Vorbeitrittshilfenverbot statt Türkeibeitrittsverhandlungsende

Große Teile der österreichischen politischen Elite (Kurz, Kern, Glawischnig, etc.) haben im Unterschied zu großen Teilen der deutschen politischen Elite letztlich in Fragen der Forderung nach Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wieder ein populistisches Scheinargument geliefert, das am wirklich Wichtigen vorbeigeht und wohl von den wirklichen Skandalen ablenken soll.

Erstens einmal gibt es gar keine Verhandlungen über die Bedingungen des EU-Beitritts der Türkei, weil die Kriterien für den EU-Beitritt unverhandelbar feststehen, nämlich die Kopenhagener Kriterien –> https://de.wikipedia.org/wiki/Kopenhagener_Kriterien

Zweitens besteht zwischen Türkeibeitrittsprozessabbruch und Fortsetzung des Beitrittsprozesses mit negativem Ausgang wegen vielfacher schwerer Beitrittskriterienverletzung (Demokratie, Pressefreiheit, Todesstrafe, etc.) kein sachlicher Unterschied, der die Aufregung und die Hektik rechtfertigen könnte.

Als einzige wirkliche Alternative zum jetzt lahmgelegten Beitrittsprozess bieten sich wirkliche Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei an. Abgesehen davon, dass derartige Wirtschaftssanktionen auch der EU wehtun und schaden würden, sind auch die bis jetzt völlig erfolglosen Russland-Sanktionen der EU, die seit 2014 in Kraft sind und die der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) als "dummes Zeug" bezeichnete, ein schwerwiegendes Argument, die Finger von solchen Sanktionen zu lassen. Andererseits ist die Türkei rohstoffärmer und tourismusabhängiger als Russland, was man als ein Argument für Wirtschaftssanktionen betrachten kann.

Der wirkliche Skandal, von dem die offensichtliche Scheinaktivität unserer Politiker scheinbar ablenken will, sind die Vorbeitrittshilfen in Höhe von 5 Milliarden Euro, die die Türkei von der EU erhalten hat und die wohl nicht zurückerlangt werden können.

Um derartige Desaster, ein Land zu finanzieren, das auf dem Weg ist, sich von der EU zu entfernen und sich Richtung (religiöser) Diktatur und Todesstrafe zu entwickeln, für die Zukunft zu vermeiden, sollte ein EU-vertragliches Verbot dieser Vorbeitrittshilfen eingeführt oder wenigstens diskutiert werden.

http://www.welt.de/politik/ausland/article157531388/Fuenf-Milliarden-Euro-an-die-Tuerkei-fuer-eine-diplomatische-Fiktion.html

Bezüglich des Unterschieds zwischen Deutschland und Österreich gibt es zwei unterschiedliche Erklärungen:

Möglichkeit a) Kern und Kurz und Glawischnig versuchen mit ihrer unsachlichen Scheinaktivität, der FPÖ das Wasser abzugraben und versuchen verzweifelt, mit derartigen Bocksprüngen einen Wahlsieg von Norbert Hofer (FPÖ) bei der kommenden Wiederholung der Bundespräsidentschaftswahl zu verhindern. Die FPÖ und ihre Chancen, ihren Bundespräsidentschaftskandidaten "durchzubringen" sind ein österreichisches Spezifikum, das in Deutschland keine Entsprechung hat. Die deutsche AFD hat laut Umfragen ca. ein Drittel bis ein Viertel der Wähleranteile der FPÖ, die AFD ist im deutschen Bundestag nicht vertreten (sie scheiterte bei der letzten Bundestagswahl knapp an der Fünfprozenthürde), und derzeit und auch auf absehbare Zeit ist die AFD wahrscheinlich völlig chancenlos, wenn es darum geht, ihren Kandidaten bzw. ihre Kandidatin zum Bundespräsidenten zu machen (allerdings kann sich das bis zum Jahr 2040 rein theoretisch ändern).

Möglichkeit b) Großmächte (wie Deutschland) tragen Verantwortung in der internationalen Politik und müssen sich daher einigermaßen vernünftig verhalten, während Kleinstaaten (wie Österreich), die auf die europäische Politik keinen wesentlichen Einfluss haben, verantwortungslose und populistische und rein innenpolitisch motivierte Aussenpolitik machen können, ohne international und global viel Schaden anrichten zu können.

(Ich habe eine ähnliche These schon in einem meiner Blogs vertreten, aber ich schaffe es in der zeitlichen Kürze nicht, das auf die Schnelle rauszusuchen, und bei den mickrigen Leserzahlen dürfte es ja auch ziemlich egal sein).

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Spinnchen

Spinnchen bewertete diesen Eintrag 10.08.2016 12:41:26

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