Österreich, die sachpolitikunfähige Meinungsumfragendiktatur ?

Während der heißen Phase des Macron-Le Pen-Wahlkampfs habe ich mich in den Untergrund zurückgezogen, um nur ja keine malevolenten oder falsch interpretierenden Vorwürfe wegen anti-europäischer Beeinflussung der Frankreichwahl zu bekommen. Wenn ich punktuell aus Gründen der Islamkritik Marine Le Pen gelobt hätte bzw. eine ihrer Positionen unterstützt hätte, dann hätte mir das bei der Gehässigkeit des Polit- und Medienbetriebs sehr leicht als Antieuropäismus ausgelegt werden können. Auch meine Zweifel an der GASP und meine Schätzung, dass Koalitionen der Willigen wahrscheinlicher sein werden, hätten mir als Antieuropäismus ausgelegt werden können, obwohl es ja als proeuropäisch betrachtet werden kann, verhindern zu wollen, dass europäische Kriege aus Pazifisten bzw. pazifistischen Parteien, die durch GASP-Pflichten in Kriege hineingezogen werden, Antieuropäer machen. Was man von pazifistischen Parteien auf nationaler Ebene, die sich nicht an Kriegen beteiligen wollen, aber verlangen kann, ist ein Sabotageverbot auf europäischer Ebene, wenn sich Koalitionen der Willigen bilden, vielleicht auch Komponenten klassischer soft-power.

Und kaum tauche ich wieder auf, passieren Dinge, die ich selbst als gelernter Österreicher, der schon zahlreiche politische Verrücktheiten erlebt hat, für kaum möglich gehalten hätte:

Ein Kanzlersohn vergleicht den mutmaßlichen neuen ÖVP-Spitzenkandidaten Sebastian Kurz mit Idi Amin, einem früheren afrikanischen Diktator, der Hunderttausende Menschen tötete und zahlreiche Kriege begann und außerdem zu meinem Blog „Polygynie und Kriegszusammenhang bei Islam und Nazis“ gut zu passen scheint. In Fortsetzung eines schon in den letzten Jahren heftigen SPÖ-Shitstorms gegen Sebastian Kurz, den am intensivsten Michael „Wahlkampf ist die Zeit der fokussierten Unintelligenz“ Häupl betrieben hat. Wenn Nikolaus Kern, so wie er bzw. Medien behaupten, sich mit Kriegsgeschichte beschäftigt hätte und ehrlich darüber Auskunft geben würde, dann würde er dazusagen, dass in vielen, bzw. praktisch allen Kriegen und Konflikten praktisch alle Seiten die ganz normale Kriegs- oder Konflikttechnik des Ablenkungsmanövers verwenden. Erstaunlich war auch das schnelle Zurückziehen des Idi Amin-Tweets. SPÖ und SPÖ-nahe „Wissenschafter“ machen der FPÖ oft den Vorwurf, dass sie mit der Technik des schnellen Vorstosses und des schnellen Rückzugs arbeite, mit kalkulierter Provokation. Und jetzt macht der Kanzlersohn genau das, was die SPÖ dauernd an der FPÖ kritisiert ?

Jakob Glaser (oevp Website)

Dass Sebastian Kurz die letzten Monate hinweg die besten Umfragewerte aller Kandidaten hatte, hätte für den angeblichen Kanzler Kern wegen der Umfragen eigentlich Anlass genug sein müssen, anzunehmen, dass Kurz möglicherweise der kommende Koalitionshauptpartner ist. Dennoch hat Kern offensichtlich weder etwas getan, um seine Parteifreunde zur Zurückhaltung in Sachen Kurz-Shitstorm zu bewegen, noch hat er etwas getan, um seinen Sohn zur Zurückhaltung in Sachen Kurz-Kritik zu bewegen. Überspitzt könnte man – falls nicht absichtliches Demolieren der eigenen Partei / Koalition der Hintergrund ist - sagen: Wäre Kern ein Politiker und nicht ein möglicherweise politisch ahnungsloser „Laberfachabsolvent“ (Volksmundbezeichnung für den Publizisten Kern in Internetforen), so hätte ihm klar sein müssen, dass es in der ÖVP für Zorn sorgt, wenn der angebliche Koalitionspartner SPÖ Vorschriften macht, wer die ÖVP führen darf und wer nicht. Eben, weil die SPÖ Kurz so extrem heftig kritisierte bzw. shitstormte, bleibt der ÖVP alleine aus Gründen der Selbstachtung keine andere Wahl, als Kurz zum Spitzenkandidaten zu machen, egal, wie jung und unerfahren er sein mag. Eine Partei, die sich von anderen Parteien „hineinregieren“ lässt, die sich von anderen angeblichen „Koalitionspartnern“, die aber in Wirklichkeit „Koalitionsfeinde“ sind, vorschreiben lässt, wen sie zum Spitzenkandidaten macht, braucht zu Wahlen eigentlich gar nicht mehr antreten, sie ist zum Verlieren verdammt.

Ein Vizekanzler einer angeblichen SPÖ-ÖVP-Koalition tritt zurück, der der Wirtschaftskammer entstammt. Und damit ein geeichter Sozialpartner ist. Die SPÖ hatte seltsamerweise monatelang tatenlos zugeschaut, wie der sozialpartnerschaftsorientierte Wirtschaftskämmerer Mitterlehner in den Umfragen abstürzt. Dadurch, dass die SPÖ den Sozialpartnerschaftsorientierten Wirtschaftskämmerer Mitterlehner demolierte und seinem Absturz in den Meinungsumfragen tatenlos zusah, droht, dass sich in der ÖVP sozialpartnerschaftsfeindliche bzw. weniger sozialpartnerschaftsfreundliche Elemente durchsetzen und damit überhaupt das Ende der Sozialpartnerschaft.

Wenn der SPÖ an ihrer eigenen Tradition und an der Geschichte der Sozialpartnerschaft etwas gelegen wäre, dann hätte sie sich die Aussage des ehemaligen Gewerkschaftspräsidenten Anton Benya zu Herzen nehmen können: „Der Sinn der Sozialpartnerschaft ist, dass die Gewerkschafter und die Arbeiterkämmerer von den Wirtschaftskämmerern lernen, wie Wirtschaft funktioniert.“ Die damit angesprochene eingeschränkte Fähigkeit, die Gewerkschafter und Arbeiterkämmerer in Sachen Wirtschaft haben, und die Notwendigkeit, Wirtschaftskämmerer zu haben, von denen man lernen kann, hätte die SPÖ und Kern insbesondere eigentlich veranlassen müssen, den Wirtschaftskämmerer Mitterlehner zu halten oder zum Bleiben zu bitten. Stattdessen ließ die SPÖ in Person Kern Mitterlehner fallen und damit auch große Teile der Bedeutung der Sozialpartnerschaft und bot Kurz, der keine vergleichbare sozialpartnerschaftliche Orientierung hat, offensichtlich eine Reformpartnerschaft ohne Reformen an. Der Plan A war sowieso fast nur regierungspolitisch unbrauchbare, nur an die Wähler gerichtete Wahlkampfrhetorik ohne Kostenangabe und überhaupt nicht sachpolitikfähige koalitionsinterne Arbeitsgrundlage. Alleine die Tatsache, dass man den Plan A der Öffentlichkeit vorlegte, und nicht dem Koalitionspartner, spricht dafür, dass es Wahlkampfrhetorik ist. Neben einem Wahlrecht, das gewaltenteilungswidrig Exekutive und Legislative vermischt, ist auch die darin vorgesehene Privatisierung der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften ein problematischer Punkt, dessen Ablehnung die Wiener SPÖ bei der missglückten Volksbefragung mit manipulativen Fragen durchboxte. Natürlich besteht Reformbedarf im Bereich der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften, und auch manchem Genossenschaftsrecht, falls die Rechtslage noch so ist wie vor ein paar Jahren, aber sich von allen Reformmöglichkeiten auf eine einzige zu versteifen, die noch dazu eher zu ÖVP, NEOS oder Stronach passen würde, wirft zahlreiche Fragen auf, darunter die, warum die SPÖ Schwarz-Blau ablehnt, wenn sie großteils dieselbe Politik macht.

Hier eine Liste der Reformen, die nicht passierte: eine Reform des manipulationsanfälligen und extremismusfördernden Bundespräsidentenwahlgesetzes ist nicht erfolgt, weil die SPÖ mit den letzten beiden daraus entstandenen Präsidenten sowieso zufrieden ist. Eine Abschaffung der Möglichkeit der vorgezogenen Neuwahlen, die die Legislaturperiode zum permanenten Wahlkampf ohne Sachpolitik macht, weil alle Parteien im Wahlkampfmodus sind, ist nicht passiert.

Dass die SPÖ ihre jeweiligen Koalitionspartner kaputtkoaliert und ihnen keinen Raum zu Leben lässt, ist nichts Neues. Die nach Kreisky absolute Mehrheiten gewohnte SPÖ koalierte schon 1983-1986 Steger im Rahmen der SPÖ-FPÖ-Koalition kaputt und ermöglichte damit die FPÖ-Machtübernahme von Jörg Haider. Um davon abzulenken, dass die SPÖ 1983-1986 Steger & Co. politisch umbrachte, auch durch die mutmaßlichen Intrigen (gegen den Koalitionspartner!) in Zusammenhang mit der Frischenschlager-Reder-Affäre (woher, wenn nicht vom „Koalitionsinternen Feind“ konnten die Journalisten wissen, wo Frischenschlager und Reder sich treffen ?), stimmte die SPÖ eine Faschismushysterie an, die bis heute anhält. Das sind die wirklichen Intrigen, die die Republik belasten und nicht ein im Rahmen des freien Mandats völlig legitimes Parteienwechselangebot von Kurz an Schellhorn, wie NEOS-Chef Strolz behauptete. Die Möglichkeit des Parteienwechsel ist eine der wenigen Möglichkeiten für Persönlichkeiten und Polittalente, die nicht zur Kernklientel irgendeiner Partei gehören, und sich bei parteiinternen Wahlen oft unglaublich schwer tun, zu reüssieren. Einer der Fehler unser angeblich so wunderbaren Demokratie ist der, dass zwischen den Parteien ein Niemandsland von Leuten existiert, die bei keiner Partei andocken können, die bei jeder Partei Schwierigkeiten haben, bei parteiinternen Wahlen zu reüssieren, weil sie bei jeder Partei zu wenig Stallgeruch haben. Sehr viele prominente Politiker international waren Parteienwechsler, zum Beispiel Winston Churchill (sogar mehrfach, z.B. von den Liberalen zu den Konservativen) oder EU-Kommissar Verheugen (von der FDP zur SPD). Aber in Österreich, das sehr von Stallgeruch und „Politinzucht“ (Copyright Norbert Leser) geprägt ist, gelten Parteienwechsler oft als Verräter, nicht vertrauenswürdig. Auch Fälle von taktischem und wirklich dubiosen Parteienwechsel, der nicht inhaltlich, sondern stark machttaktisch motiviert ist, wie der Fall von Senol Akilic, dessen Wechsel ein problematisches Wiener Wahlrecht zementierte, haben Parteienwechsel in Österreich in Misskredit gebracht, bzw. haben dazu geführt, dass Parteienwechslern in Österreich stärker misstraut wird als fast sonst überall in Europa.

Doch zurück zur verunglückten Koalition SPÖ-FPÖ 1983-1986. Möglicherweise hatten Steger und Frischenschlager gar keine freie Koalitionswahl, sondern mussten eine Vereinbarung erfüllen, die Kreisky und Peter 1970/1971 geschlossen hatten. Weil SPÖ und FPÖ sich im Rahmen der „Heimlichen Koalition“ koalitionslos auf ein Wahlrecht einigten, könnte zusätzlich vereinbart worden sein, dass die SPÖ beim nächsten Verlust der absoluten Mehrheit mit der FPÖ koalieren muss. Wenn Koalitionen keine Zusammenarbeiten aus Überzeugung oder aus Sinn oder aus gemeinsamen Interessen sind, sondern Zwangserfüllungen von Vereinbarungen, die längst aus der Politik Ausgeschiedene vor Jahrzehnten trafen, dann bedeutet das natürlich, dass man seinen angeblichen „Koalitionspartner“ so grausam und intrigant behandeln darf, wie man will (und das bei ausgerechnet der Partei, die laut Häupl Zwangsehen radikal ablehnt), insbesondere wenn man durch koalitionsinterne Intrige die absolute Mehrheit für die eigene Partei zurückerhalten kann. So gesehen sind Kreisky und Peter wegen eines 1971 geschlossenen intransparenten mutmaßlichen Deals, der eine nicht vollzogene Koalition kompensieren sollte, schuld an einer völlig verunglückten Koalition SPÖ-FPÖ-83-86, die eine Tradition der koalitionären Zwangsehen und Intrigen, der Ausgrenzung („Ausgrenzeritis“, wie der kreative Begriffserfinder Jörg Haider sagen würde), der Koalitionspartnerquälung, der Koalitionserzwingung statt freier Koalitionswahl oder Allparteienregierung begründen sollte. Steger und Frischenschlager hätten vielleicht sagen sollen: „Pfeiffen wir doch auf den Deal, den Kreisky und Peter vor Jahrzehnten schlossen. Heute sind andere Zeiten, und die Dinge sind völlig anders gekommen, als Kreisky und Peter das erwarteten.“ Insbesondere die Skandale rund um Verstaatlichte, Noricum und Lucona waren wohl völlig außerhalb Kreiskys Vorstellungsvermögen. Wenn Kreisky all diese Skandale vorher gewusst hätte, hätte er selbst möglicherweise eine andere Koalition als SPÖ-FPÖ bevorzugt und den Sinowatz und Steger mutmaßlich festnagelnden Deal nicht geschlossen.

Die Fast-Unmöglichkeit, eine Parteiöffnung bei demokratischen innerparteilichen Wahlen zu bekommen, wenn nur die Altparteimitglieder wählen, und die durch die Öffnung zukünftig zu gewinnenden Neumitglieder noch nicht, ist ein parteiübergreifendes Phänomen. Selbst die angeblich transparente Piratenpartei, die nach außen hin oft einen chaotischen Eindruck machte, hatte intransparente, durchaus kompetente Denkzirkel, die sich des Widerspruchs Parteiöffnung und Demokratie bewusst waren. Ein Parteichef, der fest im Sattel sitzt, kann Parteiöffnungsstrategien oft besser durchbringen als einfache Mitglieder, die hauptsächlich daran interessiert sind, dass ihre Lieblingsthemen vorrangig diskutiert, bearbeitet und beschlossen werden. Ganz abgesehen davon ähnelt die Kurz-Methode des „Take it or leave it“, „I can be your best friend or your worst enemy“-Technik, und das Mitterlehner ausgerechnet durch seinen Rücktritt an meinem Geburtstag einfädelte, einem strategischen Theorie-Konzept, das ich vor Jahren rein theoretisch für die SPÖ schrieb.

Die SPÖ demoliert seit 35 Jahren anders als zuvor ihre jeweiligen „Koalitionspartner“, die in Wirklichkeit „Koalitionsopfer“ sind, und wundert sich dann, wenn diese Koalitionsopfer den Niedergang durch einen Kurswechsel zu stoppen zu versuchen. Diesmal ist es halt nicht die FPÖ, die dem SPÖ-Kaputtkoalieren durch einen Wechsel von Steger zu Haider zu entfliehen versucht, sondern die ÖVP, die dem SPÖ-Kaputtkoalieren durch einen Wechsel von Mitterlehner zu Kurz zu entfliehen versucht.

Damit eine Koalition funktioniert, muss man seinen Koalitionspartner pfleglich behandeln. Man muss ihn Möglichkeiten geben, Teile seines Programms umzusetzen, sich medial darzustellen, etc. Aber die SPÖ hat den ORF, der eigentlich gesetzlich zu Objektivität verpflichtet wäre, zu einem Instrument umgebaut, um den eigenen „Koalitionspartner“ zu shitstormen: wenn ORF und Armin Wolf Interviews mit ÖVP-Politikern nach der Methode „Wie ganz Österreich weiß, sind Sie der ÖVP-Diktator. Warum haben Sie nicht verhindert, dass …“ shitstormen, darf man sich nicht wundern, dass die Interviewten nur „Was Sie alles wissen …“ antworten, und ein wirkliches Interview mit Informationswert gar nicht zustande kommt. Das ist eine einzige Zeit- und Gebührenverschwendung, eine Wähler- und Seherverdummung auf Wähler- und Seherkosten.

Wenn man seinen „Koalitionspartner“ quält, darf man sich nicht wundern, dass er die Koalition beendet.

Nachtrag vom 16.5.2017: dass Kurz die Regierung verlässt, kann auch Intrigenvermeidung als Motiv haben. Das Wording von Kern erscheint mir übertrieben; das beschlossene Arbeitsprogramm umzusetzen, ohne Minister zu sein oder zu stellen, ist aus meiner Sicht kein eindeutiger Koalitionsbruch. Und damit auch kein eindeutiger Grund, zu einem „freien Spiel der Kräfte überzugehen“. Ich kenne die genauen Details nicht, aber es könnte sich um clausula-rebus-sic-stantibus-Überschreitung handeln. Und diese Konstellation erinnert an die Situation des Jahres 2000: eine asymmetrische Situation, in der die SPÖ eine privilegierte Position gehabt hätte, weil ihre Projekte durchgegangen wären, hingegen die Projekte der der ÖVP wahrscheinlich daran gescheitert wären, dass sich der „Gewerkschaftsblock“ in Person Nürnbergers geweigert hatte, den Koalitionspakt zu unterschreiben.

Nachtrag 17.5.2017: die SPÖ scheint nun doch nicht eine privilegierte Position anzustreben, zwischen SPÖ-ÖVP-Koalitionspakt und freiem Spiel der Kräfte a la carte wählen zu können, zumindest in Fragen der Homo-Ehe. Was die Grünen kritisieren. Das „freie Spiel der Kräfte“ als Drohung, um Kurz zu zwingen, den Vizekanzlerposten einzunehmen, was ihn auch intrigenanfällig machen könnte, ist schon seltsam. Sachpolitisch müsste es eigentlich egal sein, wer Minister ist, wenn das vereinbarte Programm abgearbeitet wird. Die Gewerbeordnungsreform ist vorerst gescheitert. Dafür gibt es ein Studienförderungsgesetz, von dem ich die Details noch nicht weiß. ÖVP-Generalsekretär Lopatka meinte in einem Interview, europäische Armee und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik seien alternativlos. Und die ÖVP sei von uneinholbarer außenpolitischer Kompetenz, und als eines der Beispiele nannte er Alois Mock, der von 1986 bis 1995 Außenminister war, in dessen Amtszeit die gescheiterte Schutzzonenpolitik bzgl. Srebrenica und Zepa fiel. Beides ist fraglich. Auf EU-Ebene wurde ein Verfahren gegen Orban eingeleitet, was Kurz beschädigt, der Orban lobte. Wenn die ÖVP das vorher gewusst hätte, hätte sie Kurz vielleicht gar nicht solche Kompetenzen gegeben, von denen nur vages aus den Medien zu entnehmen ist: „Freie Hand bei Koalitionsverhandlungen“ ? Was soll denn das heißen ? Freie Hand dabei, mit welchen Parteien verhandelt wird ? Freie Hand bei der Besetzung der Verhandlungsgruppen ? Freie Hand bei allem ? Die Kronenzeitung schlagzeilt „Steuersenkung Gebot der Stunde“ Wessen Gebot ? Die Kronenzeitung gebietet, dass sie diejenigen schlecht aussehen lassen wird, die einen Vermögenssteuerverzicht (offen oder verdeckt) versprechen ? Und dass sie diejenigen gut aussehen lassen wird, die Vermögenssteuerverzicht versprechen ? Nicht nur Meinungsumfragenkonzerne beeinflussen die Wahlen, auch Medienkonzerne. Womit sich die Frage stellt, was Demokratie überhaupt ist: Die Herrschaft des verwirrten Volkes ? Die Herrschaft des manipulierten Volkes ? Die Herrschaft des hysterisierten Volkes ? Die Herrschaft des verängstigten Volkes ?

Nachtrag 18.5.2017: inwiefern der Rücktritt von Eva Glawischnig durch ihre relativ schlechten Meinungsumfragewerte verursacht ist, bleibt offen. Aber auch bei ihr gilt, dass sie möglicher völlig andere Popularitätswerte hat, wenn man bis zu 20%-ige Schwankungsbreiten zugrunde legt, wie vor dem ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl aufgetreten.

Nachtrag 24.5.2017: nun scheint Medienberichten nach auch die ÖVP sich aus dem Koalitionsvertrag auszuklinken, und sich in ein freies Spiel der Kräfte einzulassen, dass schon 2008 zu einem Populismus-Exzess führte.

(Nachträge Ende)

Die ÖVP soll an den alten Koalitionspakt gebunden sein und für sie soll ein SPÖ-Überstimmungsverbot gelten, hingegen die SPÖ soll sich a la carte aussuchen können, ob ihr Häppchen aus dem Koalitionspakt lieber sind oder das, was sich im freien Spiel der Kräfte ergibt. Mit Norbert Leser habe ich die verschiedensten Konstellationen durchbesprochen, darunter auch die Minderheitsregierung: legitimationstheoretisch ergibt sich natürlich die Frage (und diese meine Argumentation überraschte sogar Leser, was selten vorkam, weil er wirklich praktisch alles kannte), welche Partei das Recht haben soll, eine Minderheitsregierung zu bilden: die stimmenstärkste oder die mit den meisten Optionen (was gerade in Österreich interessant war, weil die Konstellation mit SPÖ als stimmenstärkster Partei, aber ÖVP als Partei mit den meisten Optionen häufig war) ? Oder die mit den besten Kontakten zum Bundespräsidenten ? So gesehen käme auch eine grüne Minderheitsregierung infrage. Das Konzept einer Experten- oder Beamtenregierung ist so gesehen vielleicht das bessere.

Aber jetzt zum eigentlich verrückten und postdemokratischen: der britische Politikwissenschafter Colin Crouch stellte die These von der Postdemokratie auf, in der er behauptete, politiknahe Berater und Spin Doktoren würden die Politik bestimmen und die Bürger und Wähler aus dem demokratischen Prozess entfernen, was die Zeit der Demokratie beende und die Zeit der Postdemokratie (der Nach-Demokratie) einläute: die äußerlichen Formalitäten der Wahl sind zwar noch intakt, aber die Demokratie ist völlig ausgehöhlt.

Ein Teil dieser Berater und Spin Doktoren, die für Österreich Bedeutung hat, sind die Meinungsumfragenkonzerne. Bereits vor dem ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl veröffentlichten die Medien Meinungsumfragen, die sich als völlig falsch herausstellten, mit Abweichungen von 15% bis 20%. Da es sich systemwidrig um eine völlig zersplitterte Kandidatenlandschaft handelte, gab es zahlreiche taktische Wähler und –innen, die durch die falschen Umfragen manipuliert und in die Irre geführt wurden, was eine Gesetzeswidrigkeit gemäß §283 StGB „Täuschung bei einer Wahl“ darstellte. Bei korrekten Umfragen oder bei Umfragepublikationsverbot, wie es in wirklichen Demokratie üblich ist, hätten nicht so viele (hunderttausende?) Wählerinnen und Wähler nach der Devise „Ich würde ja am liebsten Irmgard Griss wählen, aber weil die Umfragen sagen, dass Griss keine Chance hat, in die Stichwahl zu kommen und Hofer zu schlagen, wähle ich stattdessen Van der Bellen“ verwählt.

Dieses Verwählen durch manipulative Umfragen könnte man technisch durch Reihungswahlrecht a la Condorcet, Schulze oder Borda verhindern.

Schwieriger wird es bei sonstigen Einflüssen und Machtmissbrauchsmöglichkeiten, die Meinungsumfragekonzerne haben.

Eine davon ist die Spitzenkandidatenfrage, eine andere davon ist der parteiinterne Shitstorm mit Meinungsumfragedaten.

Früher einmal in Zeiten vor der Meinungsumfragendiktatur, als die Demokratie noch existierte, entschieden die Parteimitglieder z.B. auf Parteitagen über die Spitzenkandidatenfrage. Die Folge waren absolut sichere Parteitagsergebnisse mit Schwankungsbreite Null. Meinungsumfragen sind da ganz anders, wegen Stichprobenproblematik und Deklarationsunbereitschaft existieren bei Meinungsumfragen oft riesige Schwankungsbreiten und Irrtümer, die wie man im ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl gesehen hat, bis zu 20% gehen können. Das heißt, wenn die Meinungsumfrage sagt, dass Kurz 30% bekommt, Kern 28% und Strache 26%, dann heißt das bei einer Schwankungsbreite von 20% wie bei der Bundespräsidentenwahl, dass ÖVP mit Kurz zwischen 10 und 50% bekommt, SPÖ mit Kern zwischen 8 und 48% und die FPÖ mit Strache zwischen 6 und 46%.

Wenn diese völlig unzuverlässigen und nutzlosen Umfragen am nächsten Tag wirkungslos im Altpapier landen würden, dann wären diese Schwankungsbreiten und diese Unzuverlässigkeiten ja egal. Aber im Zeitalter der postdemokratischen Meinungsumfragendiktatur werden die Wählenden entmachtet und die fehleranfälligen Umfragen und damit die Umfragenkonzerne werden die mächtigen Alleinentscheider: nicht mehr die Wähler /-innen oder die Parteimitglieder entscheiden irgendwas, sondern die Meinungsumfragen.

(Im Übrigen stellt sich die Frage, ob der Wahlkampfslogan des „Notenroulettes“ von VSStÖ/ Hannah Lutz eine Anspielung auf das Umfragenroulette ist, das Präsidentenwahlen und Entscheidungen zwischen Kandidaten dominiert.)

Damit entsteht auch der meinungsumfragenverursachte Zickzackkurs (Flipflop im englischen Sprachgebrauch).

Das Paradebeispiel dafür, das sogar mich überraschte, lieferte die SPÖ: solange die SPÖ mit Kern vor der ÖVP mit Mitterlehner in den Umfragen lag, forderte die SPÖ Neuwahlen, bzw. strebte sie an. Jetzt, wo die Lage plötzlich umgekehrt ist, und die SPÖ mit Kern hinter der ÖVP mit Kurz liegt, wehrt sich die SPÖ mit allen Mitteln gegen Neuwahlen. Dieselbe SPÖ, die noch Monate zuvor für Neuwahlen war. Ein Paradebeispiel, dass es überhaupt nicht mehr um Sachpolitik geht, sondern nur mehr um vorgezogene Neuwahlen und die damit zusammenhängene Taktik: was ist der ideale Zeitpunkt dafür ? Wer liegt vorne ? Wie müssen wir agieren, damit wir besser als anderen dastehen ? Kann man den anderen Parteien trauen, wenn sie sagen, dass sie keine Neuwahlen wollen ? Wie können wir die anderen Parteien am besten durch überraschende Neuwahlen überrumpeln, damit wir durch den Überraschungseffekt einen Vorteil haben und die anderen einen Nachteil ?

Mitterlehner wurde von genau den Medien, die ihn bzw. die Regierungspolitik jahrelang kritisiert hatten, für seinen Abgang gelobt, wohl nach dem Motto „De mortiis nihil nisi bene“ (Über die Toten nur Gutes sagen), aber in Wirklichkeit war er bei seinem Abgang völlig kryptisch und intransparent geblieben (schon US-Präsident Wilson hatte 1919 die Intransparenz der Politik kritisiert) und hatte unpräzise „Das hat so alles keinen Sinn mehr“-Phrasen verwendet, die mehr Fragen offen ließen als beantworteten: wie war die ÖVP-interne bzw. die koalitionsinterne Kommunikation verlaufen: „Herr Mitterlehner, was Sie sagen, ist völlig bedeutungslos, weil Sie die nächste Wahl sowieso nicht als Spitzenkandidat erleben werden, weil Kurz die besseren Umfragen hat“ ? Die Meinungsumfragenkonzerne manipulieren nicht nur den politischen Prozess, sie tun es vielleicht auch noch intransparent.

Und es stellt sich auch die Frage der Hintergrunddeals: welche Versprechen, welche Zusagen mussten Kurz oder Monate zuvor Kern den Meinungsumfragenkonzernen oder mit ihnen verbundenen Unternehmen machen, um derartige eigentlich unmöglich gute Umfragewerte zu bekommen ? Auch hier ist Transparenz gefordert. Die mutmaßlichen Geschäfte und Vereinbarungen, die Kurz und Kern für ihre sensationell guten Umfragenwerte mit den Meinungsumfragenkonzernen oder mit ihnen verbundenen Unternehmen möglicherweise eingehen mussten, müssten – falls sie existieren - ans Tageslicht gebracht werden. Und falls keine Deals und Zusagen existieren, die Kern und Kurz machen mussten, so bleibt doch die schlechte Optik, dass Kern und Kurz die Sklaven ihrer Königsmacher, nämlich der Meinungsumfragekonzerne sein könnten, die schlechte Optik, dass sie ohne heimliche Deal diese sensationell guten Umfragewerte vielleicht nicht hätten, die schlechte Optik, dass vielleicht nicht die Wählerinnen und Wähler die Wahlen entscheiden, sondern die Umfragekonzerne durch heimliche Abkommen. Dies könnte die Kluft zwischen Politik und Bürgern vertiefen und zu einer tiefen Staatskrise führen, zu niedriger Wahlbeteiligung. Dies kann auch zu antidemokratischen Tendenzen führen, zu gewaltsamen Revolutionen.

Die politischen Parteien verschwenden dann einen Großteil ihrer Zeit mit Taktieren und Analysieren in Bezug auf vorgezogene Neuwahlen. Sachpolitik ist dann unmöglich oder nur mehr in extrem geringem Umfang möglich.

Dabei ginge es auch anders: in den USA sind vorgezogenen Neuwahlen völlig unmöglich. In Deutschland sind sie zwar möglich, aber juristisch kompliziert und daher sehr selten. Und weil sie so kompliziert sind, verschwenden die deutschen Parteien auch kaum Zeit auf das diesbezügliche Taktieren und Analysieren. D.h. sie haben viel mehr Zeit für Sachpolitik.

Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass 33 Jahre Nachdenken genug sind, und dass wir eine Volksabstimmung über Wasserkraftwerk Hainburg brauchen. Bau und Betrieb eines Wasserkraftwerks Hainburg würde Arbeitsplätze für österreichische Bauarbeiter, später für Ingenieure, mehr Unabhängigkeit von Erdöl- oder Erdgas- oder Atomstrom- oder Atomsubstitutionsstrom bedeuten. Franz Olah, der später von der SPÖ ausgeschlossen wurde, war Vorsitzender der Gewerkschaft „Bau-Holz“. Ich schätze, er wäre als Bauarbeiterführer sicher für den Bau des Wasserkraftwerks Hainburg gewesen, oder zumindest für eine Volksabstimmung, um die ewige Pause vom Denken, die die Politik seit 33 Jahren macht, zu beenden. Und er wäre vielleicht auch nicht gestürzt worden, wenn er nicht so anständig gewesen wäre, seinen Teilgewerkschaftsvorsitz bei der Übernahme des Innenministeriums zurückzulegen. So ähnlich, wie Helmut Schmidt nicht das deutsche Kanzleramt verloren hätte, wenn er nicht der Trennung in Parteivorsitz und Kanzleramt zugestimmt hätte.

Atomsubstitutionsstrom ist nicht-AKW-Strom, z.B. Wasserkraftstrom, der nur deswegen frei und verfügbar ist, weil AKW-Strom ihn freispielt. Atomsubstitutionsstrom zu importieren, ist also praktisch dasselbe wie Atomstrom zu importieren; dass Österreich keinen Atomstrom, aber Nicht-AKW-Strom, der nur durch AKWs frei wird, importiert macht diese ganze österreichische Stromimportpolitik zu einem reinen Ökoschmäh. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann wollen die Parlamentsparteien eine Ökoschmähstromnovelle beschließen, die den Ökoschmäh rund um den Import von nur durch AKWs freigespielten Nicht-AKW-Strom festschreibt.

Wenn Österreich französischen Wasserkraftstrom importiert, dann ist das nur deswegen möglich, weil Frankreich soviele Atomkraftwerke hat, die den Wasserkraftstrom exportierbar machen. Wenn Frankreich keinen Atomstrom hätte, könnte es keinen Wasserkraftstrom nach Österreich exportieren. Wenn Österreich französischen Wasserkraftstrom importiert, dann finanziert das wegen des Substitutionseffekts, also des Ersetzungseffekts die französische Atomkraftwerksindustrie indirekt.

Die eigenen Wasserkraftmöglichkeiten (wie z.B. Hainburg) maximal zu nutzen, ist der einzige Weg, AKW-Stromfrei zu sein, alles Andere ist populistischer Ökoschmäh.

Im Regierungsprogramm ist eine Senkung der Stromimportabhängigkeit vorgesehen. Der Bau eines Wasserkraftwerks Hainburg wäre ein Mittel dazu. Diskutiert wird es nicht. Als treibende Kraft darf die SPÖ vermutet werden, weil die ÖVP überall (z.B. in den Bundesländern), wo sie alleine das Sagen hat, die Wasserkraftmöglichkeiten maximal ausgebaut hat, und weil die SPÖ möglicherweise ihr Gesicht verlieren würde und sich eine massive innerparteiliche Debatte einhandeln könnte, wenn Hainburg gebaut würde. Auch die SPÖ-Rhetorik vom atomstromfreien Österreich würde als Lüge dastehen, wenn die große Koalition sagen würde, dass Hainburg gebaut werden muss, um Atomsubstitutionsstromimporte, die gleichsam halbe Atomstromimporte ist, zu verhindern. Fehlervertuschung statt Problemlösungen also, und das wird als dazu verwendet, um zu begründen, dass „große Probleme große Koalitionen erfordern“.

Buchempfehlung trotz Vorbehalten: Colin Crouch, Postdemokratie

Buchempfehlung: Fiskalföderalismus in Europa, Stefan Homburg, Hans Werner Sinn, Ewald Nowotny

Ewald Nowotny, sozusagen das wirtschaftspolitische Mastermind der SPÖ, steht hier dem Wettbewerb zwischen verschiedenen Regionen bzw. Bundesländern durch Föderalisierung / Subsidiarisierung, für einen Sozialdemokraten überraschend positiv gegenüber, wenn man das mit der Rhetorik von SPÖ-Politikern vergleicht. Aber er ist halt irgendwie außerhalb. Durch seine Sonderstellung und sein Renomee als Wirtschaftswissenschafter darf er Dinge sagen, die ein SPÖ-Politiker wohl nicht sagen dürfte.

Das freie Mandat gilt so gesehen für ihn, während es für die, für die es eigentlich gelten sollte, nämlich die Nationalräte, wohl eher nicht gilt. Inwieweit die sich ankündigende Machtkonzentration in Person Sebastian Kurz eine Gefahr für das freie Mandat sein wird, wird man in Zukunft sehen.

Apropos Ewald Nowotny: in der Tageszeitung „Österreich“ war kürzlich ein klitzekleiner Artikel, in dem Ewald Nowotny Österreich zu budgetpolitischer Disziplin mahnte, ohne irgendwelche weitergehenden Ausführungen und Erläuterung. Dies ist möglicherweise ein Hinweis auf die Phase kurz vor der letzten Wahl, in der sich die verschiedenen Parteien mit populistischen Wahlgeschenken überboten, bzw. überbieten mussten. Die Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid hat damals einen Artikel geschrieben mit dem Titel „Die lange Nacht des Populismus“, wenn ich mich recht erinnere. Und dass sie eine Wiederholung der Populismus-Nacht gefürchtet haben könnte, alleine schon wegen Kern´s Double Speak Regierungspakttreue-FreiesSpielDerKräfte, könnte für sie ein Grund gewesen sein, als Chefredakteurin zurückzutreten.

Nachtrag: inwieweit die (schlechten) Umfragewerte auch den Rücktritt von Eva Glawischnig verursachten, bleibt dahingestellt. Von SPÖ und Grünen wurde die Eurofighter-Frage meines Erachtens nach sehr einseitig „gespielt“. Und wenn die ÖVP dann einen Wechsel macht hin zu Kurz, der wegen seiner Jugend ohne Verbindung zum Eurofighter ist, dann passt es SPÖ und Grünen wieder nicht ?

Und jetzt zum ORF: der ORF bietet ein Trauerspiel eines verpolitisierten Rundfunks, der völlig politikunfähig zu sein scheint, und nur mehr irgendwelche Phrasen irgendwelche unzeitgemäßer Politapparatschiks zu wiederholen fähig zu sein scheint.

Dazu einige Beispiele: angeblich gibt es einen Deal zwischen ÖVP und SPÖ, dass die ÖVP die Nachrichtensendungen auf ORF1 bekommt, und die SPÖ die Nachrichtensendungen auf ORF2. Aufgrund der Berichterstattung sieht es auch irgendwie so aus. Aber auf ORF1 gibt es nun einmal kaum Nachrichten- und Debattensendungen, die sind zu 80% auf ORF2.

Bei der letzten steirischen Landtagswahl lieferte der sogenannte Anchorman der ZIB 2, eine völlig deplatzierte Stellungnahme, die darauf hinauslief, ÖVP-LH-Schützenhöfer als machtgierigen Diktator darzustellen. Allerdings unterschlug Armin Wolf, der der SPÖ Wien oder den Grünen nahezustehen scheint, dass in Landtagswahlkampf zuvor der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Leitwolf Michael „Wahlkampf ist die Zeit der fokussierten Unintelligenz“ Häupl mit seinem auf SPÖ-Stmk-Vorsitzenden Franz Voves gemünzten Spruch „Ein echter Sozialdemokrat spricht nicht wie die Pegida“ Voves unter die 30%-Rücktrittshürde gedrückt hatte. Die ÖVP Stmk hätte den landeshauptmannposten nie bekommen können, wenn die SPÖ Stmk dies nicht gewollt hätte, aber nach dem „friendly fire“ von den angeblichen Wiener Genossen, die in Wirklichkeit eher Wiener Feinde sind, hat die SPÖ Stmk auf den landeshauptmannposten absichtlich verzichtet, weil sie wohl das Gefühl hatte, dass ihr die angeblichen Feinde aus der steirischen ÖVP freundlicher gesinnt sind als die angeblichen Freunde aus der Wiener SPÖ. Und daher hat die steirische SPÖ auf den Landeshauptmannposten und einen ORF-Stiftungsrat verzichtet, was der angebliche ORF-Anchorman Armin Wolf durch seine „House of Cards“-Spielereien vertuschte. Auch die Gesprächsführung von Armin Wolf mit dem NÖ-LH Pröll war ein Witz: Wenn man ein Interview beginnt mit dem Statement „Wie ganz Österreich weiß, sind Sie der ÖVP-Diktator. Warum haben Sie dann das und das nicht verhindert ?“, dann darf man sich nicht wundern, dass der Interviewte antwortet: „No, wos Sie alles wissen …“ und dass ein wirkliches Interview mit Informationswert gar nicht zustandekommen kann.

Aber bei Wolf passt das in sein übliches Muster: kritisch gegenüber rechts, unkritisch gegenüber links. Kein kritischer Journalist, sondern ein selektiv kritischer Journalist. Auch in der Sendung Punkteins argumentierte Wolf genauso wie die SPÖ-Minister: „Mitterlehner wurde ÖVP-intern gekillt“, ohne Berücksichtigung der Meinungsumfragen. Sowohl Armin Wolf wie auch zahlreiche SPÖ-Minister vertuschten, dass die Meinungsumfragen eine zentrale Rolle spielten beim Rücktritt von Mitterlehner (genauso wie sie wohl auch eine zentrale Rolle gespielt haben dürften bei Rücktritt von Faymann).

Zum angeblichen „Anchorman“ Wolf fällt mir nur ein, dass so mancher Anker so schwer ist, dass er das Schiff, insbesondere, wenn es nach einem Sturm beschädigt ist, in die Tiefe und in den Abgrund zieht. Und Armin Wolf ist auch ein gutes Beispiel für Neill Postman´s These, wir würden uns zu Tode amüsieren. Das Fernsehen habe der Theorie wegen seiner Bildhaftigkeit einen besonders hohen Verdummungs- und Zu-Tode-Amüsierungsfaktor.

Aber auch die ÖVP hat eine gewisse Macht im ORF, die vielfach in der Unterdrückung kritischer Fragen liegt. So folgte ich einer Aufforderung, sich per Email an einer PunktEins-Debatte zum Bauernsterben zu beteiligen. Der Text war:

`Ich befinde mich da irgendwie im Zwiespalt. Einerseits habe ich eine Nähe zum Bauerntum, weil ein Teil meiner Familie daherrührt. Andererseits bin ich als Konsument mit niedrigem Einkommen vielfach gezwungen, billige Importware zu kaufen. „Feinkostladen Österreich“ hiesst für mich vielfach sauteuer und unerschwinglich.

Stimmt es, dass Österreich die höchsten oder fast-höchsten Lebensmittelpreise in Europa hat, wie ich gehört und gelesen habe ?

Hat Österreich hohe Löhne im Verarbeitenden Bereich ?

Ist es die fast-monopolistische Struktur im Lebensmittelhandel, die preistreibend wirkt ?´

Gut. In der Schnelligkeit einer Live-Sendung habe ich mich vertippt und „hiesst“ statt „heisst“ geschrieben. Aber bei ein bisserl fehlertolerantem Lesen hätte jeder und jede draufkommen können, was gemeint ist.

Die Beteiligung an der Diskussion war eher gering (vielleicht wegen der Mittagszeit). Und auch das übliche „Wir entschuldigen uns, dass wegen der Vielzahl der Anrufe und Mails nicht alle diskutiert werden konnten“ wurde nicht gesagt.

Somit bleibt, die Conclusio, dass in der Politik nichts schlimmer ist, als von den Medien totgeschwiegen zu werden, und dass nichts schlimmer ist, als zwischen allen Stühlen zu sitzen, denn dann landet man tatsächlich schmerzhaft am Arsch, selbst wenn man Talent und Wissen hat.

Dankbarkeit ist keine politische Kategorie, sagte der frühere SPÖ-Bundeskanzler Kreisky einmal. Gerechtigkeit in vielen Fällen auch nicht.

Die deutsche Zeitung „Die Zeit“ brachte etwas über „Neue Armut in Wien“.

www.zeit.de/2017/19/armut-wien-familie-sparen-lebensmittel

Der Fokus des Artikels, der in Österreichischen Medien nicht zitiert wurde („Die Wahrheit ist in Ihrem Land nicht erhältlich“ ?) liegt hier auf armen Familien, dass auch Singles arm sein könnten, wird kaum thematisiert. Singles haben in vielerlei Hinsicht Nachteile. Sie haben – oft alternativlos - höhere, oft wesentlich höhere Mietpreise pro Quadratmeter als Familien. Und sie haben Nachteile bei Großpackungen und Mengenrabatten. Kaufen Singles Großpackungen, die günstiger pro Kilogramm sind als Singlepackungen, wird oft ein Teil der Ware schlecht, etc.

Was man als finanziellen Zwang zur Verpartnerung oder als Zwang zur Verheiratung sehen kann, gerade bei einem Bürgermeister, der wie Michael „Wahlkampf ist die zeit der fokussierten Unintelligenz“ Häupl Zwangsehen absolut abzulehnen behauptet.

Dasselbe trifft übrigens auch auf die SPÖ-nahe bzw. SPÖ-quasi-eigene ÖBB zu. Dort gibt es islamkonforme Ermäßigungen für Kinder (muslimische Familien sind auch wegen verschiedener Koran-Suren oft sehr kinderreich), während die Preise für Singles angehoben wurden, was dazu führte, dass zahlreiche Singles auf Fernbus umstiegen, bzw. umsteigen mussten, der in mancherlei Hinsicht ökologisch problematischer zu sein scheint als die Eisenbahn, auch wenn der Fernbus nach vielen Statistiken nach der Bahn das zweitökologischste Fernverkehrsmittel zu sein scheint.

Die Arbeit von Maria Sterkl, die auch für die politisch-(über-)korrekte Zeitung „Der Standard“ arbeitet, hat irgendwie immer denselben Tenor: arme Frauen, arme Zuwanderer, arme Muslime. Themen wie hohe Kinderbeihilfen und hohe Familienförderung, Phänomene wie männliche, stolze Armut werden bei ihr kaum thematisiert.

https://de.wikipedia.org/wiki/Colin_Crouch

(Colin Crouch, Autor des Buchs "Postdemokratie" 2013, Bild-Copyright: wikipedia / Niccolo Carranti)

Ich schrieb schon anläßlich des ersten Wahlgangs der Bundespräsidentenwahl, der wahrscheinlich durch gesetzwidriges Irrführen der taktischen Wähler und -innen durch völlig falsche Meinungsumfragen entschieden wurde, der erste Artikel unserer Verfassung müsste eigentlich ungefähr so heissen:

"Österreich hat eine nachdemokratische königslose Staatsform. Ihr Recht geht von Medien und Meinungsforschungsinstituten aus."

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
5 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 24.05.2017 18:47:16

Markus Andel

Markus Andel bewertete diesen Eintrag 24.05.2017 18:40:00

5 Kommentare

Mehr von Dieter Knoflach