Sieht man von der äußeren Form der Ereignisse in der „Alternative für Deutschland“ (AfD) am Mittwoch ab, so lassen sich durchaus Parallelen zu Phasen der ebenfalls rechtspopulistischen FPÖ ausmachen. So auffallend sogar, dass sich spontan ein Déjà-vu aufdrängt. In Österreich kann man sagen: Alles schon da gewesen!

Die überraschende Verzichtserklärung via Videobotschaft der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry auf eine Spitzenkandidatur jeglicher Art – allein oder im Team – bei der Bundestagswahl im September legte den Richtungsstreit in der Partei zwischen hemmungslosen Oppositionswilligen und Regierungsbereiten offen. Auch wenn es sich nur um eine Machtprobe der Vorsitzenden vor dem Parteitag in Köln am Wochenende handeln sollte, kann man jetzt schon ahnen, wie dieses Parteitreffen ausgehen kann: Geschlossenheit wird wohl nicht herzustellen sein. Wenige Monate vor der Bundestagswahl grenzt das nicht nur an Selbstbeschädigung, sondern ist eine.

Die FPÖ hat ähnliches schon 15 Jahre hinter sich. Bei einem außerordentlichen Parteitag in Knittelfeld, einem bis dahin weitgehend bedeutungslosen Ort in der Steiermark, prallten 2002 die rechten Fundis mit den rechten Realpolitikern derart aufeinander, dass die Partei daran zerbrochen wäre – hätte ihr nicht zwei Jahre davor nach trickreichen Entscheidungen die konservative ÖVP als Juniorpartner zur Regierungsbeteiligung verholfen. Das Zerbrechen war aber nur aufgeschoben. Drei Jahre später war es so weit.

Manche Argumente, die heute innerhalb der AfD gegen den Kurs Petrys Richtung Regierungsfähigkeit vorgebracht werden, klingen wie ein Echo aus Knittelfeld. Die FPÖ erholte sich lange nicht davon – trotz neuerlicher Aufnahme in die Koalition mit der ÖVP.

Auch die Kommentare am Mittwoch in deutschen Medien, wonach außer Petry niemand in der AfD das „Format“ und die Bekanntheit habe, um als Spitzenkandidat in fünf Monaten zu reüssieren, klingt bekannt: In der FPÖ hatte auch lange Zeit in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit niemand das Format – oder was immer – eines Jörg Haider.

Die Ähnlichkeiten gehen aber bis ins kleinste Detail. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke soll Medienberichten zufolge beim AfD-Parteitag in Hannover im Februar mit Absicht um Stunden zu spät eingetroffen sein und durch den tosenden Applaus seiner Anhänger eine Unterbrechung des Ablaufs erzwungen haben.

Alles schon da gewesen! Auch Jörg Haider hatte diese Methode immer wieder angewendet. Das Muster war gleich. Vor den Parteitagstüren standen seine Sekretäre – zuerst mit Funkgeräten, dann mit Handys – und gaben an einem bestimmten Punkt der Tagesordnung, bei einem bestimmten Redner das Signal: Die Türen flogen auf, Haider zog mit großem Tross ein und erreichte so zweierlei: Die gesamte Aufmerksamkeit der Delegierten galt ihm und der Politiker am Wort wirkte subaltern. Jeder sollte wissen, wer hier der Anführer ist. Das Spiel wiederholte sich immer und immer wieder.

Petry wollte Höcke wegen seiner Rede in Dresden im Jänner 2017 aus der Partei wegen zu großer Nähe zu NS-Gedankengut ausschließen. Seine Anhänger hielten dagegen. Die Rede ist in der Tat gespickt mit Codes und Signalen. Sein Toben gegen die „dämliche Bewältigungspolitik“ der Geschichte Deutschlands ist ein unmissverständlicher Tabubruch. Das Holocaust Mahnmal in Berlin bezeichnete er als „Denkmal der Schande“ und forderte: „Wir brauchen so dringend wie niemals zuvor eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, „keine hohlen Phrasen mehr“, „eine lebendige Erinnerungskultur, die uns vor allem Dingen und zuallererst mit den großartigen Leistungen der Altvorderen in Berührung bringt“. Das konnte jeder verstehen wie er wollte, ein bewusster Tabubruch in Deutschland ist die Passage jedenfalls.

Doch wie die FPÖ mehr unter Haider als jetzt - andere Themen wie Flüchtlingspolitik und Sicherheitspolitik sind in den Vordergrund gerückt – lebt die AfD vom Tabubruch, vom Überschreiten aller Grenzen in ihren Reden, von der Missachtung aller Prinzipien – und vor allem von der Verletzung sämtlicher Spielregeln in der Politik.

Das verwirrt einerseits die traditionellen politischen Parteien und macht sie reaktionsschwach. Es kann sich aber auch – wie ebenfalls in der FPÖ in der Mitte der Zweitausender Jahre zu beobachten war – gegen die Partei selbst richten. Wer mit Tabubrüchen, Prinzipienlosigkeit und Verachtung geltender Usancen nach außen Erfolg hat, der wird die Methode auch nach innen anwenden. Parteien dieser Art haben immer etwas Destruktives – nach außen und innen.

Kein Wunder also, dass sich so keine Strategie entwickeln lässt, an die sich alle halten. Hätte Petry die Geschichte der FPÖ bis 2013 studiert, sie hätte einiges lernen können.

Harald Bischoff / Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Frauke_Petry#/media/File:Frauke_Petry_5195.jpg

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