Bankrott auf Termin

„EU verspricht gratis Wlan für alle“, titelt die NZZ. Die Schlagzeile enthält unfreiwillig eine fatale Wahrheit. Jene Wahrheit, die dazu führend wird, dass wir scheitern. Als Gesellschaft. Möglicherweise als Zivilisation. Es sind drei Worte: Staat – kostenlos – alle.

Es geht um Geld. Um unser Verhältnis zu Geld. Darum, wie stark sich dieses verändert hat und wie sich diese Tatsache auf uns als Individuen und als Gesellschaft auswirkt. Denn: Ein täglich grösserer Teil dessen, was wir als unsere Realität, unseren zivilisatorischen Alltag wahrnehmen, ist nicht bezahlt. Gekauft und konsumiert wird heute, bezahlt werden muss erst im nächsten Monat oder in hundert Jahren. Wir leben als Gesellschaft – Privatpersonen, Unternehmen, Behörden – grösstenteils auf Termin. Handel im Sinn des Austauschs von Werten mit Laufzeit null – heute konsumieren, heute bezahlen – macht nur noch einen verschwindend kleinen Teil des Wirtschaftens aus. Der überwiegende Teil ist Verbrauch, dem ein täglich grösser werdender Berg an Forderungen gegenübersteht, deren Gemeinsamkeit darin liegt, dass sie in der Zukunft liegen. Es spielt keine Rolle mehr, ob einer heute über die notwendigen Werte zum Kauf verfügt. Es reicht das Versprechen, morgen zahlungswillig und -fähig zu sein. Die Logik normaler Märkte ist damit ad absurdum geführt.

Die Frage, wie solches gut gehen soll vor dem Hintergrund, dass bisher kein einziges Kreditgeldsystem überlebt hat, sondern stets mitsamt den Vermögenswerten von Generationen verdampft ist, scheint indes nicht viele zu bewegen. Ebenso wenig Widersprüche wie jener, dass Staaten aufgrund von Versprechen, die in hundert Jahren von Menschen, die noch nicht leben, einzulösen sind, Milliardenbeträge erhalten und verschwenden, während sich gleichzeitig Experten-Vorhersagen über die Wirtschaftsentwicklung eines Landes für die kommenden 12 Monate mit grosser Regelmässigkeit als falsch herausstellen.

Warum treibt solch grössenwahnsinniger Widerspruch, die absehbare Zerstörung von Zukunft, die Lügen nicht Millionen auf die Strassen der Nationen? Vielleicht unterschätzt Wolfgang Schäuble die Menschen und sie wissen längst, dass „Geld nicht alles“ ist. Vielleicht ist es aber auch so, dass Betrug und Selbstbetrug einer Mehrheit kurzfristig mehr Vorteile bringen, als die Realität echter Märkte, wo Investitionsvorhaben knallhart auf Rentabilität und Schwachstellen abgeklopft werden, wo Haushalte sich splitterfasernackt zu präsentieren haben bei Kreditbegehren und wo Staatspersonal sich nicht hauptamtlich der Vermehrung und dem Kauf von Macht widmen kann.

Der Einwand, dass zwischen der Realität der Lohnzettel und Kreditkartenabrechnungen und jener, in der Zentralbanken innerhalb von drei Stunden den Gegenwert der gesamten Goldförderung des ersten Quartals 2017, nämlich 764 Tonnen oder 242 Millionen Euro (Frank Meyer), drucken, ist nur bedingt gültig. Den Graben dieser Welten überspannt verbindend ein Paradigmawechsel aller Akteure, der tiefer geht und nachhaltiger zerstört, als sämtliche von staatlicher Seite angeblich bekämpfte Unterschiede es je könnten. Es ist, befeuert von Regierungshandeln und Zentralbankenrhetorik, die Abwendung von der Realität, die da sagt, dass für Geld dieselben Regeln gelten, wie für andere Güter: Zuallererst jene der Knappheit.

„Whatever it takes.“ lässt EZB-Chef, Mario, „Zauberer der Märkte“, Draghi die Welt wissen. „Keine Limiten“. „Unbeschränkt“ sekundieren die Kollegen nationaler Zentralbanken. Geld gibt’s immer. Geld ist nie knapp. Und vor allem: Geld kostet nichts mehr. Geld in keine Frage von Leistung und Wert sondern eine Frage von Willen und Verteilung. Es ist Grössenwahn und planwirtschaftlicher Irrsinn in einem. Wie gesagt: Das ist fatal und wird in Zerstörung münden. Mögliche Szenarien sind jahrzehntelanges wirtschaftliches Siechtum, Inflation, Deflation, Crash und folgende Depression. Man weiss es nicht. Fataler noch aber, als dieser absehbare materielle Ruin, ist die Tatsache, dass mit der Verwässerung des Geldes schon heute eine Verwässerung bisher geltender Handlungs- und Bewertungsprinzipien einhergeht, die die Sache noch verschärfen wird. Zu Boden geht dann nicht eine gesunde starke Gesellschaft, die den Willen zum Neuanfang in Händen hält, sondern ein neidzerfressener, heulender Haufen Opfer, der sich in pubertärer Aufsässigkeit ungerecht behandelt fühlt.

Geld mag nicht alles sein. Indes – Geld berührt fast jeden Bereich eines Lebens. Ein Grosser Teil der Entscheidungen, die wir fällen, stehen in direktem Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Menge des zur Verfügung stehenden Geldes beschränkt ist. Egal, ob es sich dabei um die Entscheidung für oder gegen ein Abendessen, eine Wohnung, Ferien, ein Auto oder Weihnachtsgeschenke handelt: Wenn Geld nicht unendlich vorhanden ist, wird, von gesundem Eigeninteresse geleitet, stets die langfristig optimalste und sinnvollste Option für sich selber, für seine nächsten oder eine grössere Gemeinschaft  gesucht und gewählt. Was im Umkehrschluss auch heisst: Wo Geld beliebig vorhanden ist, werden ganze Lebensbereiche und die damit zusammenhängenden Entscheidungen ebenso beliebig. Der Willkürlichkeit und Wertezerfall werden Tür und Tor geöffnet.

Obwohl die meisten Menschen mit der Realität knappen Geldes leben, hat sich, dieser Tatsache diametral gegenüberstehend, ein Irrglaube eingenistet, der da erstens sagt, der Staat habe immer Geld und zweitens, die dem einzelnen zur Verfügung stehende Menge an Geld stehe nicht in erster Linie mit Leistung in Zusammenhang, sondern sei eine Frage der Verteilung. Auswirkung dieser Schizophrenie sind eine ausufernde Erwartungs- und Forderungshaltung gegenüber dem Gebilde Staat, eine knechtisch kriechende Neidkultur und die Entscheidungs- und Verantwortungsfreude einer Salatschleuder – eine halbgare Freiheit, die auf Interesselosigkeit, Egozentrik und Bequemlichkeit fusst.

Was man gerne vergisst: „Der Staat“, das sind ebenso Individuen. Menschen, die entscheiden und deren Entscheidungen entweder von Knappheit diktiert oder beliebig sind. Und auch hier wütet Chargen übergreifend der Massenwahnsinn. Wo in den Anfängen des sogenannten Sozialstaats Knappheit der Ressourcen vorherrschte und bedingte, dass nur sinnvolle Entscheidungen zu ökonomischer Prosperität und mit ihr zu höherem Steueraufkommen führten, hat sich mit der Kultur des „Whatever it takes“ eine Verwaltung  breit gemacht, die sich in erster Linie um sich selber kümmert. Machterhalt ist oberstes Ziel. Die vorherrschend Mode-Doktrin ist einmal mehr jene des „Sozialen“, Geschenke sind die gültige Währung. Der Preis ist die menschliche und wirtschaftliche Brandrodung einer Gesellschaft.

Es mag abenteuerlich klingen – aber wenn man die Sache zu Ende denkt, dann steht man irgendwann am Punkt, an dem es heisst: Wo keine Entscheidungen aufgrund von Knappheit und langfristiger Wohlstandsförderung gefällt werden müssen, da braucht es auch keine Menschen, die sie fällen. Die Tatsache, dass wir dieser Logik zum Trotz Millionen von Umverteilungs-Künstlern in Millionen von Päppel-Jobs aushalten, ist der Beweis dafür, dass der sich ausdehnende Staat nicht im Dienst der Bürger und des Landes, sondern ausschliesslich im eigenen steht. Wo Geld beliebig ist und nicht mehr an gegenwärtige Werte und Leistungen mit dem Ziel künftigen Wohlstands gebunden ist, da könnte man ebenso gut auf den ganzen Apparat verzichten und den Leuten die Kohle direkt in die Hand drücken. Bachab geht’s auf jeden Fall – so ginge es schneller und die Chancen für Gesundung und einen zügigen und realen Neuanfang wären grösser.

Natürlich wird das nicht passieren. Zu viele profitieren von der systematisierten Beliebigkeit und der Kultur abgehobenen Vergammelns. Der Staat zuerst. Mit ihm „Leistungs“bezüger, Banken, Unternehmer und Anleger. Zu angenehm planscht es sich – beschwingt von der Aussicht auf sinnfreies Leben – in der lauwarmen Sintflut wässrigen Geldes und auf Bonsai-Niveau gestutzter Verantwortungslosigkeit. Indes: Der Pegel steigt. Schwimmen können empfiehlt sich. Die eine oder andere Planke in Form von Gold- oder Silbermünzen ebenso.

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