kurzeinheiten ist jedoch unsinnig und verhindert jegliche Vertiefung mit dem Lernstoff. Es wäre viel sinnvoller, längerdauernde Schwerpunkte zu setzten – doch trotz dieser Erkenntnis hängt das Schulsystem noch immer im Mittelalter fest.

Statt auf Belohnung und Motivation wird noch immer auf Druck und Drill gesetzt. Die Neugierde und die Lust am Lernen wird Kindern mit allen Mitteln der Kunst ausgetrieben. Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch mit einem Wiener Volksschüler in der vierten Klasse, der panische Angst vor seinem Abschlusszeugnis hatte: „Hab ich nur einen Zweier, dann kann ich nicht auf das Gymnasium gehen, auf das ich will, denn dafür brauch ich lauter Einser. Ich will nicht in eine Hauptschule kommen!“ Er kam schließlich auf das Gymnasium seiner Wahl, was jedoch vorauszusehen war, schließlich sind seine Eltern Akademiker. Bildung wird in Österreich schließlich „vererbt“, was allerdings nichts mit der Genetik zu tun hat, sondern mit familiären Fördermöglichkeiten. Wer mit seinem Kind nicht lernen kann, oder kein Geld für Nachhilfe hat, der hat leider das nachsehen. Chancengleichheit schaut anders aus.

Die Mutter eines Erstklässlers berichtete mir verzweifelt, dass ihr Sohn bereits nach den ersten zwei Wochen nicht mehr in die Schule gehen wollte. Er war unendlich frustriert, da ihm die Lehrerin sämtliche Seiten seiner Hausübungen einfach durchstrich – sein Schriftbild war ihr zu schlampig. Dabei ist neurologisch längst belegt, dass sich die Feinmotorik von Buben langsamer entwickelt als jene von Mädchen. Diese wiederum werden fürs Bravsein und ihr schönes Schriftbild und weniger wegen ihrer schulischen Leistungen belohnt. Diese Sonderbehandlung hilft ihnen im späteren Arbeitsleben aber herzlich wenig – in der Berufswelt werden sie nämlich dann wiederum von den Männern abgehängt, die auf die altbewährte Ellbogentaktik setzen.

Und noch immer wird bei Prüfungen reines Faktenwissen abgeklopft. Diese können zwar schnell ins Kurzzeitgedächtnis gestrebert werden, sind jedoch genau so schnell wieder verpufft. Jedes Jahr quälen sich tausende von Schülern zur Matura durch – doch was wissen sie noch ein halbes Jahr nach der Reifeprüfung? Was in der Schule gelernt wird, ist nicht nachhaltig und fördert schon keineswegs die Kreativität, die jedoch in dieser schnellwandelnden Welt immer wichtiger wird.

Es könnte noch so vieles über das Schulsystem gesagt werden, doch ich möchte mit einem Zitat des Bildungsexperten Andreas Salcher schließen: „Die Schule ist vom Modell her so veraltet, als würde ich heute in einem Krankenhaus mit einem mittelalterlichen Aderlass behandelt werden.“

Die Zeit für eine Reform ist überreif. Die Menschenschule muss endlich mehr Hundeschule werden.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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