Es gibt vermutlich keiner bedeutenderen Wahrheiten als jene denen man zustimmen muss obwohl sie von Menschen kommen die man ablehnt. Diese Wahrheiten sind unbequem, aber bedeutend.

Für mich ist eine so eine Wahrheit der Drift zur Oligarchie (die Macht liegt bei Wenigen).

Praktisch jedes System tendiert zu Oligarchien, zu Systemen in denen Wenige über viele herrschen, nicht weil sie es gut können, sondern weil sie sich auf Strukturen stützen die sie vor der Masse schützen, um ihnen Dinge erlauben die der Beherrschte nicht darf.

Das wirklich Fürchterliche an der Sache ist, dass jede Oligarchie auf einem meritokratischen (die Macht liegt bei den Fähigsten) Fundament steht. Die inzestuösen Könige des Mittelalters herrschten nicht, weil sie gut darin waren, sondern weil ihre Vorfahren ein System etablierten das garantierte, dass ihre Kinder und Kindeskinder an der Macht sein würden.

Diese Architekten dieser Systeme waren aber sehr oft durchaus fähig und erhielten Macht, weil sie etwas gut konnten das für ihre Mitmenschen von so großem Nutzen war, dass diese sich (mehr oder weniger) freiwillig unterwarfen.

Die Bauern des frühen Feudalismus gingen sehr oft freiwillig zum Kommandanten einer Festung und boten ihre Unterwerfung für Schutz.

Die Tributzahlungen waren schlicht günstiger als die Räuberüberfälle. Eine Win-Win Situation also.

Der Bauer ging aber nicht zum nächstbesten Warlord, er ging zum Besten, zu dem der den Ruf hatte Schutz wirklich zu gewähren. Aus diesen Warlords wurden Könige und aus der Übereinkunft die für beide nutzen hatte wurde bald ein System von dem der König mehr Nutzen hatte als der Bauer, vorwiegend weil der Bauer irgendwann nicht mehr gefragt wurde und keine Wahl mehr hatte. Und das war nicht unbeabsichtigt.

Alle Systeme, egal ob ein Königreich, ein Verein oder eine Partei werden von jenen dominiert die führen und in all diesen Systemen herrschen zuerst wirklich fähige Menschen die dann langsam aber sicher durch Menschen ersetzt werden die in diese Macht quasi hineingeboren werden. Und die geben sie nicht mehr her.

Auch das ist verständlich: ein System im Aufbau lockt Menschen an die Dinge aufbauen wollen, ein System mit ethablierter Macht lockt die Machtgeilen, welche die Produktiven vertreiben.

Akzeptiert man das als Realität, also den Umstand, dass jedes System, egal wie meritokratisch, rein, gut, idealistisch, demokratisch oder sonst „gut“ sei, früher oder später von Menschen so modifiziert wird das es ihnen und ihren (biologischen oder idealistischen) Nachfahren nutzt, bleiben einem, sofern man nach Stabilität strebt, nur zwei Möglichkeiten: man sieht das als ein Problem an (liberaler Ansatz) oder akzeptiert es als natürlichen Endpunkt jeder Entwicklung (autoritärer Ansatz).

Oder man zieht in Betracht, dass die Sache komplexer ist.

Der Schlüssel zu dieser Überlegung ist der Ansatz eines ewigen Kreislaufes. Das kommt aber mit einer Akeptanz ständiger Instabilität und ewigem Wandel und akzeptiert dass wir beides brauchen: stagnierende Sicherheit und chaotischen Fortschritt.

Um den Punkt wirklich heimzutreiben:

Oligarchien sind recht stabil, weil ihre Strukturen starr sind, sie sind aber unproduktiver und tendieren zur Stagnation, vorwiegend weil die herrschende Klasse mehr und mehr Energie auf Machterhalt konzentriert.

Meritokratien sind chaotischer aber produktiver und treiben den Fortschritt an, verwandeln sich aber früher oder später in Oligarchien, die dann stagnieren und unter ihrem eigenen Gewicht kollabieren um dann in der darauffolgenden Krise durch Meritokratien ersetzt werden.

Die menschliche Tendenz sich von Oligarchen beherrschen zu lassen ist im Grunde unbestreitbar, genauso wie auch der Zusammenbruch besagter Oligarchien (früher oder später) eine Gewissheit darstellt. Das Problem ist die Lebenserwartung der Systeme. Meritokratien sind scheinbar recht kurzlebig, Oligarchien hingegen sind deutlich langlebiger.

Für den Ottonormalverbraucher ist die Meritokratie besser, weil er dort zumindest eine Chance auf Erfolg hat, wohingegen er in einer Oligarchie nicht nur gegen die Oligarchen konkurrieren muss sondern auch noch gegen das System das die Oligarchen kontrollieren um sich selber Vorteile zu verschaffen, dafür ist die Oligarchie aber eben auch sicherer: der Oligarch versorgt seine Untergebenen mit genügend damit diese nicht beginnen über Rebellionen nachzudenken. Aber nicht mehr.

Dieses Wenige kann aber mehr sein als jemand der in einer Meritokratie keinen Erfolg hat. Und genau das ist ein unheimlich gutes Verkaufsargument der Oligarchen das viele im Volk ein System bevorzugen lässt in dem sie zwar im Schnitt weniger haben, aber im Extremfall genügend um zu überleben.

Menschen sind scheinbar bereit auf 80% zu verzichten, wenn sie im Versagensfall, selbst wenn der nur in 1% der Fälle eintritt, eine Überlebensgarantie haben. Und genau das versteht die Elite seit den allerersten Zivilisationen und malt Schreckgespenster an alle Wände.

Ist das ein Problem?

Für manche schon aber vermutlich nicht für die Meisten. Vermutlich ist das einfach ein Teil unserer Natur als soziales Tier und unsere Bereitschaft zu knien, mehr noch: unsere Lust uns jemandem zu unterwerfen der verspricht unsere Probleme zu lösen, ist der Grund warum wir knien und auf einen besseren Herrscher hoffen anstatt aufrecht gehend selber die Welt zu verbessern.

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Matt Elger

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SusiK

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