Die Nachfrage nach Feinden ist oft höher als das Angebot

Irgendwann, als ich im zarten Alter zwischen 10 und 12 war, war es in meiner Schule sehr beliebt sich als Zugehöriger einer von zwei Banden zu verstehen. Die Banden taten natürlich überhaupt nichts und hatten mit echten Banden gar nichts gemein. Vermutlich war es ein Versuch unserer jungen Psychen den Tribalismus zu erforschen.

Schon am ersten Tag wurde völlig offensichtlich, dass die eine Bande völlig überladen war und die andere nicht wirklich existierte. Jeden Tag liefen die Kinder herum und fragten stets zu welcher Bande man denn gehörte und stets war die Antwort die Gleiche. Das war natürlich frustrierend für jene die auf einen Kampf aus waren.

Ich persönlich hatte schon damals eine gewisse Abneigung gegen Gruppen und antwortete sehr lange: „Weder noch“.

Als dann langsam offensichtlich wurde dass die „Anderen“ nicht existierten erweiterten die Raufbolde ihre Definition. Plötzlich waren wir, die nicht bei diesem Spiel mitspielen wollten, die "Anderen". Die Theorie war dass wir „in Wirklichkeit“ eh auf der Feindesseite stehen würden und es uns nicht zu sagen trauten.

Recht bald führte das dazu, dass nach und nach alle Neutralen eben erklärten sie wären Teil der Guten. Das machte die Situation der Streitlustigen nicht wirklich besser da sie jetzt wieder Feinde suchen mussten. Also postulierten sie dass man nur wirklich bei der Bande dabei wäre wenn man sich entsprechend verhalten würde und das bedeutete man habe zu machen was sie sagen.

An dieser Stelle wurde das Spiel ernst und es bildete sich so etwas wie eine wirkliche Bande im Kern des Spieles, mit Machtstruktur und all den Dingen die ich an Gruppen so gruselig finde.

Es brauchte natürlich nur wenige absurde Forderungen wie „den Lehrer anzuspucken“ um das Spiel dann rasch zu beenden. Wir spielten einfach nicht mehr mit und der ganze Zauber verschwand so schnell wie er gekommen war und wurde durch ein deutlich harmloseres Spiel ersetzt.

Im Kleinen durchspielten wir also eine Situation in der wir uns heute befinden. Menschen die Streit suchen postulieren dass es zwei Seiten gäbe, die einen wären sie und die andren Anhänger einer vor 4 Generationen besiegten mörderischen Ideologie. Sie behaupten sie wären ein Gegengewicht zu einer Gruppe die zumindest so groß wäre wie sie selber. Vermutlich größer.

Blöderweise findet man diese Anhänger seltener als Schweineschnitzel im Dönnerladen. Natürlich, es kommt schon vor aber es ist eben eher eine Seltenheit. Es gibt dazu sogar einen Witz:

Ein Antifamitglied brüllt auf der Straße dass wir alle Nazis in Mitteleuropa umbringen sollten, ein Passant schaut ihn fragend an und sagt „Echt? Alle 12?“

mw.de http://www.nw.de/_em_daten/_cache/image/1xPzvo8DiNknJ-jIeaTT8RZAUEAK_56kRQX05wztPUusMijeQUwFXomw/180415-0851-62097758.jpg

Das Ende des Spieles ist erreicht. Die absurden Forderungen wurden ausgesprochen und der Großteil der Menschen hat die Nase voll von dem Spiel. Jede Anschuldigung irgendwas zu sein wird zunehmend achselzuckend akzeptiert.

Bin ich eben ein Wasauchimmerist. So what?

Interessiert doch keinen mehr.

Die Nachfrage nach den Bösewichten ist fast immer größer als das Angebot. Soweit ist das nichts Neues. Eventuell braucht die Gesellschaft aber eben eine Generation lang dieses Spiel zu spielen, ein Spiel das wir am Schulhof in 2 Monaten hinter uns gebracht haben.

Die Frage die bleibt, ist was passiert hinterher? Im Schulhof war das Spiel rasch vergessen. Überwinden wir als Gesellschaft diesen Unsinn auch, vergessen wir die Hexenjagden und Anschuldigungen und schicken nur den harten Kern in Aus, oder bleibt der Bruch noch länger bestehen?

Ich hoffe innständig dass wir in 5 Jahren nur noch einen Bruch sehen, einen Bruch zwischen jenen die uns in einen Bürgerkrieg treiben wollten und den 90% die nicht mehr wollen als einfach in Ruhe ihr Leben zu leben.

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Liebe Zeit

Liebe Zeit bewertete diesen Eintrag 16.01.2020 12:10:02

Dieter Knoflach

Dieter Knoflach bewertete diesen Eintrag 16.01.2020 10:21:31

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