Was uns trennt, ist die Angst vor der Verantwortung

Sollen Menschen die Suppe auslöffeln, die sie sich selber eingebrockt haben? Typischerweise stellen wir diese Frage wenn es darum geht ob Politiker für einen Unsinn geradestehen sollen den sie verursacht haben aber die Frage greift weiter und ist im Grunde zentral für unsere rezenten politischen Debatten.

Die Frage kann, im Extrem mit Ja und Nein beantwortet werden, aber in der Realität formuliert jeder Ausnahmen. Die Realität ist also eine Debatte über die tausenden unterschiedlichen Jein’s die möglich sind. Menschen sollen Verantwortung übernehmen, aber nicht für alles, ist die vorherrschende Meinung.

Klassisch argumentiert der rechte Flügel für mehr Selbstverantwortung und der linke Flügel für weniger.

Die Motivationen dahinter sind einfach.

Der rechte Flügel argumentiert, dass Menschen schlicht bessere Entscheidungen treffen, wenn sie die Konsequenzen, sowohl gut wie schlecht, selber ertragen müssen (oder dürfen). Diese guten Entscheidungen, wie etwa eine Firma zu Gründen die Dinge herstellt, die möglichst viele Menschen haben wollen, führt zu mehr guten Dingen in der Welt.

Der linke Flügel argumentiert aber damit, dass wir nur einen Teil unserer Suppe selber einbrocken und den größten Teil eingebrockt vor uns finden. Ein Kind eines Reichen hat mehr Startkapital, mehr Kontakte und mehr Wissen was Geld angeht, als das Kind eines Arbeiters, entsprechend hat das reiche Kind einen Startvorteil, eine klarere Suppe.

Ein Teil der Linken will daher, dass alle möglichst gleiche Chancen haben. Der rivalisierende Teil der Linken aber argumentiert, dass alle Menschen eben Menschen sind und als solches, weil wir alle gleich sind, alle das Gleiche haben sollten, unabhängig davon was wir sind und auch von dem was wir tun oder getan haben.

Alle diese Argumente haben etwas für sich, in der Theorie.

In der Praxis ist nur eben die Theorie weiter von der Praxis weg als es theoretisch möglich sein sollte.

Die Praxis ist, dass es Menschen von Konsequenzen entwöhnt, werden können.

In unserer Gesellschaft gibt es Jobs die, je nachdem ob man gute oder schlechte Arbeit leistet, mehr oder weniger bekommt oder aber eben immer das Gleiche. Einer meiner Professoren war fürchterlich und lehrte Dinge die es in der Praxis nicht mehr gab. Studenten hassten ihn und seine Kollegen verachteten ihn. Ihm war das aber egal. Auf die Frage, warum er nach dem Fall der Sowjetunion noch immer sowjetische Normen vortrug, meinte er dass er den Studenten keine Rechenschaft schuldig sei.

Er lehrt was er will und wenn das falsch ist, „solle man ihn eben Akten schlichten lassen, er habe ein Recht auf sein Gehalt so oder so“. Der alte Mann verkörpert damit für mich das Problem des Bürokraten, ich bin mir aber sicher, jeder kennt so jemanden.

Der alte Mann sah sich als über Konsequenzen stehend und solche Leute hassen und verachten Menschen die wollen, dass Handlungen Konsequenzen haben sollen, weil sie sehr genau wissen, dass sie selber in solch einer Gesellschaft ein Problem haben, weil sie wissen, dass sie nicht nützlich sind. Der alte Mann kostete vermutlich die Summe aller Steuern von 4 oder mehr Arbeitern. Vier Arbeiter zahlten Steuern nur damit er einen Job hatte, einen Job der Werte schaffen sollte aber eben nicht tat, weil es absolut nichts gab um ihn zu disziplinieren und dazu zu bringen zu tun wofür er eigentlich bezahlt wurde. Das ist unfair, den steuerzahlenden Arbeitern gegenüber, den Studenten und der Gesellschaft. Aber es war großartig für den alten Mann.

Der ideologische Konflikt hat eine geographische Komponente: die Stadt mag tendenziell weniger „Accountability“ und das Land mehr. Der englische Begriff trifft die Idee besser, gemeint ist aber eben ob man für die Dinge die man getan hat gerade stehen muss oder eben nicht.

In Europa, das völlig verstädtert ist, hat sich die Lebensweise des Bürokraten als Ideal durchgesetzt, Amerika ist aktuell in einem ideologischen Bürgerkrieg, wobei die MAGA Republikaner für Accountability eintreten, die RINO-Republikaner und Demokraten aber die europäische Philosophie übernehmen wollen.

Das Problem ist aber am Ende des Tages keine Frage der Wirtschaft, des Wohlstandes, Stabilität oder Moral. Das Problem ist Angst davor die eigenen Konsequenzen ertragen zu müssen und ein Großteil der Menschen in der entwickelten Welt musste nie eine Konsequenz ertragen.

Man wuchs behütet auf, fand einen bequemen Posten im Amt, den die Mama organisiert hat, hat keine Kinder und ist eben einmal im Jahr mit der Planung der Ferien etwas überfordert und fragt sich ob es fair ist, dass man die Reise zahlen muss, wenn man plötzlich krank wird.

Die Konsequenz ist eine infantilisierte Gesellschaft, eine Gesellschaft voller Menschen die alt geworden sind aber immer noch Kinder sind.

Erwachsen wird man nicht mit 18.

Erwachsen wird man wenn man Verantwortung übernimmt.

Entsprechend ist eine wesentliche Forderung der Linken eigentlich: „Lasst uns Kinder bleiben“, wobei der Staat die Funktion der Eltern übernehmen soll: der Staat soll schimpfen wenn man sich moralisch falsch verhält, Streits zwischen den Menschen schlichten, die Menschen versorgen mit dem was sie brauchen und so weiter und so fort.

Und diese Forderung ist verständlich. Nichts macht einem Menschen der nie Verantwortung übernommen hat mehr Angst als Verantwortung. Keiner von uns war anders. Wie war es als wir aus dem Elternhaus auszogen, das erste mal mit einem Auto selber fuhren, unsere Kinder das erste Mal im Arm hatten, war da nicht immer ein Gefühl von Panik dabei? Aber war der Schatten der Panik nicht auch immer überstrahlt von dem Gefühl des Neuen, des Wachstums, dem Hochgefühl das man nur hat wenn man Verantwortung übernimmt?

Für viele Menschen ist der letzte Satz nicht verständlich, weil sie im Schatten der Verantwortungslosigkeit existieren, ängstlich vor den Strahlen der Verantwortung versteckt, wie Skorpione in der Wüste.

Hat eine Gesellschaft, in der jeder bevormundet wird, eine Zukunft? Ich bezweifle es, aber das ist für die Skorpione auch nicht wichtig. Für sie ist nur relevant, dass die Angst vor der Verantwortung sie dazu zwingt zu tun was sie tun, zu sagen was sie sagen und zu glauben was sie glauben. Und so grinsen sie, wenn man sie auffordert etwas Sinnvolles zu tun und sagen dass sie ein Recht auf ihr Gehalt haben und ihnen nichts schlimmeres passieren könne als dass man sie Akten schlichten schickt.

Und wenn der Anteil dieser Menschen eine Mehrheit ausmacht, hat man ein ernstes Problem.

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Tourix

Tourix bewertete diesen Eintrag 03.06.2025 14:27:58

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