WhatsApp: Online-Status tracken & leaken – was der Online-Status alles über den Nutzer erzählt

Stell dir vor, du informierst dich gut über Datenschutz – und möchtest verhindern, dass man erfährt, wann du online bist. Daher setzt du bei den WhatsApp-Datenschutz-Einstellungen unter "Wer kann meine persönlichen Infos sehen" sowohl "Zuletzt online" als auch "Status" auf "Niemand". Man könnte glauben, dass damit andere deinen Online-Status nicht mehr in Echtzeit erfahren können. Irrtum!

„Um den Online-Status einer beliebigen Rufnummer abzurufen, muss man diese lediglich zu den Kontakten hinzufügen und ein Chat-Fenster öffnen. Der Besitzer der Rufnummer bekommt davon nichts mit und muss auch nichts bestätigen“, so das Technikportal heise.de, das bereits vor einigen Monaten auf dieses Problem hingewiesen hat.

Findige App-Entwickler haben ein Tool entwickelt, das in regelmäßigen Abständen den Online-Status der zu überwachenden Personen aufzeichnet. Auf diese Art können exakte Tagesabläufe aufgenommen werden – zur späteren Analyse gut geeignet. Ein „Forscherteam Forschungsteam der Friedrich-Alexander Universität in Erlangen hat neun Monaten lang 1000 zufällig ausgewählte WhatsApp Benutzer anhand ihres Online-Status überwacht“, so ORF.at. Die Ersteller der Studie hatten Zugriff auf die vollständige Rufnummer und könnten mir daher die Klarnamen der dahinterstehenden Personen rasch sagen – aus Datenschutzgründen wurden die Rufnummern bei der Veröffentlichung unkenntlich gemacht. Was man mit den Informationen anstellt, wenn man nicht gerade für die NSA oder Facebook arbeitet, zeige ich im Folgenden.

Ich möchte hinzufügen, dass ich vier Profile ausgewählt habe, die aus meiner Sicht möglichst unter-schiedliche Tagesverläufe zeigen. Die jeweiligen Nutzer sind vergleichsweise viel (20-120 Minuten pro Tag) online, über den gesamten Zeitraum (neun Monate) der Überwachung gesehen. Ich habe die Merkmale dem Motto „der Mensch würde gerne die App nutzen, kann dies aber zu gewissen Zeiten nicht“ untergeordnet, weil dies einen logischeren Tagesablauf ergibt, als wenn ich willkürliche Spitzenzeiten zugrundelege. Der Umfang der Nutzbarkeit der App hängt auch vom Umfeld des Nutzers (Freundes-/Familien-/Kollegenkreis) ab, da WhatsApp zum Austausch von Textnachrichten, Bild-/Video-/Ton-Dateien geeignet ist – wenn mir dort keine interessanten Informationen zur Verfügung gestellt werden, so werde ich diesen Dienst nicht nutzen. WhatsApp wurde Anfang des Jahres von Facebook für 19 Milliarden Dollar aufgekauft und zählte zuletzt 600 Millionen Nutzer.

Der erste Kandidat kommt aus den Niederlanden (erkennbar an der Vorwahl +31). Aufgrund des relativ frühen Aufstehens (zwischen fünf und sechs Uhr) und der erhöhten Nutzung rund um sieben Uhr herum schließe ich auf einen Schüler (könnte auch Student sein), der sich früh mit seinen Klassenkameraden austauscht, noch auf dem Schulweg seine neuen Nachrichten abfragt. In der großen Pause (um zehn Uhr) und in der Mittagspause (um zwölf Uhr) nutzt er den Dienst ausgiebiger, während des Unterrichts braucht er wenige Nachrichten verschicken – die Mitschüler sind eh unmittelbar um ihn herum zu finden. Nach Schulende (typischerweise zwischen 14 und 15 Uhr) verabredet er sich mit Eltern oder Freunden für die Abendgestaltung, nach dem Abendessen um 18 Uhr folgt um 20 Uhr der Tagespeak. Etwa um 22 Uhr bereitet sich unser Schüler zum Schlafengehen vor, am nächsten Tag soll er ja wieder fit in den Unterricht gehen!

Unser zweiter Studienteilnehmer kommt aus Italien (Vorwahl +39) und weist einen deutlich späteren und tieferen Schlafrhythmus als der erste Kandidat auf. Zwischen zwei und sieben Uhr wurden keine Nachrichten verschickt oder empfangen, das deutet auf einen regelmäßigen Tagesrhythmus hin (zum Gegenvergleich Nummer drei). Dieser Teilnehmer fällt durch eine generell starke Nutzung auf (mehr als eine Stunde am Tag) – auch über die Wochentage hinweg ziemlich gleichmäßig. Unter der Woche sind’s etwa 80 Minuten pro Tag, am Wochenende durchschnittlich 100 Minuten. Der Spätaufsteher könnte als bloggender Parlamentarier tätig sein (die öffentlichen Sitzungen werden für gewöhnlich erst um neun oder zehn Uhr eröffnet, die Pressetermine sind meist auch nicht besonders früh angesetzt). Auffällig sind die drei ausgeprägten Peaks (13, 19 und 23 Uhr) – was mir doch ziemlich ungewöhnlich vorkommt. Ich gehe prinzipiell davon aus, dass WhatsApp nicht die einzige Verständigungsmethode eines Menschen ist, dieser wird wohl zeitgleich weitere Dienste nutzen. Abendessen würde ich spontan auf 21 Uhr legen, danach noch einige liegengebliebene Aufgaben des Tages bewältigen (Kalender synchronisieren, Konferenz planen, etc.).

Nummer drei kommt aus Großbritannien (Vorwahl +44), ich würde vom Beruf her auf eine Barkeeperin im urigen Pub tippen (wohlgemerkt, alles nur Mutmaßungen – wenn man den Klarnamen oder den richtigen Job wissen will, sollte man sich an NSA oder Facebook wenden, die helfen da sicher gerne weiter). Hier ist besonders auffällig, dass es keine zentrale Schlafphase gibt – daraus leite ich ab, dass der Tagesrhythmus stark variiert (mal früher, mal später im Bett) oder das Handy neben dem Nachtkastl blinkt. Der eine Peak um neun Uhr in der Früh macht mich stutzig (das erkläre ich mir damit, dass der Freundeskreis von Nummer drei auch nachtsüber viele Botschaften verschickt, die erst um neun Uhr abgerufen werden), aber ansonsten erfolgt der Zugriff auf die WhatsApp ziemlich gleichmäßig über den ganzen Tag verteilt (könnte also auch eine freischaffende Malerin oder Musikerin sein). Um 14 Uhr könnte ein Mittagsschläfchen dabei sein, oder ein Gespräch im Familienkreis, wo WhatsApp tunlichst nicht genutzt wird.

Für den vierten Probanden gehen mir die Ideen aus, was hier der plausible Brotberuf sein könnte, deswegen tippe ich auf einen Lieferdienst-Mitarbeiter, der über den ganzen Tag verteilt (neun bis 22 Uhr) Pizza oder Päckchen ausliefert und ständig erreichbar ist. Bemerkenswert finde ich die lange Nachtruhe, die doch in etwa sieben Stunden lang dauert (die Linie ist nicht ganz bei null, wie man es sich beim Schlafen erwarten würde, das lässt sich aber mit regelmäßigen Fortgehabenden erklären, die punktuell die über neun Monate erfasste Statistik in die Höhe treiben). Hier ist die blaue Linie (avg. connections) fast durchgehend über der roten Linie, das bedeutet, dass vergleichsweise viele kurze Nutzungsphasen stattgefunden haben (etwa die Botschaften, wo die nächste Lieferadresse zu finden ist und die Rückfrage, ob eh alles gepasst hat usw.).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass schon allein durch die Erfassung vom Online-Status (soge-nannte „Meta-Daten“) viele Details offenbart werden – und bei Kenntnis von Klarnamen, Adresse und Arbeitsplatz lassen sich auch viele unfreundliche Dinge damit organisieren, ohne die Person jemals inhaltlich ausgespäht zu haben. WhatsApp hat von der permanenten Überwachung der 1000 Mitglieder gewusst und sie nicht unterbunden – es muss einem Technologiekonzern doch auffallen, wenn ein Nutzer tausend Kontakte quer durch Europa ständig abfragt, ohne ihnen jemals eine Nachricht geschickt zu haben oder in ein räumliches Näheverhältnis gelangt zu sein.

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