Der böse Osten und die westdeutsche Lust am Untergang

Nun, Herr Höcke ist gewiss kein Sympathieträger. Und er mag auch etwas aus der Zeit gekommene Ansichten vertreten, aber ist er deswegen gleich ein Nazi? Und wenn ja warum? Weil er in einer Talkshow, die einberufen wurde, um über ihn Gericht zu halten, die Deutschlandfahne gezeigt hat? Ist das Zeigen der Nationalflagge jetzt verboten? Ist sie das Symbol der Verfassungsfeinde? Das wäre mir neu. Obwohl Angela Merkel deutlichen Widerwillen gegen die deutsche Fahne hegt, wie sie nach der Bundestagswahl 2013 klar zu erkennen gab. Ich bin auch kein Freund von Pathos, wie ihn zum Beispiel Russen oder Amerikaner zu ihren Nationalfeiertagen zur Schau stellen. Aber die eigene Staatsflagge wie das Tuch eines Aussätzigen zu behandeln, das geht mir nun doch etwas zu weit. Und bei unseren Nachbarn in Europa wird dies wohl auch niemand verstehen können. Milder Spott ist hier wohl das wenigste, was wir da zu erwarten haben.

Aber bleiben wir beim Aussätzigen. Das ist ein gutes Stichwort. Es wird in diesen Tagen viel über den Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland philosophiert. Die Ostdeutschen kommen da nicht gut weg. Sie sind alle furchtbar rechts. Die „Zeit“ möchte gar einen „Reichsverweser“ die Macht in Sachsen übernehmen lassen und wohl am liebsten auch alle Ostdeutschen in Lager sperren. Das ist Demokratieverständnis a la Zeit und eine Haltung, die den Autor zum Aufseher eines sowjetischen Gulags befähigt hätte, denn auch dieses diente schließlich nur der guten Sache und dem Kampf gegen die Reaktion.

Doch zurück zu den Unterschieden zwischen Ost und West. Sie liegen in der Zeit zwischen 1945 und 1989 begründet und im Umgang mit dem Nationalsozialismus. In beiden deutschen Staaten wurde dieser aufgearbeitet, in beiden wurden Verantwortliche zur Verantwortung gezogen, manche weniger, manche mehr, bei manchen machte man Ausnahmen, wie das nach geschichtlichen Brüchen nun mal so ist. Dennoch gibt es einen Unterschied. Im Osten war die Aufarbeitung so etwas wie eine Katharsis, nach der Abrechnung mit dem Nationalsozialismus zählte man sich mit der Einführung der „Diktatur des Proletariats“ zu den Siegern der Geschichte und richtete den Blick nach vorn. Im Westen gefiel man sich in der Rolle des ewigen Büßers und zerfloss in Selbsthass darauf Deutscher zu sein – seltsamerweise steigert sich dieser Selbsthass je weiter die Zeit des Nationalsozialismus zurück liegt. Diese masochistische Starre wurde dadurch versüßt, dass man im Gegensatz zu den Brüdern und Schwestern im Osten praktisch keine Reparationen zu zahlen hatte und ein Wirtschaftswunder genoss. Man büßte sozusagen, ohne büßen zu müssen - wie praktisch. Das war für Den Doofen Rest (DDR) anders, dort zahlte man brav Reparationen. Dafür reklamierte man für sich, aus der Geschichte die richtigen Lehren gezogen zu haben und sah sich nicht veranlasst, in einer Dauerbüßerpose zu verharren.

Im Osten ist daher der Blick freier und das Selbstbewusstsein größer und wohl auch der Stolz darauf Deutscher zu sein zumindest etwas ausgeprägt. Denn im Osten sieht man durchaus auch die positiven Seiten der deutschen Geschichte vor 1933. Im Westen dagegen fängt die Geschichte Deutschlands scheinbar erst 1933 an. In einer Bewährungssituation wie der gegenwärtigen Flüchtlingskrise müssen daher die Reaktionen unterschiedlich sein. Im Osten werden in der Krise eher die Gefahren für Deutschland gesehen. Im Westen wird – das ist leider kein Scherz – der Flüchtlingszustrom oft genug als Chance zu Überwindung Deutschlands gesehen. Wenn daher ein Herr Fleischhauer im Osten eine seltsame Lust am Scheitern erkannt haben will und deswegen sogleich die Wiedervereinigung in Frage stellt, so hat er eine sehr heftige Wahrnehmungsstörung, denn die seltsame Lust am Untergang des Deutschen ist doch ganz eindeutig im Westen verortet.

Natürlich sind Übergriffe auf Flüchtlingsheime und Brandstiftungen zu verurteilen, so wie auch linksextreme Anschläge auf Politikerbüros der AfD oder Krawalle in Kreuzberg und Leipzig eigentlich verurteilt werden sollten, was aber nicht geschieht. Für Clausnitz oder Bautzen die AfD verantwortlich zu machen oder gar den armen Herrn Tillich ist für Medien und Parteien mehr als bequem, doch ebensolcher Unfug. Man stelle sich vor, eine Million Menschen wären innerhalb eines Jahres nach Frankreich, Großbritannien oder Italien gekommen. Bitte glaube doch keiner, dass das reibungslos über die Bühne gegangen wäre. Abgesehen davon: Wir schimpfen nun vor allem immer wieder über die bösen Polen, Ungarn und Tschechen – haben denn unsere französischen Freunde oder die Briten so wie wir Flüchtlinge aufgenommen? Ist mir da etwas entgangen? Selbst Schweden und Österreich haben längst einen Rückzieher gemacht. Nur die deutsche Politik skandiert weiter stereotyp „Refugees welcome“. Wenn aber die politische Klasse ein Problem beharrlich ignoriert, muss sie sich nicht wundern, wenn das Volk rebelliert, das war schon immer in der Geschichte so. Rebellieren kann es jedoch nur dort, wo es sich selber noch als Volk definiert (Osten) und nicht, wo es sich bereits aufgegeben hat und die eigene Auflösung als Strafe für Verfehlungen der Vergangenheit herbeisehnt (Westen).

Und hier sind wir am springenden Punkt. Die Deutschen, die 1945 geboren wurden, sind inzwischen 70 Jahre alt. Wer 1933 bei der Machtergreifung Hitlers geboren wurde, ist nun weit über 80. Den Nationalsozialismus hat er nur als Kind erlebt. Wer unter Hitler persönlich Schuld auf sich geladen hat, ist, so er denn noch lebt, mindestens um die 90. Wenn wir Deutschen uns im Jahr 2016 immer noch nur über die Schuld unserer Urgroßväter definieren sollen, haben wir nicht nur ein Problem mit der Vergangenheit, sondern insbesondere mit der Zukunft. Wer die Vergangenheit dafür herhalten lässt, dass wir unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen müssen, muss sich nicht wundern, wenn er Unverständnis erntet und möglicherweise wirklichen Rechtsextremismus fördert. Die Flüchtlingskrise offenbart daher weniger ein Problem der Ostdeutschen, die sich nicht anders verhalten, als der Rest Europas, auch Westeuropas. Sie offenbart aber ein Problem der Westdeutschen und des linken Mainstreams. Sie müssen sich entscheiden, ob sie der Lust am Untergang weiter frönen wollen, oder ob ihnen doch zumindest ein klein wenig liegt an diesem Deutschland. Dazu gehört dann allerdings auch die Erkenntnis, dass die Befürwortung eines unbegrenzten Zustroms von Flüchtlingen kein Akt der Humanität und schon gar kein Erfordernis der Geschichte ist, sondern allenfalls ein Akt von Dummheit. Und dazu gehört auch die Einsicht, dass es möglicherweise kontraproduktiv ist, die Ostdeutschen immer wieder pauschal zu verunglimpfen, nur weil einige Idioten Asylheime anzünden, zumal dies auch im Westen bereits vorgekommen sein soll – wie man gelegentlich hört.

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