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Lautes, verzweifeltes Geschrei im Gartenzentrum bei den Jungpflänzchen. Nicht gleich ist mir bewusst, was es damit auf sich hat und sicherheitshalber sage ich meiner Tochter, dass sie aufhören soll, so laut zu schreien. Die sieht mich aber ganz entgeistert, mit geschlossenem Mund an und erst dann bemerke ich, woher das Gebrüll wirklich kommt: Ein vereinsamtes Einkaufswägelchen, gefüllt, nur mit zwei schluchzenden Kindern von zirka 4 und 2 Jahren. Ein paar Meter hinter ihnen im engen Gang liegt eine bewusstlose Frau. Über sie beugt sich eine laut schreiende jüngere Frau.

„Mama? Was ist da los?!“

„Sitzen bleiben!“ lautet mein Befehl als ich mich von ihnen weg drehe, und hin zur bewusstlosen Frau quetsche. „Ist nicht schlimm! Bitte bleibt einfach nur sitzen!“, wiederhole ich ruhig, als ich Panik in ihren Augen sehe. Als ich dort ankomme, sind schon eine betagte Frau und ein Herr bei ihnen und kontrollieren die Vitalfunktionen der Bewusstlosen. Da schlägt sie auch schon die Augen wieder auf. Benebelt bewegt sie langsam den Kopf.

Die Kinder – ihre Kinder – schluchzen noch lauter und der 4jährigen rinnen die Tränen über die Wangen.

„Jetzt zahlt sich das blöde Ding endlich aus.“ Meint die betagte Frau in meine Richtung und kramt in ihrer Tasche. „Mei Tochter hat ma die Notrufnummern extra eingspeichert!“ Sie zückt ihr Handy und alarmiert den Rettungsdienst.

Da sich alle um die am Boden liegende Frau kümmern, wende ich mich an die Kinder und rede ruhig auf sie ein. Schiebe sie ein wenig näher, damit sie sehen können, dass ihre Mama die Augen wieder offen hat und es ihr nicht all zu schlecht geht. „Jetzt kommt dann gleich die Rettung und die helfen ihr. Sie darf dann mitfahren im großen Krankenwagen und dann geht es ihr gleich wieder viel besser. Ihr werdet sehen, sie wird dann auch wieder lächeln können…“ Während ich leise und ruhig auf die Kinder einrede, die mich mit großen, verweinten Augen ansehen, kommt auch schon der Notfallarzt in die Gartenabteilung gestürmt.

Im Dauergequasselmodus schiebe ich sie mit dem Einkaufswagen ein wenig aus dem Weg, damit die Sanitäter genügend Platz haben, um ihre Arbeit zu erledigen. Nie höre ich auf mit den Kindern zu sprechen. Immer in aller Ruhe. Mehr kann ich für die arme Frau, die da auf diesen kalten, nassen Boden liegt, nicht tun. Ich kann nur schauen, dass es ihren Kindern nicht zu sehr ihr kleines Herz zerreißt. Denn ich stelle mir vor, was für mich am Wichtigsten wäre, würde ich dort liegen. Das Wichtigste wäre, dass meine Kinder versorgt sind. Ich bin egal, Hauptsache meinen Kindern geht es gut… typisch Mama eben.

Ich stelle die Einkaufswägen nebeneinander. Meine Kinder und ihre. Ich versuche zu erklären, was die Leute jetzt da alles machen. Meine Kinder fragen und löchern mich. Ich versuche, ihnen kindergerecht zu erklären, was Bewusstlosigkeit bedeutet. Ihre Kinder sehen mich nur an. Ruhig. Kein Weinen und Schluchzen mehr.

Die Trage mit der Frau wird vorbeigeschoben. Ich rede und rede, bis die jüngere Frau, die so sehr geschrien hat, auf mich zukommt und sich bedankt. Auf Englisch.

Die Kinder haben wohl kein einziges Wort verstanden, aber allein durch das, dass jemand da war, jemand der Ruhe und Zuversicht, Gelassenheit und Hoffnung ausstrahlte, wurden auch sie ruhiger und gelassener. Ich hoffe, dass ihre Mama ganz schnell wieder auf die Beine kommt und sie wieder in die Arme schließen kann!

Erst nachdem sie aus meiner Sichtweite verschwunden sind, bemerke ich, dass die Frauen verschleiert waren. Gleichzeitig mit diesem Gedanken beschleicht mich ein richtig gutes Gefühl denn: Egal, ob Schleier oder nicht. Egal, ob Deutsch oder irgendeine andere Sprach. Ganz egal, woher du kommst und wer du bist. Wenn Hilfe gebraucht wird, dann gibt es Menschen, die einfach helfen. Die nicht über einen drübersteigen und sich vielleicht noch aufregen, dass man genau da herumliegt, wo man doch eigentlich zu den Kohlrabipflanzerl wollte.

Man hilft!

Mensch, bleibt eben Mensch – und das ist ein wunderschönes, aufbauendes Gefühl in einer so eigenartigen Zeit, wo man nur noch als Linker, Rechter, Gutmensch oder Nazi eingestuft wird.

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Monikako

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