Ich habe Sabine Oberhauser, diese mutige, positive, strahlende Frau, weinen gesehen. Als sie ihre Brille abnahm und nach einem Taschentuch griff, war ich hilflos. Und musste daran denken, wieviel fremden Trost die an Krebs erkrankte Gesundheitsministerin in den letzten 100 Tagen bekommen hat. Da brauchte sie nicht auch noch meinen.

Du schaffst es! Wir schicken dir Kraft, Energie, gute Gedanken. Du wirst den Krebs besiegen! Du bist stark, eine Kämpferin! Undsoweiter. Locker dahingeschriebene muntere Sprüche, die "Freunde" zu einer existentiellen Krise eines anderen Menschen ins World Wide Web posaunen. Sabine Oberhauser (auf dem Foto oben zeigt sie mir ihre Orchideen-Sammlung) sagt, die Solidarität der Community habe ihr Kraft gegeben. Auch Kurt Kuch wählte diesen Weg, als die Krankheit ihm keinerlei Spielraum mehr ließ. Der öffentliche Krebs als Social-Media-Topic.

Ich frage mich, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dem "öffentlichen Kampf" (Oberhauser, Prammer, Kuch) und der Einstellung zur Krankheit. Kurt Kuch habe ich nie zum Thema Krebs interviewt, Prammer und Oberhauser (auf drei Seiten in der "Sonntags-Krone";) schon. Beiden erzählte ich von einem bemerkenswerten Gedanken, den die Opernsängerin Montserrat Caballe in einem Gespräch mit mir einmal öffentlich machte. Mit der Diagnose Gehirntumor konfrontiert, habe sie sich den Krebs als Gast in ihrem Körper vorgestellt, dem sie Wohnrecht gewährt habe. Ab diesem Moment sei die Wucherung zurückgegangen.

Barbara Prammer sagte mir: "Ich würde dem Krebs lieber woanders ein Wohnrecht anbieten. Ob das gelingt, wird sich zeigen." Sabine Oberhauser, von Beruf Ärztin, stellt klar: "Wohnrecht gibt's bei mir keines! Ich habe den Krebs faktisch delogiert. Und die Reste wird hoffentlich noch die Chemotherapie wegputzen."

Der Krebs als Eindringling, den es zu bekämpfen gilt (auch auf Facebook): Diese Visualisierung ist häufiger anzutreffen als die Philosophie, dass der Krebs "ein Teil von mir" ist, mit dem ich aus Heilungsgründen in eine Art friedliche Koexistenz treten will. Was der Facebook-Community wohl dazu einfallen würde?

Ich wollte einmal von Krebsarzt Christoph Zielinski (er behandelte Prammer und nun Oberhauser) wissen, was er von dieser These hält. Halten Sie es für möglich, dass der Krebs zurückgeht, wenn ihn der Patient/ die Patientin nicht mehr als Feind sieht, den man besiegen muss? habe ich ihn gefragt. Er meinte: "Wenn ein guter Arzt in der Nähe ist schon!"

Ich respektiere, dass Sabine Oberhauser mit Glatze in den Ministerrat und auf den Life Ball geht. Dass sie - auch auf Facebook - offen mit diesem Schicksalsschlag umgeht. Dass sie Krebskranken Mut machen will, das für sich zu fordern, was sie in dieser Lebenskrise brauchen. Dass sie mit der Enttabuisierung der Krankheit Krebs zum Nachdenken zwingt.

Auch mich. Ich denke noch öfter als sonst an Marga, die vor eineinhalb Jahren gestorben ist und die nicht wollte, dass ihre Krankheit öffentlich gemacht wird (die Zeitung "Österreich" druckte sie fett auf der Titelseite). Ich denke an meine allerallerbeste Freundin Christine, die zwei Wochen nach einer gemeinsamen Lourdes-Reise an Brustkrebs gestorben ist. Und ich denke darüber nach, wie ich auf eine Krebsdiagnose reagieren würde.

Es schreibt sich leicht, aber ich glaube, dass ich Chemotherapie ablehnen würde. In der Zeit, die mir der Krebs noch gibt, würde ich so leben wie bisher. Vielleicht wäre ich öfter viel glücklicher und öfter viel trauriger.

In der "Krone" oder - Gott behüte!- auf Facebook würdet ihr davon nichts lesen. Margas letzte Worte, ein paar Wochen vor ihrem Tod, an mich waren: Lieber Konicek! - Marga adelte mich mit dem Namen des legendären Lokalreporters - Du hilfst mir jetzt am meisten mit deinem stillen Verständnis.

Das ist heute schon meine Bitte an jene, die mich lieben.

Fotocredit: Kronen Zeitung/Martin A. Jöchl (Urheber)

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