In den letzten Tagen kam es zu einem großen medialen Aufruhr bezüglich der Aussage des österreichischen Finanzministers Hans Jörg Schellings. Der Grund der öffentlichen Erregung lag primär in zwei Aussagen welche er im Zuge eines Sommergesprächs getätigt hatte. Einerseits bezeichnete er das Arbeitsloseneinkommen als zu hoch, eben weil es seiner Meinung nach zu nahe an das Arbeitseinkommen herankommen würde und andererseits attestierte er Deutschland ein besser funktionierendes System (1).
Ich will mich nun im Laufe dieses Beitrags zuerst einmal mit der Frage beschäftigten, ob der Reservationslohn, welcher für die unteren Einkommensschichten einen relevanten Stellenwert einnimmt, aus der jetzigen ökonomischen Situation überhaupt hoch genug ist? Ebenso will ich fragen ob eine weitere Absenkung auf das deutsche Hartz-IV System somit in weiterer Folge sinnvoll ist?
Im Dezember des vorigen Jahres erschien eine interessante Studie zu dem Thema Verteilung und Wirtschaftswachstum. Die Frage welche sich der Autor, der von der OECD veröffentlichten Studie stellte war deshalb von großem Interesse, weil die Forschung nach der Einkommensverteilung und dem Wirtschaftswachstum besonders zu einem Zeitpunkt des geringen Wirtschafswachstums besondere Brisanz besitzt. Die Ergebnisse der Studie waren relativ eindeutig, nämlich das in Deutschland und Österreich es zu einem signifikant geringerem Wachstum seit dem Jahre 1990 gekommen war. Insgesamt in Deutschland um 6 % und in Österreich um 2 % am BIP (2;3). Das bedeutet durch die gestiegene Ungleichheit also, dass die unteren Einkommensschichten, im Vergleich zu den oberen ein immer geringeres Einkommen aufweisen, kam es zu einem reduzierten Wirtschaftswachstum in den letzten 25 Jahren. Damit man auch ein Gefühl für die Größenordnung der unteren Einkommensschichten bekommt. Es wird in der Studie von den ärmsten 40 % gesprochen (5) und betrifft somit nicht nur die klassische Unterschicht sondern auch bedeutende Teile der Mittelschicht! Hierbei muss man betonen, dass die ökonomische Ungleichheit auf das obere Ende kaum eine Auswirkung hat, sondern hauptsächlich diese die unteren 40 % betrifft(5). Jetzt kann man sich natürlich die Frage stellen, wie genau bremst denn diese Ungleichheit das Wachstum? Die genannte OECD-Studie kommt zu dem Schluss, dass dies hauptsächlich dadurch geschieht, dass diese 40 % der Bevölkerung weniger in die Bildung ihrer Kinder investieren können und die Bildungschancen dieser Kinder dadurch signifikant sinken. Jetzt könnte man sich der Illusion hingeben, dass das österreichische Bildungssystem diese Chancen beträchtlich steigern könnte. Obwohl der Autor allgemein positiv dem staatlichen Eingriff gegenübersteht und ihn als nachweislich hilfreich einstuft. Lässt sich attestieren, dass unter den OECD – Staaten, nur noch Deutschland und Tschechien, eine niedrigere Aufwärtsmobilität im Bildungsbereich aufweisen als Österreich, wie die OECD – Studie Education at a Glance aus dem Jahr 2014 bestätigt (6;7). Spannend ist nun noch die Frage wie man dieser Situation nun begegnen soll? Die Studienautoren der anfänglich genannten OECD – Studie Trends in Income Inequality and ist Impact of Economic Growthkommen zu einer in Österreich nicht sonderlich beliebten Conclusio. Nämlich, dass neben anderen Maßnahmen auch das Steuersystem insofern geändert werden sollte so, dass es höhere Einkommen wesentlich mehr belastet und auch das Steuer auf Vermögen überdacht und neu bewertet werden sollten.
Überträgt man diese Schlussfolgerungen nun kurz auf die Aussage von Hans Jörg Schelling so muss man sich die Frage stellen, ob in einer Phase des niedrigen Wirtschaftswachstums ,von geschätzten 0,3 % (4) am BIP für 2014 so ein Programm der Lohnsenkung überhaupt ökonomisch vernünftig ist. Denn würden die unteren Einkommen sinken, durch das Herabsetzen des Reservationslohns, so würde sich die Einkommensschere vergrößern und somit zu einem noch niedrigeren Wirtschaftswachstum führen.
Ebenso kann man sich die Frage stellen, ob das deutsche Hartz-IV Modell, welches noch wesentlich aggressiver die Löhne gesenkt hat dann auch noch sinnvoll wäre? Vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass aufgrund der Einkommensungleichheit die deutsche Wirtschaft stärker geschrumpft ist.
Wünschenswert wäre wenn die politische Führung in Österreich realisieren würde, dass gerade die Vermögen mitunter zu dieser immensen Verschlimmerung dieser Ungleichheit beigetragen haben. Im Jahr 2014 entfielen 52 % aller Vermögenseinkommen auf 1 % der österreichischen Haushalte (8;9). Ebenso ist es in Österreich auch kaum mehr möglich mit ehrlicher Arbeit sich ein Vermögen zu erarbeiten sondern man sollte eher hoffen zu erben, wie aus einer erst kürzlich veröffentlichten und mit dem Progressiv Economy Award ausgezeichneter Studie der OeNB hervorgeht (10).
Somit wäre es zusammenfassend ökonomisch und sozial sinnvoll die Löhne für die unteren Einkommensschichten nicht zu senken und ich würde dem Hr. Finanzminister bitten seine Position diesbezüglich rational zu überdenken.
(1) http://derstandard.at/2000019681222/Schelling-Arbeitslosengeld-in-Oesterreich-ist-zu-hoch
(2) http://dx.doi.org/10.1787/5jxrjncwxv6j-en
(4) http://wko.at/statistik/eu/europa-wirtschaftswachstum.pdf
(5) http://www.oecd.org/berlin/presse/einkommensungleichheit-beeintraechtigt-wirtschaftswachstum.htm
(7) http://www.oecd.org/edu/Education-at-a-Glance-2014.pdf
(8) http://derstandard.at/1388650817881/Vermoegenseinkommen-Nur-die-Reichsten-profitieren
(9) http://wug.akwien.at/WUG_Archiv/2013_39_4/2013_39_4_0571.pdf
(10) http://www.oenb.at/en/Monetary-Policy/Research/inheritance-is-key-to-the-concentration-of-wealth.html