Du meinst, Du hast es schwer? Ewig einen Stein hinaufrollen, und knapp bevor Du das Ziel erreicht hast, rollt er wieder hinunter, das nennst Du eine Herausforderung? Wofür Du diese Strafe erhalten hast, darüber scheiden sich die Geister. Über eines kann man sich wohl einig sein, dass Du – nach den Erzählungen des Homer – wohl ein gewaltiges Schlitzohr warst. Allerdings verdient Deine Dreistigkeit auch einigen Respekt. Du hast dem Todesgott Thanatos getrotzt und ihn quasi zum Affen gemacht. Da bleibt nur die Frage offen ob dies gelang, weil der Gott in seiner Machtfülle eine derartige Überheblichkeit an den Tag legte, dass er nicht im Traum daran dachte, dass Du es wagtest ihn hinters Licht zu führen, oder ob es wirklich nur Deiner Schlauheit zu verdanken war. Vielleicht war es auch eine Mischung aus beidem, ein wenig. Fakt bleibt, es gab etwas wofür Du der Strafe würdig wurdest, zumindest aus dem Bild, das man von den griechischen Göttern zeichnete. Sie in ihrer Ehre zu kränken war wohl eines der größten Vergehen, würdig dafür in den Tartaros, in den tiefsten, dunkelsten Teil der Unterwelt, verbannt zu werden. Doch zumindest gibt es einen Anhaltspunkt, etwas, das diese Form der ewigen Bestrafung rechtfertigte.

Du meinst Du hast es schwer? Lange Zeit dachte ich das auch, seit dem Moment, als ich Deine Geschichte zum ersten Mal hörte. Es gibt wohl kaum etwas Schrecklicheres als eine Aufgabe zu haben, und kaum, dass man sie geschafft hat, wird mit einem Schlag alles zunichte gemacht und man muss nochmals von vorne anfangen, ganz von vorne, und das immer und immer wieder. Als ich meine erste Diplomarbeit schrieb, die plötzlich verschwunden war, als ich sie fast beendet hatte, da dachte ich an Dich, denn so musstest Du Dich fühlen, Tag für Tag für Tag. Überhaupt waren diese griechischen Götter sehr findig beim Ersinnen von Strafen. Kunststück, sie hatten auch nicht viel zu tun. Tantalos in einen Teich zu stellen, und das Wasser zurückweichen zu lassen, wenn er trinken wollte, die feinsten Früchte vor seine Nase zu hängen, und die Äste zurückweichen zu lassen, sobald der danach griff, das nenne ich doch mal eine perfide Strafe. Aber den eigenen Sohn zu töten und ihn den Göttern zum Essen vorzusetzen, nur um diese auf die Prüfung zu stellen, das ist auch ein starkes Stück. Dennoch war ich bereit mitzuleiden, zumindest mit Sisyphus.

Du meinst Du hast es schwer? Mittlerweile hat sich an meinen Lebensumständen einiges geändert. In der pubertären Mitleidsphase wohnte ich im Hotel Mama, doch nun, mit eigenem Haus, Kindern und Familie gesegnet, nun weiß ich, nein, mein lieber Sisyphus, ich habe es schwer. Es gilt dazu zu sagen, dass ich nie eine begnadete Hausfrau war und sich das auch niemals ändern wird. Vielerorts habe ich mir dafür schon Schelte eingefangen, da es doch etwas Erhebendes sein sollte, das Nest fein und rein zu halten, oder die Bügelei hat angeblich sogar meditative Elemente. Ich werde mich weiter schelten lassen müssen, doch die Hausarbeit, das ist die wahre Sisyphusarbeit. Kaum hat man einem Ende aufgehört, kann man schon wieder von vorne beginnen, immer wieder, jeden Tag, bis in alle Ewigkeit, wie mir scheint. Doch es ist nicht nur das, dass einem der Stein jedes Mal herunterrollt und man wieder von vorne anfangen muss, sondern auch, dass man nach den Früchten der Anerkennung greift, und sie einem sofort entzogen werden, mit dem Hinweis, was man doch nicht übersehen hat in seinem Staubentfernungswahn. Und schon entschwinden sie in weite Ferne. Vielleicht kann man noch einen Schluck des Lobes trinken, aber auch das Wasser zieht sich zurück, und man steht im Trockenen der Anweisung, dass es nun mal wieder höchste Zeit wäre Fenster zu putzen.

Du meinst Du hast es schwer? Dann lass und doch mal eine Woche tauschen, und ich wette, Du sehnst Dich zurück nach Deinem Berg und Deinem Stein.

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Herbert Erregger

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