Ich darf aus sicherheitstechnischen Gründen seinen Namen nicht mehr nennen. Also bleibt er einfach: „Der Junge N.“.

Und Der Junge N. kracht im Moment noch sprichwörtlicher, als die trockene Semmel. In der Kassa ist Ebbe, seine Mitbewohner behaupten, pleite zu sein, keiner borgt ihm auch nur einen Cent. Also stellt Der Junge N. eine Crew zusammen. Was er und die Crew vorhaben, heißt in seiner Welt, in seiner Spreche: „Bimbo Abmeiern“. Wobei mit „Abmeiern“ nicht töten gemeint ist, sondern „Ausnehmen“.

Schlicht: Droogies berauben Dealer und verdealen Beute.

Mit „Bimbo“ ist tatsächlich ein Afrikaner gemeint. Und zwar einer, den Der Junge N. schon drei mal mit wechselnden Crews „Abmeiert“, oder schlicht: zusammenschlägt und ausraubt.

Eine Stunde später ist die Crew beisammen und wartet bei einem Würstelstand auf das Opfer, einen afrikanischen Kügelchenverkäufer, der schon freudig unterwegs ist, weil er glaubt   fünfzig Gramm total G´strecktes auf einen Sitz loszuwerden. Auch Der Junge N. weiß um die miese Qualität, aber die Menge reicht zum Teilen durch Drei. Danach bleibt noch genug, um den Mitbewohnern Des Jungen N. doch noch plötzlich auftauchende Geldscheine zu entlocken.

Und vor allem: Auch wenn´s noch so g´streckt ist - mit fünf Deka ist jede Nasenkrise beendbar.

Das Warten ist zu ende. Der Junge N. zeigt seiner Crew, Schwabo Peter und Jugo Stanko, mit dem Finger auf einen Afrikaner, der auf den Würstelstand zugeht. Dann verschwindet er in einer nahen Nebengasse. Dort wartet Der Junge N. bis seine Crew den Kauf vortäuscht und dabei an dieser Gasse vorbeikommt.

Gleich ist es soweit. Die Stimmen kommen näher, dann die Schatten, dann sind sie da! Peter und Stanko schubsen den Dealer in die Gasse, Der Junge N. greift seine Jacke und zieht ihn in die Dunkelheit.

Es ist fast wie ein Ballett der Gewalt. Der Junge N. „meiert Bimbos“ als Teil seines Geschäftesgebarens, nach dem uralten Prinzip des Handels: Kaufe billig, verkaufe teuer! Und bei dieser Transaktion ist der Preis unschlagbar. Fast schon routiniert schlägt der Junge N. dem Dealer im Sekundentakt mit einem kurzen, aber dicken Bambusrohr auf den Kopf. Gleichzeitig treten Peter und Stanko den Dealer, wohin sie können.

Doch die ganze Crew kracht sehr, sehr arg.

Der Afrikaner hingegen nicht. Er nascht vor dem Deal ausgiebig von seiner eigenen Ware und nun ist er ein zorniger, schwarzer Mann auf Koks. Der Dealer springt nach wenigen Sekunden einfach auf und beginnt zu laufen. Stanko und Peter sind nach 30 Metern außer Puste. Nur Der Junge N. ist auch nach fünfzig Metern fit genug, um im Laufen mit dem Bambusstock nach dem Dealer zu werfen. Der Stock prallt an einer Hausmauer ab, der Dealer bleibt stehen.

Paybacktime!

Doch der Junge N. ist verzweifelt entschlossen, das Geschäft zu finalisieren. Und er hat noch ein gutes Argument: der Bambusstock, den er wieder aufhebt, hat in seinem Inneren eine Klinge. Als der Dealer die Klinge sieht, ist es zu spät. Auch ist die Wirkung seines eigenen, miesen Kokains fast verflogen.

Nun ist er nicht mehr zornig.

Nur noch ein afrikanischer Dealer, der ausgeraubt wird und sich deswegen nicht bei der Polizei beschweren kann. Das geraubte Koks ist schnell wieder „eingearbeitet“. Jedenfalls schneller, als ein Bauchstich verheilt.

Der Junge N. und seine Crew sind an diesem Abend gut drauf. Die Kassa stimmt wieder, die Nasenkrise ist beendet! Und Peter hat auch diese Tabletten mitgebracht, die er wie Smarties einwirft. Alles in Allem: eine rauschige Nacht für Den Jungen N. und seine Crew.

Zwei tage später sind Der Junge N., Stanko und Peter in Untersuchungshaft.

Zwei Wochen später hat Der Junge N. sechs Jahre ausgefasst. Stanko und Peter jeweils drei.

Und an jenem Abend, als für Den Jungen N. und seine Crew die Welt und das Leben  nicht schöner sein können, an jenem Abend wirft sich Peter eine Handvoll seiner Lieblingstabs zu viel ein.

Lange nachdem Der Junge N. und Stanko in einem zuckenden Süchtigenschlaf dämmern, hat Peter eine Erleuchtung.

Leider eine sehr dumme Erleuchtung: Peter überkommt ein unaufschiebbares Beichtbedürfnis. Weil alle Pfarrer um drei Uhr nachts schlafen, geht Peter zur nächsten Polizeistation und schildert zwei sehr netten und verständnisvollen Beamten, den kurz zuvor stattgefundenen Sündenfall. Peter nennt alle Namen, Adressen und Telefonnummern. Auch die Telefonnummer des afrikanischen Dealers.

Die netten Beamten und Peter lachen in dieser Nacht noch sehr viel miteinander, Peter unterschreibt irgendwelche Papiere und hört aus seiner Zelle noch lange das Lachen der Polizisten.

Ein hoffentlich endgültiges Ende der Krise in meiner Gasse.

ABU BOGUMIL BALKANSKY

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Zaungast_01

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Markus Andel

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