Ganz am Anfang steht diese Einladung. Damit meine ich nicht nur am Anfang dieser Geschichte. Dieser Willkommen-Gruß steht auch am Anfang jeder Begegnung mit einem Greeter. Was in Houston, Bilbao oder Kent, der Elfenbeinküste, Toronto und Berlin seit Jahren gang und gäbe ist, hat Anfang des Jahres endlich auch Wien erreicht: Jonathan, selbst immigrierter Engländer, hat gemeinsam mit vier anderen dieVienna Greeters gegründet. Über 80 Einheimische haben sich dem Verein seither angeschlossen und führen Besucher, Touristen oder Neo-Wiener auf zwei- bis dreistündigen Spaziergängen durch ihre Stadt. Freiwillig und ehrenamtlich zeigen sie Interessierten die Plätze, die in ihrem Leben eine Rolle spielen.

Seit ein paar Monaten bin ich eine davon.

Kennengelernt hatte ich das Netzwerk, das 1992 in New York entstanden und mittlerweile 100 Städte auf der ganzen Welt erobert hat, aber schon vor über drei Jahren.

„Ich möchte gern die Ecken von Buenos Aires kennenlernen, in die sonst keine Tourist kommt“, begrüßte mich damals Patricia bei der Station „Catedral“ der U-Bahn Subte in ihrer Stadt und fügte hinzu: „Bei solchen Anfragen könnte ich gleich davonlaufen!” Dass das auch mein Wunsch war, verschweige ich besser - Patricia weiß es aus ihrer Erfahrung ohnehin all zu gut: Seit über 10 Jahren ist die Übersetzerin für Englisch und Portugiesisch als „Cicerone“ tätig. So heißen die Einheimischen des Greeters-Netzwerks in Buenos Aires. Ob Shoppingrunde, Innenstadt-Spaziergang oder Museumsbesichtigung sind sie für alles online zu buchen – oder besser gesagt, für fast alles.

„Einen Ort ohne TouristInnen gibt es in Buenos Aires nicht”, setzte Patricia gleich noch eines drauf, „gerade am Wochenende sind auch viele Argentinierinnen und Argentinier unterwegs, wir reisen gern. Und wenn ich Gäste in meinen Alltag mitnehme, heißt das, sie zu meinen Eltern mitzubringen in ein Viertel, das nichts zu bieten hat.” Okay, ich habe verstanden: Die Einheimischen-Tour kann ich mir also abschminken! Es sind typische Plätze, die mir die Porteña – so heißen die Leute aus Buenos Aires – in den nächsten vier Stunden zeigte, und doch erfuhr ich durch sie und mit ihr Dinge, die ich vielleicht sonst nicht in Erfahrung gebracht hätte. Ganz im Sinne der Cicerones, die laut Website vor allem ein gutes Image ihrer Bewohner schaffen und einen „profunden Einblick in ihre Stadt” bieten wollen. Neues erfahren aber nicht nur die Gäste, auch die Hobby-Reiseführer entdecken so manche bisher ungesehene Ecke ihrer Stadt. „Keine Tour ist so, wie die vorherige”, bestätigte auch Patricia zum Schluss unserer gemeinsamen Tour, „manchmal entdecke sogar ich als Einheimische und nach 10 Jahren als Cicerones meine Stadt neu.”

Mittlerweile weiß ich, wovon sie spricht, geht es mir doch nach (bisher) zwei Spaziergängen mit deutschen und US-amerikanischen Touristen durch Wien nicht anders. Nur diesmal bin eben ich diejenige, die eingeladen hat: „Komm, ich zeig dir mal meine Welt!“

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fischundfleisch

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