EUrdogan: Türkische Rettung des Abendlands

Ich bin bekanntlich kein Fan des Europäischen Rates oder der EU im Allgemeinen. Diese ganze Verlagerung von lokal angebautem Lobbyismus nach Brüssel schwächt die heimische Freunderlwirtschaft. Das widerspricht nicht nur der föderalistischen Kultur unseres Landes. Aber bei den aktuellen Verhandlungen der Türkei machen unsere Regierungschefs alles richtig. Auch wenn man's nicht gleich bemerkt.

Ich spreche natürlich nicht von den Millarden für Ankara. Die sind bloß das traditionelle Geschenk, das einem Sultan gebührt. Dafür gibt's bei künftigen Audienzen so viel türkischen Honig wie sich die Gäste ums Maul schmieren können. Das Versprechen zur möglichen Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen zwischen Türkei und EU hingegen ist außergewöhnlich genial. Sie könnten viele politische Probleme beseitigen. Hier ein paar.

Meinungsfreiheit: Die Vertreter Spaniens machen sich Sorgen wegen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei. Weiß nicht genau, was die meinen. Als ich zuletzt durch die größte türkische Tageszeitung, Zaman, blätterte, war alles voller Lob für den großen Erdogan. Dafür musste ich nicht einmal Türkisch verstehen.

Außerdem hat Spanien hier ein kleines Glaubwürdigkeitsproblem, nachdem seine alte Regierung 2015 - offenbar anlässlich des 50. Todesjahres ihres geliebten Diktators Franco - das Versammlungs- und Demonstrationsrecht abschuf. Das existiert in der Türkei wenigstens noch formal. Aber worüber sollte man streiten, wenn die Türkei EU-Mitglied wäre? Dann würde man das Thema Zensur einfach zensieren. So wie in Spanien oder Ungarn oder Großbritannien. Weil EU-Mitglieder sind grundsätzlich so sehr meinungsfrei, dass sie es selbst dann sind, wenn sie es nicht sind. Steht alles im Kleingedruckten unserer Verträge.

Asylpolitik: Seit jeher wird Dublin kritisiert. Wegen rebellischen Iren, ständigem Regenwetter und einem öffentlichen Bus-System, das mehr Touristen spurlos verschwinden lässt als das Bermuda-Dreieck. Aber auch, weil Dublin I, II und III beschlossen haben, dass Flüchtlinge in Zukunft nur noch das Problem jener Staaten wären, die so dumm waren, sich am südlichen Rand der EU anzusiedeln. Warum diese freiwilligen Außenseiter überhaupt zustimmten? Vielleicht erwarteten sie sich ein Rotationssystem: "Okay, Italien, nächstes Jahr liegst du in Skandinavien. Stockholm, du darfst dann das echte Venedig spielen."

Die EU-Außengrenzen sind das Problem. Entweder sie sind zu nahe dran am reichen Euro-Rest. Oder sie sind zu weit von den Krisengebieten entfernt. Mit der Türkei als Mitglied, wäre die EU-Außengrenze endlich dort, wo sie hin gehört: Weit weg von W/Resteuropa und am (Wüsten-)Sand.

Bürgerkrieg: Diese Kurden sind schon ein bisserl selbst schuld. Endlich hatten sie einen Friedensvertrag mit Recep dem Ersten aufgesetzt, schon wagten sie es, dessen Freunde, den IS anzugreifen. Dabei wandten sie sich dem Süden und ihm den Rücken zu. Wohin hätte Erdogan ihnen also sonst fallen sollen?

Aber auch dieses Problem lässt sich lösen. Sobald alle türkischen Türken und türkischen Kurden und kurdischen Türken erst einmal EU-Bürger sind, ist es kein türkischer Bürgerkrieg mehr, sondern ein europäischer Bürgerkrieg. Und so etwas gibt es nicht. Wir sind schließlich ein Friedensprojekt. Wer würde bitteschön an unserem Friedensnobelpreis zweifeln? Der ist so unfehlbar und weißgewaschen wie die Oscars.

Islamophobie: Mit der Türkei in der EU hätten sämtliche Muslime in Europa endlich ein islamisches Mitgliedsland mit einem islamistischen Regenten, in dem sie alle leben könnten. Das christliche Abendland wäre gerettet.

Zypern: Sollen wir all die oben genannten Vorteile aufgeben, nur weil eine kleine quasi-griechische Insel nicht teilen will? Stimmt schon, offiziell wird ein Teil Zyperns vom türkischen Militär besetzt. Aber nach dem Türkeibeitritt ist das keine Besetzung mehr, sondern ein Assistenzeinsatz befreundeter EU-Truppen. Der soll helfen, dass die zypriotische Natur des Geteiltseins bewahrt bleibt. Ganz so wie es den Idealen Europas entspricht, seinem Wahlspruch: “Teile und herrsche”... oder war's “In Vielfalt vereint”? Ich verwechsle die beiden immer.

wikicommons

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Grubo84

Grubo84 bewertete diesen Eintrag 31.03.2016 06:31:35

fischundfleisch

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