Offener Brief an Andreas Gabalier

Sehr geehrter Herr Gabalier,

als ich gestern zum Amadeus Austrian Music Award ging, habe ich eine sehr vorhersehbare Preisverleihung erwartet. Im Vorfeld war klar, dass Conchita Wurstder Star des Abends sein wird und natürlich musste Udo Jürgens auch noch einmal entsprechend gewürdigt werden.

Es war auch zu erwarten, dass Sie mindestens eine Trophäe mit nach Hause nehmen werden. Das haben Sie sich bei Ihren Erfolgen auch völlig verdient.

Doch was sich dann auf der Bühne des Volkstheaters abgespielt hat, ging weit über die Annalen der Musikindustrie hinaus. Ich meine sogar, in der Verleihung ein beklemmendes Spiegelbild der österreichischen Seele ablesen zu können.

Als Conchita Wurst ihre Preise unter tosendem Applaus entgegen nahm, stellte sich bei mir zunächst das Gefühl ein, dass damit auch die Toleranz ein Stück weit gesiegt hat.

Doch dann betraten Sie die Bühne – und haben mich schnell wieder auf den Boden der Realität geholt. Nicht nur, dass sie all jenen, die Sie letztes Jahr daran erinnert haben, dass in der Bundeshymne neuerdings auch die Töchter besungen werden, ausrichten ließen, wie lächerlich ihre Kritik doch sei, nein, Sie legten noch eines nach: „Heutzutage hat man es halt schwer, wenn man als Manderl auf ein Weiberl steht.“

Woher kommt dieser Trotz?

Mir ist klar, dass Sie mit Ihrer Meinung nicht alleine sind. Das hat die Debatte, die Sie letztes Jahr ausgelöst haben, als Sie beim Formel-1-Rennen in Spielberg den alten Text der Nationalhymne sangen, durchaus gezeigt. Auch damals ging mir nicht ein, warum die Einforderung des kleinen Wörtchens „Töchter“ derart heftige Reaktionen auslösen kann.

Wir leben leider in einer Welt, in der Frauen noch immer in mancherlei Hinsicht benachteiligt sind (Gehalt ec.) und Homosexuelle (laut Schätzungen immerhin 5 bis 10 Prozent der Weltbevölkerung) um eine rechtliche Gleichstellung kämpfen. Als Manderl, das auf Weiberl steht, sind Sie heutzutage klar im Vorteil.

Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie sich aktiv an diesen Kämpfen beteiligen. Als bekannter Musiker haben Sie jedoch eine gewisse Vorbildwirkung. Und daher wäre es schön, wenn Sie es einfach tolerieren könnten, dass es Manderl gibt, die auf Manderl stehen. Und Weiberl, die auf Weiberl stehen. Und dann gibt es auch so wunderbare, schillernde Wesen wie eine Conchita Wurst, die Österreich nun sogar den Songcontest beschert hat.

Warum können Sie sich nicht einfach mit ihr freuen?

Mit freundlichen Grüßen,

Tina Goebel

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