Also zuerst einmal möchte ich mich für diesen Artikel bedanken. Er beinhaltet eine Menge an Aussagen, welche man reflektierend behandeln kann und auch sollte. Ich schrieb vor einiger Zeit hier einen Blogeintrag zu einem Artikel vom Wolfram Weimer und ich stehe vor derselben Situation wie damals. Denn dieser Artikel mit dem Titel "Schlaraffenland: So verwöhnt der Sozialstaat die Österreicher" ist meines Erachtens ein fabelhaftes Beispiel dafür, wie durch die einseitige Behandlung von Themen ein verzerrtes Bild der Realität geschaffen werden kann.
Ich persönlich habe nach wie vor ein sehr idealistisches Bild des Journalismus. Ich glaube noch immer daran, dass er eine aufzeigende, aufklärende und bildende Funktion in einer Gesellschaft hat. Leider sehe ich den im Profil erschienen Artikel von Rosemarie Schwaiger vom 1.8.2015 als das Gegenteil dieses Ideals an.
Ich möchte in weiterer Folge einige Zitate herausnehmen und den Gehalt dieser Aussagen überprüfen um darlegen zu können wie ich überhaupt zu dieser Meinung gekommen bin.
1. Zitat: „Österreichs üppiges Sozialsystem könnte eine Runderneuerung nämlich durchaus gebrauchen – und zwar in allen Bereichen. Rund 100 Milliarden Euro gibt der Staat pro Jahr unter dem Titel „Soziales“ aus. Das ist fast ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung und im internationalen Vergleich ein Spitzenwert.“
Also ich würde um eine Präzisierung des Begriffs „International“ bitten. Ich nehme einmal an, dass damit auch die anderen europäischen Länder gemeint sind, welche sich noch am ehesten mit Österreich vergleich lassen. Man wird ja wohl kaum andere Staaten, wie Kenia oder Indien für einen Vergleich heranziehen wollen? Im Vergleich mit anderen Staaten der europäischen Union, haben folgende Staaten gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung, höhere Ausgaben für Soziales am BIP (Sozialequote: Österreich 30,2 %, Stand 2012): „Belgien (30,8%), Dänemark(34,6%), Finnland (31,2%), Frankreich (34,2%), Griechenland (31,2%), Irland (32,5%), Italien (30,3%), Niederlande (33,3%), Schweden (30,5%) (1). Natürlich kann man auch mal einen Vergleich mit den EU 15 wagen, dort liegt die Quote bei 30,4 % und somit ist der Durchschnitt sogar höher als bei uns!
Nebenbei die Recherche für diese Zahlen hat gerade einmal 2 Minuten in Anspruch genommen und obwohl ich Verständnis über die heute durchaus harten Bedingungen im Bereich des Journalismus weiß, so ist eine zweiminütige Recherche für so eine Aussage, meines Erachtens tatsächlich nicht zu viel verlangt.
2. Zitat: „Allerdings ist die Rundumversorgung auch ein Grund für die drückende Schuldenlast der Republik sowie, auf der anderen Seite, für die hohen Steuern.“
Die Aussage welche dahinter steht lautet also, dass wenn ein Staat eine gewisse Summe bzw. einen gewissen Anteil seiner Wirtschaftsleistung ausgibt, folgt daraus auch eine gewisse Verschuldung. Wenn dies stimmen würde, dann würde über einen längeren Zeitraum, wenn diese Ausgaben beibehalten werden, die Verschuldung sukzessive ansteigen. Nehmen wir hierfür einmal das Land Schweden: Im Jahre 2005 lagen die Schulden gemessen am BIP bei 48,2 %, die Sozialquote hingegen bei 28,8 %. Im Jahr 2012 hingegen lagen die Schulden bei 36,6 % und die Sozialquote, wie schon erwähnt bei 30,5 % (1;2). Wir hatten also von 2005 steigende Sozialausgaben und sinkende Schulden in Schweden und noch dazu Ausgaben für Soziales, welche die von Österreich übertroffen haben. Nebenbei ist die Entwicklung auch nicht sonderlich tragisch, Österreich hat diese hohe „Sozialquote“ eigentlich schon eine ziemlich lange Zeit ausgehalten und in derselben Zeit haben wir unseren Schulden“berg“ reduziert und wieder aufgebaut. Um genau zu sein, gemessen am BIP hatte sich der Schuldenstand von 1995 zum Jahr 2008 sogar dazwischen abgebaut, trotz relativ konstant „hoher Sozialquote, erreichte er 2008 denselben Stand wie im Jahre 1995 (3;4).
Ist die Steuerlast erdrückend, also auf den ersten Blick kann man sich dieser Meinung wohl nicht anschließen. Denn in Österreich ist die Abgabenquote (Steuern und Abgaben addiert) seit 1996 leicht gesunken und 2014 wieder auf die ursprüngliche Höhe von 43% bzw. 44% am BIP (abhängig vom gewählten Indikator) angestiegen (5). Ebenso sind die Staatseinnahmen seit 1996 auf einem relativ stabilen Niveau und die Staatsausgaben tendenziell am Abnehmen (6).
Jetzt ist diese Aussage schon etwas irritierend, weil man ja das Gefühl hat das jedes Jahr die gespürte Steuerlast zunimmt. Man kann natürlich jetzt sich folgende Fragen stellen:
Wie ist es möglich, dass man selbst glaubt, dass die gefühlte Steuerlast zunimmt, obwohl gemessen an der Wirtschaftsleistung diese nicht ansteigt (6)?
Wie kann es sein, dass die Staatsausgaben über einen langen Zeitraum tendenziell zurückgehen, jedoch immer wieder noch von einem „verschwenderischen“ Staat gesprochen wird (6)?
Wie kann es sein, dass die Schulden 2008/09 so drastisch angestiegen sind, obwohl Staatsausgaben und Staatseinnahmen sich in den letzten zwei Jahrzehnten tendenziell immer mehr angenähert haben (6)?
Ich habe für mich schon Antworten zu diesen Fragen gefunden. Aber ich möchte diese Fragen dem Leser bzw. der Leserin mit auf den Weg gegeben.
Zu der Autorin des besagten Artikels möchte ich eigentlich nur noch sagen: „Bitte prüfen sie ihre Quellen“. Danke.
(1) http://wko.at/statistik/Extranet/Bench/sozialq.pdf
(2) http://wko.at/statistik/eu/europa-verschuldung.pdf
(6) http://www.statistik.at/wcm/idc/groups/v/documents/webobj/mdaw/mdmz/~edisp/033489.gif