Leistung ist kein Maßstab

Das Einkommen hängt von der Arbeit eines Menschen ab. Und von seiner Leistung. Aber was ist Arbeit und was ist Leistung? Diese Fragen sind für das 21. Jahrhundert neu zu beantworten.

„Was war meine Leistung?“ Die Frage von Walter Meischberger, der für den Verkauf der BUWOG gemeinsam mit Peter Hochegger neun Millionen Euro kassierte und später nicht mehr wusste wofür, ist bereits legendär. Dass die beiden Provisionskaiser dieses Sümmchen nicht beim Finanzamt deklariert haben, gehört zur Logik des Systems, denn eine Leistung ist dort zu versteuern, wo sie erbracht wurde. Und da die einzige Leistung der Lobbyisten darin bestand zu kassieren - und das nachweislich auf Zypern - so bestand wohl nach Rechtsauffassung dieser ehrenwerten Herren hierzulande gar keine Steuerpflicht.

Gut in Erinnerung ist auch der lapidare Rechnungstitel: „Für erbrachte Leistungen.“ Solche Transaktionen brauchen mindestens zwei Partner: einer der kassiert und der andere, der bereitwillig ohne jeglichen Leistungsnachweis zahlt. Der freie Markt ermöglicht solche Verträge und das Leistungsprinzip regelt die Höhe solcher Provisionen. So lautet ein Märchen, das man noch bis heute den Studierenden vieler Wirtschaftsuniversitäten erzählt. Doch der Fall Meischberger hat den Glauben an dieses Märchen ordentlich erschüttert.

Gehälter, Bonuszahlungen und Honorare in Millionenhöhe sind mit Leistung nicht begründbar. Nicht begründbar, und auch nicht länger tragbar ist auch die Tatsache, dass viele Menschen Leistungen erbringen, die nie bezahlt werden. Kinderbetreuung, Jugendarbeit, Altenpflege, freiwillige Feuerwehr, Rettung, aber auch im kreativen Bereich überwiegt die unbezahlte Arbeit. Von 100 Künstlern kann vielleicht einer von seiner Arbeit leben, alle anderen müssen sich Nebenjobs suchen, leben von der Unterstützung der Ehegatten oder Verwandten, oder vegetieren am Existenzminimum.

Das Leistungsprinzip geht von messbaren und vergleichbaren Leistungen aus. Aber die Einkommensschere, die, wie wir nicht erst seit Thomas Piketty wissen, so weit wie noch nie auseinander klafft, erfordert es, diese Voraussetzung prinzipiell in Frage zu stellen:Was ist eine Leistung? Damit unmittelbar in Zusammenhang steht die Frage: Was ist Arbeit?

Die Gleichung Hohe Leistung = Hoher Lohn hatte nie hundertprozentige Gültigkeit. Heute hat sie überhaupt keine Gültigkeit mehr, außer beim Abfahrtsweltmeister, der um eine messbare hundertstel Sekunde schneller als der Zweite ist, und dafür Goldmedaille und Prämie kassiert. Dazu kommen ein paar andere Sportarten, deren Leistungen mit exakten Messungen erhoben werden. Wer jedoch den ganzen Tag telefoniert – und das ist ein weit verbreitetes Phänomen unserer Zeit – sitzt vielleicht in einem Callcenter für einen geringen Lohn, oder in der Verkaufsabteilung eines gut gehenden Unternehmens und kassiert für jeden Abschluss neben einem hohen Fixum auch noch beachtliche Provisionen. Oder er (manchmal sie) sitzt am Strand oder auf seiner Privatjacht um ein paar wichtige Leute zu beeinflussen, wofür er (sie) von anderen wichtigen Leuten „Erfolgshonorare“ bezieht.

Da Leistung nicht messbar ist, neigen manche Politiker dazu, die Leistung selbst zum Maßstab zu machen und den „Leistungsträger“ wie eine heilige Kuh zu behandeln. Diese Politiker stellen sich bei jeder Steuerdiskussion schützend vor die sogenannten „Leistungsträger“, die sie vor höherer Steuerbelastung bewahren wollen.  Ein weitere Mythos von Vertretern dieser Weltanschauung ist die Gleichung:Hohes Risko = Hoher Gewinn.Mittlerweile füllen die Bücher von Insidern, die Millionen als Zocker verdient haben, dabei aber nie ein persönliches Risiko getragen haben, ganze Bibliotheken. Die Banken, die ein hohes oder überhöhtes Risiko eingehen, verstaatlichen im Ernstfall die Verluste. Und hochbezahlte Manager gehen in der Regel mit einem Golden Handshake, wenn sie Mist gebaut haben.

Solche Zustände sollte theoretisch „der Markt“ regeln. Tut er aber nicht. Deshalb ist es wieder notwendig, zu einem Primat der Politik über die Wirtschaft zurück zu kehren. Es ist Aufgabe der Politik zu entscheiden, welche Berufe gesellschaftlich relevant sind und aufgrund der Relevanz-Pyramide eine Lohnpyramide festzulegen. Die Logik dieses Systems müsste sein, dass die gesellschaftlich relevanten Berufe, d.h. die für das Wohl der Gesellschaft arbeitenden Menschen und Branchen, höher entlohnt werden, als Berufsgruppen, die nichts zum Gemeinwohl beitragen. Lohnobergrenzen müssten eingeführt werden, weil „der Markt“ offenbar dazu führt, dass die hemmungslosen Nehmerqualitäten mancher Manager schneller wachsen als deren Leistungen.

Diese Forderung stellt die bestehende Lohnpyramide in vielen Bereichen auf den Kopf. Angesichts des derzeitigen Zustands der Politik vielleicht eine Illusion. Der Status quo lässt keine großen Hoffnungen aufkommen: Die SPÖ-Parteigänger mit den Gewerkschaftern in einem Boot haben nichts anders im Sinn als die Verteidigung der „wohlerworbenen Rechte“ der Arbeitnehmer, und übersehen dabei, dass viele EPU nur aufgrund ständiger Selbstausbeutung überleben können. Und die ÖVP sieht sich als Pflichtverteidiger der „Leistungsträger“.

Doch ich will daran glauben, dass die Diagnose des Ex-CDU-Politikers Heiner Geißler, der wie ein Wanderprediger durch deutsche Talkshows zieht, bald auch bei den politischen Repräsentanten ankommt. Der „Geißler des bestehenden Systems“ meint: „83 Prozent der Menschen haben ihr Vertrauen in das ökonomische System des Kapitalismus und nicht der sozialen Marktwirtschaft verloren. Und sie machen zu Recht die Politik dafür verantwortlich, dass sie das zugelassen hat. Die Politik hätte die Priorität haben müssen, in Wirklichkeit hat sich die Finanzindustrie angemaßt über die Politik zu herrschen. Die erste Finanzkrise ist dadurch entstanden, dass die Gier nach Geld die Gehirne dieser Leute regelrecht zerfressen hat. Heute erleben wir den Zusammenbruch dieses Systems.“

Erschienen in a3ECO 10/2015 und außerdem auf http://www.thurnhofer.cc/communication/usp/wirtschaftsethik/466-leistung-ist-kein-massstab

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Dieter Krassnig

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